Gastautor / 24.08.2016 / 06:14 / Foto: Didier Descouens / 3 / Seite ausdrucken

Die Drohne als Fetisch

Von Ralf Ostner.
 
Betrachtet man sich die Kritik von vielen Antimilitaristen so fällt auf, dass sich nicht ein unerheblicher Teil ihrer Kritik auf den Einsatz von Drohnen konzentriert. Die Drohne stelle eine „Entmenschlichung des Krieges“ dar, so erklärte Omid Nouripour von den Grünen. Nun weiß ich nicht, wie eine Vermenschlichung des Krieges auszusehen hat oder was man sich unter menschlichen Kriegen vorstellen soll, aber der Einsatz von Drohnen wird als eine qualitativ neue Ära des Krieges betrachtet. Jedenfalls ist die Drohne für wackere Antimilitaristen und Pazifisten der Inbegriff und die Verkörperung des Bösen schlechthin, ja sie hat inzwischen den Status eines antimilitaristischen Fetischs. Da mag massenhaftes Schlachten mit sonstigen konventionellen Kriegsmittel Massenelend und – tod bringen, aber nein, das eigentlich Schlimme und Ausgeburt des Teufels ist und bleibt die Drohne.
 
Zumal ist es sehr in Mode gekommen, Waffen, also Instrumente des Krieges und der Politik zu kritisieren und nicht so sehr die Politiker und die Politik, die die Kriege führen oder zu diesen führen, bei denen diese Waffen dann eingesetzt werden. Das lenkt davon ab, dass es Menschen sind, die über den Krieg entscheiden, die diese aufgrund gewisser Interessen oder Ideologien führen, die zu untersuchen und zu kritisieren wären. Eine Waffe führt keinen Krieg. Man könnte also von einer Verdinglichung und Fetischisierung der Kriegskritik sprechen.

Ebenso hat es Tradition, sich immer gewisse Waffensysteme herauszusuchen, die als besonders pervers angesehen werden. So war dies zu Zeiten der Friedensbewegung in den 80er Jahren die Neutronenbombe, die Erhard Eppler (SPD) als “Perversion des Denkens” bezeichnete, geradeso als könne man dies von sonstigen Massenvernichtungswaffen nicht sagen. Heute wird vor allem die Drohne als pervers und zutiefst unmenschlich angesehen, obgleich man auch die Frage stellen kann, warum keine anderen Waffensysteme da zu Liebhaberschaft bei antimilitaristsicher Kritik kommen, die zumal über viel grössere Vernichtungskraft verfügen und auch nicht so selektiv und präzise eingesetzt werden. Warum also ausgerechnet die Drohne?

Obama wird zum „Drohnenmörder“ erklärt

Zum einen wird kritisiert, dass es nicht mehr den ehrlichen Kampf Mann gegen Mann gebe, sondern Drohnensoldaten weit entfernt, sicher und anonymisiert in den Einsatzzentralen die Drohnen fernsteuerten und die Tötung von Menschen automatisiert werde, ja man keine Empathie für die Opfer habe und die Tötungshemmung beseitigt werde. Hier schon fragt sich, ob dies etwa beim Einsatz von Distanzwaffen wie Raketen, Bombenteppichen aus Flugzeugen oder dem Atombombenabwurf je anders war, ja auch bei einem Maschinengewehr die Hemmungsschwelle ja auch nicht grösser ist.
 
Desweiteren werden die Zivilopfer, die Kollateralschäden bei Drohneneinsätzen beklagt und Obama zum „Drohnenmörder“ erklärt. Zugegeben nicht schön, aber man sollte sich auch mal fragen, was die Alternative wäre. Definitionsgemäß haben Drohnen ja den Auftrag die Führungskader des Islamismus präzise und zielgerichtet auszuschalten. Man versucht also Militäreinsätze mit möglichst begrenzter Opferzahl, also einen Minimaleingriff. Alternativ müsste man zur Liquidierung von Terroristenführern Bodentruppen oder Special Forces einsetzen oder diese eben mit Kampfflugzeugen beseitigen, was naturgemäß sogar noch mehr Opfer sowohl an Zivilbevölkerung wie auch an Soldaten produzieren würde. Gezielte Special Forceseinsätze wie gegen Osama bin Laden sind sehr aufwendig und schwer in Masse auszuführen und zumal auch sehr riskant. Von daher verwundert die heftige Kritik an den Drohneneinsätzen etwas.
 
Jürgen Todenhöfer etwa ist der Ansicht, dass die Drohneneinsätze und auch die Luftschläge der USA nur mehr Zivilopfer produzieren würden, somit Rachegefühle aufkommen liessen und in der Konsequenz dann noch mehr Terroristen hervorbringen würde. Der Terrorismus sei wie eine Hydra - schlage man ihr einen Kopf ab, wüchsen mehrere nach. Diese Kritik ist auf Sand gebaut. Denn der Hydravergleich bedeutet, dass man eigentlich überhaupt keinen Krieg mehr führen dürfte, ja pazifisttisch und zuschauend sich den Islamismus ausbreiten lassen soll und hoffen, dass er sich von selbst in Luft auflöst. Vielleicht wären ja Friedensgebete und pazifistische Sit-Ins sowie Dialogrunden und Kaffeekränzchen mit Islamisten und mit Margot Käßmann die Alternative. Aber so genau hat mir dies noch keiner der Pazifisten erklärt.

Drohnen haben für die Kriegsführung  auch einen psychologischen Aspekt

Fakt ist, dass die Tötung von Führungskadern schon Auswirkungen auf die Terrororganisationen hat, zum einen auf die Kampfmoral, zum anderen können solche Enthauptungsschläge Nachfolgekämpfe innerhalb der Terrororganisationen und Streitigkeiten hervorrufen, die sie schwächen, zumal es auch symbolisch wichtig ist, um zu zeigen, dass selbst ihre bestgeschützten oberen Führer nicht vor dem Zugriff sicher sind - es also auch einen wichtigen psychologischen Kriegsführungsaspekt hat.
 
Desweiteren verschweigt Todenhöfer die Tatsache, dass durch die Kombination der Drohnenangriffe, der US-amerikanischen und russischen Luftschläge der Islamische Staat inzwischen 45 Prozent seines Territoriums verloren hat und sich die Maßnahmen der Anti-IS-Koalition nicht nur auf militärische Mittel beschränkt ist, sondern auch auf politische Mittel wie etwa das Herstellen politischer Bündnisse oder Wirtschaftssanktionen, die den Erdölschmuggel des IS schon soweit eingedämmt haben, dass er in finanzielle Schwierigkeiten kommt und seinen Kämpfern inzwischen den Sold ordentlich kürzen musste.
 
Der jetzige Einsatz von Drohnen ist noch sehr begrenzt. Der US-Militärstratege TX Hammes, der auch der Vater der Offshore Controll ist, hat jedoch einen programmatischen Artikel geschrieben: “The Future of Warfare: Small, Many, Smart vs. Few and exquisite“, der in der Fachwelt eine Grundsatzdiskussion ausgelöst hat. TX Hammes befürwortet die Ersetzung bisheriger Großwaffensysteme, U-Booten und Flugzeugen durch Massenflotten von mit Waffen und Sprengsystemen ausgerüsteten Drohnenschwärme - zu Luft und auch zu See und unter Wasser. Gut möglich, dass die Drohne dann als Waffensystem der Zukunft auch breiten und nicht nur selektiven Einsatz erhält. Mal sehen: Wenn Pokemon Go mit Drohnen kombiniert würde, könnte die Drohne ja vielleicht auch zivile Liebhaber in Massen gewinnen. Zur Zeit hat sie einen denkbar schlechten Ruf und ist zum Fetisch der Pazifisten geworden.

Ralf Ostner, 51, Diplompolitologe, Open-Source-Analyst, arbeitet als Übersetzer für Englisch und Chinesisch. Mehr vom Autor finden Sie hier

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Leserpost

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Werner Schmidt / 24.08.2016

Volle Zustimmung! Auch ich habe immer wieder die Frage nach einer jeweils alternativen Bodenoperation gestellt. Leider nur am Kaffeetisch. (Meine Frau ist Zeuge.)

Lutz Muelbredt / 24.08.2016

Die (militärische) Drohne führt uns trotz Hightec schnurstracks ins Mittelalter zurück. Denn das Opfer (Mobilfunknummer verrät seinen Standort) hat keine realistische Chance, seinem Schicksal zu entrinnen. Vielmehr noch: die ausgelöste Massenpsychose nach bereits erfolgten Radierungen läßt auch die Überlebenden als lebende Tote zurück. Sie werden sich nicht mehr erholen, solange sie einen Himmel über sich erblicken. Deshalb gehört die Drohne, wie einst die Atomwaffen, geächtet und verboten.

Andreas Spata / 24.08.2016

Guten Tag, Wenn der Westen gewillt ist seine freiheitlich, säkulären und demokratischen Grundsätze oder auch die, oft zu unrecht als Raubtierkapitalismus verunglimpfte, Marktwirtschaft zu verteidigen muss er mit den effektivsten Mitteln auch gegen deren Feinde vorgehen. Im Artikel fehlt völlig die Komponente der demographischen Entwicklung von kriegführenden Ländern. Das Standardtwerk dazu, von dem auch hier oft schon erwähnten Prof. Gunnar Heihnsohn, Söhne und Weltmacht, gibt klar darüber Auskunft warum Länder der ersten Welt nicht ihren einzigen Sohn in nicht zu gewinnende Kriege schicken können in dennen der dritte, vierte oder fünfte Sohn versucht die Welt zu erobern. Viele haben erkannt, dass die in dem Buch geschilderten Probleme der youth bulge großen Anteil an den Konflikten haben die jetzt ausgebrochen sind.  Sollten Länder der ersten Welt wieder zu Pfeil und Bogen greifen, nur um den Anschein zu erwecken man würde gerechter kämpfen?  Zweifellos nein. Krieg führt man um zu gewinnen, dass würde auch der Gegner tun ohne vorher in einem Stuhlkreis über legitime Waffen zu diskutieren.              

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