Ich fürchte, derartige Auflistungen der Schrecklichkeiten verfehlen das Thema. Wir dürfen unseren aktuellen Startpunkt der Betrachtung als das gemeinsame Credo ansehen, in dem Frauen grundsätzlich als gleichberechtigt und grundsätzlich als gleichwertig ansehen. Beobachtbare geschlechtsspezifische Unterschiede rechtfertigen keineswegs irgend welchen Sexismus. Dann beobachten wir die Welt wie sie ist im interkulturellen Vergleich. Es sind deutliche Unterschiede in der Emanzipation in den unterschiedlichen Kulturen wahrzunehmen. Im Westen bestehen zuweilen noch Defizite, aber dem Ideal der Gleichstellung kommt man nun erstaunlich nahe. Zumindest in der Theorie kann man von einem Konsens sprechen, die keine wesentlichen Differenzen zu den Standards der Menschenrechte kennt. In vielen Teilen der Welt ist das bei weitem nicht so. Hier ist der Sexismus zum Teil extrem ausgeübt, sowohl in Theorie, als auch in Praxis. Woher kommen die Differenzen? Natürlich dürfen wir vermuten, dass eine Kulturgeschichte auch maßgeblich von den Werten geprägt ist, die in den vorherrschenden Religionen tradiert werden. Da ist ein wühlen nach einzelnen Fakten oder Kuriositäten und Schrecklichkeiten wenig geeignet, eine plausible Erklärung für das Beobachtbare zu liefern. Viel mehr darf allem auf und ab zum Trotz das summarische Ergebnis der Kulturentwicklung auf den Ursprung bezogen werden: In der christlich geprägten Kultur, zusammen mit dem jüdischen Kulturkreis, sieht es für die Emanzipation am Besten aus! Allen Rückschlägen zum Trotz dominierten die Einflüsse, die zur Stärkung der unterpriviligierten Frauen führten. Da wirkt es skurril, wenn auf die Rolle von Cyril bei der Emordung von Hypatia im Jahre 415 gespielt haben möge, spekuliert wird.
Jetzt haben Sie in einem Aufwasch die Religionen und die Männer erledigt. Dabei könnte es ein wenig kurzschlüssig gewesen sein, es den Religionen zuzuschreiben, dass es in allen Gesellschaften eine Art Geschlechterhierarchie gibt. Es gibt ja in allen Gesellschaften Religion. Wie wollen Sie also einen Beleg liefern, genau dieser Faktor wäre ursächlich? Jede Gesellschaft hat allerdings auch säkulare Anteile, welche in einer gewissen Naturwüchsigkeit entstanden sind. Dass es dabei überall zu einer Geschlechterhierarchie gekommen ist, und zwar immer derselben, sollte zu denken geben. Unsere moderne Sicht der Dinge, gespickt mit selbst angehefteten Orden für Überlegenheit durch Säkularismus, Aufklärung und Menschenrechte, bringt es mit sich, dass wir ohne mit der Wimper zu zucken sämtliche traditionellen, religiös eingefärbten Kulturen der Geschichte und der Gegenwart ins Unrecht setzen. Als moralisch minderwertig, als bloße Vorformen unserer genialen Einsicht in Wahrheit und Gerechtigkeit. Das würde ich jedoch zurückweisen: Es ist selbst ein ideologisches Programm. Männer und Frauen sind unterschiedlich, haben im Schnitt verschiedene Neigungs- und Leistungsschwerpunkte, und dies bilden die traditionellen Gesellschaften ab. Aus Tendenzen entstehen Normen, und das ist unbequem für diejenigen, die aus dem Mittelfeld herausfallen. Die alten Griechen haben Sappho hoch verehrt, d.h. sie haben ihre Größe umstandslos anerkannt, und es ist nicht bekannt, dass in dieser Kultur, welche als eine der am stärksten männlichkeitsorientierte aller Zeiten gelten darf, Sappho für ihre Kunst gescholten wurde. Und das ist der Punkt: Die Behauptung, dass Diskriminierung der Grund dafür ist, warum Frauen in der Wissenschaft, Technik und (kreativen, nicht darstellenden) Kunst fast nicht repräsentiert sind, ist unwahr, und kann auch mit Beispielen, die es ohne Zweifel auch gibt, in keiner Weise das Ausmaß des Fehlens erklären. Wenn Sie die hundert bedeutendsten Maler der europäischen Geschichte der Kunst der Neuzeit aufzählen wollten, so wäre keine einzige Frau dabei (ich lasse hier die Moderne beiseite, da in der Moderne der Begriff „bedeutend“ überhaupt keinen Sinn mehr hat). Das lag aber nicht daran, dass sie wollten und nicht durften, denn sie durften (zugestandenermaßen teilweise mit Einschränkungen). Seit der Renaissance gab es jedoch Meisterinnen im Malerhandwerk, Väter haben ihre Töchter unterrichtet, viele Namen sind überliefert, aber mit der Ausnahme von Angelika Kauffmann befinden sich alle in künstlerischer Abhängigkeit von einem größeren männlichen Maler aus ihrem persönlichen Umfeld. Gerechtigkeit ist nicht Gleichheit. Die traditionellen Gesellschaften haben jeweils ihren Weg gefunden, die natürliche Unterschiedlichkeit der Geschlechter in eine Gesellschaftsordnung zu übersetzen, was immer bedeutet, dass Normen entstehen. Aber sie haben die Unterschiede nicht erzeugt. Unsere Gesellschaft dagegen, in welcher die Naturwüchsigkeit der Unterschiede ideologisch verleugnet werden und darum eingeebnet werden sollen, findet weder im öffentlichen noch im privaten Rahmen Lösungen für die Probleme, die sich dadurch auftun. Einzig die derzeit prosperierende Wirtschaft ermöglicht es, dass die Reibungsverluste, die durch eine Ideologie der Gleichheit in einer Gesellschaft entstehen, finanziert und damit aufgefangen werden können. Es wird sich zeigen, ob das Bestand hat.
Lieber Herr Grell, die Aussagen des guten Paulus werden gerne verkürzt wiedergegeben. Einfach mal einen Vers weiterlesen: (Epheser 5, 25) Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch der Christus die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, ... Die „Vorleistung” der Männer ist bedingungslose Liebe - Hingabe bis in den Tod. Wer sich so geliebt weiß, empfindet Unterordnung vielleicht gar nicht mehr als solche, sondern als behüteten Raum größerer Freiheit von gegenseitiger Liebe, Annahme und Geborgenheit. Wer es fassen kann, fasse es! Ciao Gerardo
Lieber Rainer Grell Doch, doch, ich lese Ihre Beiträge gerne – auch das Dossier über die „Last, eine Frau zu sein“ habe ich mit Gewinn gelesen. Aber ich möchte „nebenbei“ etwas dazu bemerken. Es sind ja gerade die Nebenbei-Bermerkungen, die einem Zitate-Slalom den richtigen Hüftschwung geben und die einem Propaganda-Trüffelschwein, wie ich es bin, in der Nase kitzeln. Dabei sind die Zitate schon schwungvoll genug. Etwa das über das Schicksal der ägyptischen Philosophin Hypatia: „An einem todüberschatteten Tag während der heiligen Fastenzeit zerrte man Hypatia aus ihrem Wagen, riß ihr die Kleider vom Leib und schleifte sie in die Kirche, wo sie auf barbarische Weise von Peter dem Leser und einer Horde wilder und gnadenloser Fanatiker niedergemetzelt wurde; man kratzte ihr mit scharfen Austernschalen das Fleisch von den Knochen und übergab ihre zitternden Gliedmaßen den Flammen.“ Nebenbei bemerkt zeigt dieses furchtbare Beispiel die bis heute ungebrochene (männliche) Kreativität in der Erfindung immer neuer Tötungsmittel und -methoden.“ Nebenbei bemerkt halte ich das für – Hm? Wie soll ich sagen? – bedenklich: Ich sehe darin überhaupt keine „(männliche) Kreativität in der Erfindung immer neuer Tötungsmittel und –methoden“. Im Gegenteil. Das war nicht neu, das war nicht kreativ. Ich sehe darin auch keine ungebrochene Klammer-auf-männliche-Klammer-zu Tradition von Kreativität. Ich denke z.B. an Schilderungen von Herodot, der einen Klammer-auf-weiblichen-Klammer-zu Mob beschreibt, der Abweichlerinnen zu Tode steinigt. In dem Punkt sehe ich auch keine kreative Weiterentwicklung. Es gibt aktuelle Fälle, die zeigen, dass diese Grausamkeit unbeeindruckt von jeder Kreativität und Neuerung ungebrochen weiterlebt. Später im Text wird der Fall noch einmal aufgegriffen und es wird noch ein weiteres Beispiel genannt für die fahrlässig behauptete „ungebrochene (männliche) Kreativität“: „Ganz so furchtbar wie das Schicksal von Hypatia war das der jüdischen Wissenschaftlerin Lise Meitner nicht. Aber ein tragischer Beleg für die Stellung der Frau in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es auf jeden Fall. Und wenn sie nicht rechtzeitig (1938) nach Schweden geflohen wäre, hätte sich ihr Ende sicher nicht von dem der Hypatia unterschieden.“ Echt?! Hätte sich ihr Ende wirklich nicht unterschieden? Gar nicht? Auch nicht ein bisschen? Ich meine: Es hätte sich so dermaßen derartig himmelweit und grundsätzlich unterschieden, dass man da redlicherweise keinen Vergleich mehr anstellen kann. Es soll allerdings Leute geben, die keinen Unterschied zwischen einer Trillerpfeife und einem Auto erkennen. Was lese ich da? „ ... ihr Ende (hätte sich) sicher nicht ... unterschieden.“ Sicher! Ganz sicher? Woher nehmen Sie die Sicherheit – und entspricht sie dem heutigen Sicherheitsstandard? Das fragt mit freundlichen Grüßen Ihr selbst ernannter Sicherheitsexperte und der stets bemühte Frauen-und-Männer-Versteher Bernhard Lassahn
Bei aller Berechtigung zur Klage sollte man aber meiner Meinung nach auch im Auge behalten, dass es in der islamischen Geschichte keine Äquivalenten z. B. zu Isabella von Kastilien, Elisabeth I. von England oder Katharina der Großen gibt. Das gilt ebenso für Persönlichkeiten der Bildung und Wissenschaften wie Hildegard von Bingen, Émilie du Châtelet oder Marie Curie. Die Kulturrelativierung, bzw. die Gleichmacherei der Kulturen ist zumeist falsch und oftmals von einem mir befremdlichen Selbsthass getragen.
Der Artikel reiht sich ein in eine Serie von religionskritischen Texten hier und ähnlichen Blogs, die in der Tendenz ein agnostisch-pluralistisches Religionsverständnis transportieren: Pluralistisch (im theologischen, nicht im politischen Wortsinne), weil die Gleichheit aller Religionen postuliert wird, agnostisch, weil ein Minus vor die Klammer gesetzt und damit jeglicher humanistische Wert von Religion bestritten wird. Diese Überzeugung ist populär und in einer freien Gesellschaft natürlich auch legitim, die Ausführungen sind jedoch nicht stichhaltig. Insbesondere die Rolle der Frau in Judentum und Christentum ist polemisch verzeichnet. Ohne geschichtlich bedingte Benachteiligungen zu leugnen, wäre hier doch wesentlich gründlicher zu recherchieren, differenzierter zu argumentieren oder besser gleich ein Experte zu beauftragen gewesen. Nur zwei Beispiele mögen das veranschaulichen: 1.) Jude ist man durch Abstammung von einer Jüdin, d.h. die Religionszugehörigkeit definiert sich über die weibliche Familienlinie. Die Wertschätzung der Frau ist im Judentum fest verankert und kann auch nicht pauschal durch die berühmte “Rippe” aus Gen 2 in Frage gestellt werden. Schon Gen 1 kennt die uneingeschränkte Gottebenbildlichkeit des Menschen nur in Gestalt von Mann und Frau. 2.) Zwar wird (dem Juden) Jesus ein modernes Verhalten gegenüber Frauen zugestanden, um dann Paulus umso heftiger zum Erfinder der “christlichen Frauenfeindlichkeit” zu erklären. Der zitierte Vers aus dem deuteropaulinischen Epheserbrief kann jedoch schwerlich der Kritik an Paulus dienen, weil er höchstwahrscheinlich gar nicht von Paulus stammt. Der “echte” Paulus formuliert unzweideutig: Hier gibt es weder Mann noch Frau, wir sind alle eins in Christus (Gal 3,26-28). Auf diesen jüdisch-christlichen Traditionen der Gleichwertigkeit aller Menschen fußt unser modernes, freiheitliches Verständnis vom Menschen! Gott sei Dank!
In den Wurzeln waren sich diese Religionen was die Frauen betrifft ziemlich ähnlich, das “Dossier” lässt aber die Differenzierung während zweier Jahrtausende außer Acht. Ich weiß nicht recht, mit dem Artikel hat da vielleicht einer die Entwicklung der letzten Jahrzehnte verschlafen. Die Realität sieht heute ungefähr so aus: Women make up approximately 25 percent of the New Horizons flyby team: http://www.nasa.gov/feature/the-women-who-power-nasa-s-new-horizons-mission-to-pluto https://www.google.de/search?q=idf+girls&tbm=isch Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen.
Die monotheistischen Religionen und die Rolle der Frauen. Die historische Rückblick rechtfertig diese Religionen an der Wurzel zu packen und diese mit ihren Widersprüchen, schwersten Sünden, ihrer Inhumanität und Intoleranz auf das zurück zu drängen was sie sind, eine Privatangelegenheit desjenigen der in ihr seinen Glauben und Halt findet. Insbesondere die jeweiligen Kirchen, Moscheen, Tempel e.t.c. und deren Priesterschaft sind von Übel, weil diese aus der Privatangelegenheit eine gesellschaftliche Bevormundung der Ungläubigen ableiten und sich in die Macht- und Ordnungsstrukturen einmischen, meist im Komplott mit dem jeweiligen weltlichen Herrscher, der Partei. Als noch im Römischen Imperien sich jeder seinen eigenen Hausgott schaffen konnte war der Glaube eine Privatangelegenheit und es war gut so. Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit, Toleranz und Minderheitenrechte sind die Errungenschaften der westlichen Zivilisation. Erkämpft mit den Ideen der Aufklärung. Das sind keine Werte aus dem Christentum. Sie mussten in zähem Ringen gegen den Widerstand des herrschenden Christentums mühsam durchgesetzt werden. Und nun wieder zurück in diese Zeit mit dem Islam? Nein danke.
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