Gastautor / 04.12.2022 / 14:00 / Foto: By © Raimond Spekking / 60 / Seite ausdrucken

Was ist mit der Liebe zwischen Frau und Mann? 

Von Kristina Schröder.

Liebe, Freiheit, Arbeitsteilung prägen das Leben von Frauen in Deutschland heute, und nicht ein „falsches Bewusstsein“ in „patriarchalischen Strukturen“, argumentiert Kristina Schröder in ihrem neuen Buch.

„Sie müssen einfach empörter sein!“ – das hat mein Pressesprecher mir als Ministerin vor jedem Weltfrauentag eingeschärft. Ich bin daran kläglich gescheitert. Die Disziplin „empört sein“ ist echt nicht meine Kernkompetenz. 

Alljährlich beim „Frauenkampftag“, wie der Weltfrauentag am 8. März auch genannt wird, konnte ich beobachten, wie man das macht. Lautstark wurden „gläserne Decken“ und „verkrustete Rollenklischees“ beklagt, die Frauen am schönen Leben hindern sollen. Aufrechterhalten würden diese „patriarchalischen Strukturen“ von „alten weißen Männern“, die solch hinterhältige Taktiken wie „Mansplaining“ (ein Mann belehrt eine Frau, um damit Machtasymmetrien zwischen den Geschlechtern zu reproduzieren), „Mantertaining“ (ein Mann erzählt langatmig schlechte Witze, um Frauen zum Zuhören zu zwingen) und „Manspreading“ (ein Mann sitzt breitbeinig da, um sich so mehr öffentlichen Raum zu nehmen) anwendeten. 

Ich fand dieses Narrativ immer grotesk. Frauen sollen einerseits alle so unglaublich klug, stark und tough sein, andererseits aber auch ständig in irgendwelche Fallen tappen und von ominösen Strukturen von irgendetwas ferngehalten werden. Das hat mich auch als Bundesfrauenministerin nie überzeugt. Wer Frauen und ihre Entscheidungen ernst nimmt, dem schlage ich eine andere Story vor. Zunächst einmal: Was soll dieses überbordende Denken in Geschlechterkollektiven? 

Haben Frauen „das falsche Bewusstsein“?

Natürlich ist es für das eigene Leben bedeutend, ob man Frau oder Mann ist. Aber heißt das auch, dass Angehörige eines Geschlechts zusammenhalten oder zumindest zusammenhalten sollten? Chefs fördern nach dem Ähnlichkeitsprinzip gerne Typen wie sie selbst, heißt es. Das mag sein. Aber ist Geschlecht dabei wirklich die alles entscheidende Kategorie? Wird sich der männliche Chef, Jurist und mit bildungsbürgerlichem Hintergrund, nicht der Juristin mit Latinum näher fühlen als dem Ingenieur aus kleinen Verhältnissen? Sind nicht Herkunft, Familienstand und Weltanschauung genauso wichtig, um Gemeinsamkeiten herzustellen? 

Und Weltanschauung hängt nicht am Geschlecht: Es gibt, außer vielleicht ein paar Bedürfnissen, die aus der Tatsache resultieren, dass eine Frau prinzipiell schwanger werden und zumindest leichter als Männer vergewaltigt werden kann, keine objektiven Interessen, die Frauen qua ihres Geschlechtes haben. Genau dieses Interesse unterstellt der Weltfrauentag und erinnert mich dabei immer an den Versuch, eine „proletarische Klasse“ zu statuieren, ebenfalls mit angeblich objektiven Klasseninteressen. Das hat schon im real existierenden Sozialismus nicht wirklich überzeugt. Und auch die 1968er, die für den revolutionären Kampf Flugblätter vor den Werkstoren von Opel verteilten, mussten voller Verdruss feststellen, dass die meisten Proletarier sich partout nicht aus ihren ausbeuterischen Klassenverhältnissen befreien lassen wollten. Aus marxistischer Sicht blieb da nur die bittere Erkenntnis: Die Arbeiter hatten eben das falsche Bewusstsein. 

Auch die meisten Frauen haben aus feministischer Perspektive das falsche Bewusstsein. Sie wählen das falsche Studienfach, den falschen Ehemann und die falsche Steuerklasse. Und nach der Geburt des ersten Kindes begehen sie dann die entscheidende Sünde: Sie scheiden eine Zeit lang ganz aus dem Beruf aus, länger als ihr Mann, und kehren danach sehr oft in Teilzeit zurück. Meine These dazu lautet: Frauen haben andere Präferenzen als Männer. Und das hat auch mit Biologie zu tun. 

Wir waren noch nie so frei wie heute

Frauen wählen andere Ausbildungen und Berufe, Frauen bevorzugen Männer, die sozial nicht unter ihnen stehen, und Frauen sind bereit, berufliche Abstriche zu machen, um mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Natürlich nicht alle Frauen. Aber bei 1.000 zufällig ausgewählten Männern und 1.000 zufällig ausgewählten Frauen werden sich diese Tendenzen sehr klar zeigen. Und zwar kulturübergreifend. Und es gibt sogar Hinweise, dass dieses unterschiedliche Verhalten der Geschlechter gerade in besonders freien Ländern umso ausgeprägter ist. 

Sind das die patriarchalischen Strukturen, die weltweit eine solche Durchschlagskraft entfalten? Oder könnte nicht doch die Biologie zumindest eine kleine Rolle spielen? Ich weiß, dass in Zeiten, in denen angeblich jeder selbst sein Geschlecht wählt, diese Überlegung verpönt ist, dennoch: Ich halte es für plausibel, dass die komplementären Rollen der Geschlechter bei der Zeugung, Schwangerschaft und Geburt von Nachwuchs auch mit komplementären Verhaltensweisen und Präferenzen während des übrigen Lebens einhergehen. Ich bin dennoch dafür, die Freiheitsgrade für alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht noch weiter zu erhöhen. Wir waren zwar nach meiner Überzeugung noch nie so frei wie heute, aber da geht sicher noch was. Ich glaube allerdings, dass sich auch und gerade in einer utopischen Welt größtmöglicher Freiheit die Lebensverläufe von Männern und Frauen wegen dieser ungleichen Präferenzen immer noch deutlich unterscheiden würden. Und ich kann daran einfach nichts Empörendes finden. Denn: Männer führen nicht das bessere Leben als Frauen. 

Männer sind privilegiert, weil sie Männer sind, dies ist ebenfalls eine der Grundüberzeugungen des alten und neuen Feminismus. Männer seien mächtiger, wohlhabender und beruflich erfolgreicher als Frauen. Die Gewinner- und die Verliererrolle sei auch heute noch klar zwischen den Geschlechtern verteilt. 

Auch diese schlichte Weltsicht hält einem unvoreingenommenen Blick auf die Realität nicht stand: Männer machen häufiger Karriere, Frauen verbringen mehr Zeit mit ihren Kindern, Frauen verdienen weniger, Männer sterben häufiger im Job, Mütter werden im Fall einer Scheidung häufig mit der Erziehung alleingelassen, getrennten Vätern oft der Umgang mit ihren Kindern verweigert, die Wahrscheinlichkeit, einen Nobelpreis zu gewinnen oder obdachlos zu werden, ist als Mann deutlich größer als als Frau. Und schließlich: Männer sterben früher, Frauen ärmer. 

Arbeitsteilung ist eine zivilisatorische Errungenschaft

Welches Leben ist das bessere? Dies lässt sich nur anhand von Wertmaßstäben beantworten. Gemessen am Maßstab „beruflicher Erfolg“ liegen die Männer vorne, beim Maßstab „menschliche Nähe leben“ die Frauen. Welcher Maßstab für einen zählt, das muss und darf jeder Mensch für sich beantworten. Es überrascht nur, dass ausgerechnet für die feministische Bewegung, die ja aus der kapitalismuskritischen Linken stammt, der entscheidende Maßstab der des beruflichen Erfolgs zu sein scheint. Sonst könnte das feministische Urteil über die Privilegierung der Männer nicht so eindeutig sein. 

In einem Punkt sind Feministinnen aber typische Linke: Sie werten fast jede Ungleichheit als Ungerechtigkeit. Als Ausweis von Diskriminierung, zumindest struktureller Benachteiligung. Und daher heißt das neue Ideal für das Zusammenleben von Mann und Frau „Partnerschaftlichkeit“. 

Damit ist gemeint, dass Frauen und Männer sich in einer Beziehung penibel alle Aufgaben teilen. Im Spiegel konnte man neulich in einem Interview mit einem Paar nachlesen, wie das geht: Man wechselt sich strikt ab beim Wäschefalten, Staubsaugen und Küche-Aufräumen. Zum Einkauf geht es zur Sicherheit meist gemeinsam. Und selbst der Gang mit dem Sohn zum Spielplatz wird in einer Excel-Tabelle vermerkt und penibel wieder ausgeglichen. Wer so leben mag: gerne! Aber wer uns dies als neues Ideal des Zusammenlebens von Frau und Mann verkaufen möchte, dem sage ich: Arbeitsteilung ist eine zivilisatorische Errungenschaft. 

Arbeitsteilung heißt gerade nicht, dass man sich jede Arbeit teilt. Sondern dass jeder die Arbeit macht, die ihm eher liegt. Weil sie ihm dann auch meist besser und schneller gelingt und so am Ende alle was davon haben. Die meisten Ehen, die ich kenne, sind in diesem Sinne partnerschaftlich: Sie kümmert sich um die Wäsche, er um den Einkauf, sie koordiniert die Familientermine, er macht die Steuererklärung. Und vor allem: Da sollte es ja auch so etwas wie Zuneigung geben. Großzügigkeit im Umgang miteinander. Gegenseitige Unterstützung ohne anschließende Aufrechnung. Vielleicht ist das der größte Fehler derer, die Frauen meistens als Opfer und Männer als Täter sehen und dem mit Excel-Tabellen beikommen möchten: dass sie die Liebe zwischen Mann und Frau unterschätzen. 

Dies ist ein Auszug aus Kristina Schröders neuem Buch „FreiSinnig. Politische Notizen zur Lage der Zukunft“. Hier bestellbar.

 

Kristina Schröder, geb. 1977, saß von 2002 bis 2017 als Abgeordnete für die CDU im Bundestag. Von 2009 bis 2013 war sie Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Foto: By © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0, Link

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Geert Aufderhaydn / 05.12.2022

O je, gesunder Menschenverstand. Hoffentlich kommt Ihnen da keiner drauf, Frau Schröder.

Sam Lowry / 05.12.2022

Negativ-Resonanz? Egal, Auftrag erfüllen… aber kaufen wird das Buch eh keiner.  Warum auch?

Paul Salvian / 04.12.2022

Schön zu hören, dass eine ehemalige Ministerin der Merkel-Regierung hier vernünftige Gedanken äußert. Man sollte jedem die Chance geben, sich zu ändern. Das wirkliche Machtverhältnis zwischen Mann und Frau finde ich zutreffend abgebildet im Schachspiel: Während der König sich kaum bewegen kann, kommt die Dame überall hin und kann fast jeden schlagen. Das Spiel wurde übrigens im Orient erfunden und kam im “finsteren Mittelalter” nach Europa. Es ist also ein Produkt genau der patriarchalischen Gesellschaften, von denen heute niemand mehr etwas wissen will. Nicolás Gómez Dávila hat wie immer recht: “Der Moderne ist der Mensch, der vergisst, was der Mensch vom Menschen weiß.”

Rainer Irrwitz / 04.12.2022

interessante Frage! Die sich niemand stellt nach 20 Jahren Ehe!

Sibylle Knauss / 04.12.2022

Das ist einfach nur wahr, liebe Christina Schröder. Manchmal glaube ich, Kinder zu haben, macht klug. Sagt eine Mutter und Großmutter

Elena Georgi / 04.12.2022

Ich verstehe die Gehässigkeit vieler Leserbriefschreiber hier nicht. Haben wir nicht lange Zeit bemängelt, dass die CDU tradierte Werte und Anschauungen über Bord geworfen hat und konservative Einstellungen bewusst in die No-go-Partei abgedrängt wurden, wo sie keine Chance haben, in politische Entscheidungen einzufließen? Jetzt kommt eine prominente CDU-Frau ans Licht und versucht, gegen den woken Mainstream zu schwimmen - und wird hier niedergemacht und als Dummchen diffamiert? Das regt auf!!

sybille eden / 04.12.2022

Danke, Herr CAMPER, - Esther VILAR war und ist auch meine Heldin !

Geert Aufderhaydn / 04.12.2022

O je, vielzuviel gesunder Menschenverstand. Hoffentlich kommt Ihnen da keiner drauf, Frau Schröder.

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