Felix Perrefort / 11.07.2023 / 14:00 / Foto: Pixabay / 30 / Seite ausdrucken

Cum-Ex: Frischer rechtsstaatlicher Wind?

Der parlamentarische Cum-Ex-Untersuchungsausschuss bekommt nun Zugang zu Ermittlungsakten der Kölner Staatsanwaltschaft. Trotz Corona-Debakel: Hier zeigt sich, wie Deutschlands Gewaltenteilung mal verblüffend gut funktioniert. Und wie wichtig von der Legislative eingesetzte Untersuchungsausschüsse sind.

Es gibt Neues im Cum-Ex-Skandal: Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) hat Zugang auf Akten der ermittelnden Staatsanwaltschaft bekommen, womit diese nun potenziell belastendes Material in den Händen halten, etwa über Olaf Scholz, den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, den früheren SPD-Innensenator Alfons Paweczyk und die Hamburger Finanzbeamtin Daniela P. Zwar kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht darüber geurteilt werden, ob und inwiefern der Öffentlichkeit Unbekanntes in dem Datenmaterial enthalten ist. Die Justizbeamten überreichten dem Untersuchungsausschuss allerdings USB-Sticks mit elf Gigabyte (!) Material. Angesichts dieses Volumens wäre durchaus zu erwarten, dass Wesentliches oder Brisantes nun auf Entdeckung durch einen parlamentarischen Akteur wartet. Diese Informationen sind dem Hamburger Abendblatt vom 8. Juli zu entnehmen. Das ist für sich nachrichtenrelevant, interessant sind aber auch die politischen Vorgänge drumherum. 

Möglich wurde der Zugang zu den Akten nämlich durch den „Rücktritt“ des Kölner Leitenden Oberstaatsanwalts Joachim Roth, der sich mit nur 63 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedete. Hintergrund sind dem Kölner Stadt-Anzeiger zufolge „Differenzen mit Justizminister Benjamin Limbach (Grüne).“ Dabei gehe es um „die Herausgabe von Akten zur Cum-Ex-Affäre der Warburg Bank und der HSH Nordbank an den Hamburger Untersuchungsausschuss.“ 

Man sieht, was (aktivierter) politischer Wille bewirken kann. In NRW hat sich ein grüner Justizminister gegenüber der Staatsanwaltschaft in der Gestalt Joachim Roths durchgesetzt, der dem Untersuchungsausschuss die Akten ein Jahr lang aus „Datenschutz- und Geheimschutzbedenken“ verweigerte, so das Hamburger Abendblatt. Schließlich machte Roth „den Weg frei, und Justizminister Limbach wies die Kölner Behörde an, den Wünschen der Hamburger zu entsprechen.“ 

Ein erklärungsbedürftiger Vorgang: Wäre intuitiv nicht zu erwarten gewesen, dass ein grüner Justizminister die Verweigerung der Akten-Herausgabe veranlassen würde, weil der Cum-Ex-Skandal die Bundesregierung gerade vor den aktuellen Umfragewerten schwer gefährdet? Immerhin geht es um nicht weniger als um die Frage, ob der amtierende Bundeskanzler buchstäblich korrupt war, sich von mutmaßlich kriminellen Bankern einspannen ließ und in einen Millionenbetrug am Steuerzahler verwickelt ist, den er durch nun vorgeblich mangelhaftes Erinnerungsvermögen zu vertuschen sucht. Zu klären wäre also, ob unser Kanzler die moralische Integrität für sein Amt vorweist. Was dagegen spricht, kann mit Leichtigkeit zur Diskreditierung der Ampel-Koalition insgesamt genutzt werden.

Hätte NRW-Justizminister Limbach daher nicht ein Interesse daran gehabt, die ihm weisungsgebundene Staatsanwalt in ihren Aufklärungsambitionen einzuhegen? Offenbar bekam der Justizminister einfach kalte Füße, weil ein CDU-Mitglied des Untersuchungsausschusses seinem Ministerium öffentlich mit Klage drohte. Richard Seelmaecker hatte mit dieser Klage-Drohung „Benjamin Limbach (Grüne) unter Druck gesetzt“, so das Hamburger Abendblatt

„Es gibt erdrückende Indizien“

Was darin nicht thematisiert wird: Für Scholz‘ Bereitschaft zum Lügen spricht eine astreine Täuschung der Öffentlichkeit, die zweifelsfrei nachweisbar ist. Im Dezember 2021 verkündete im Widerspruch zu den Erkenntnissen des Paul-Ehrlich-Instituts: „Fast 60 Millionen Deutsche sind inzwischen vollständig geimpft, ohne dass wir von schweren Nebenwirkungen und langfristigen Einschränkungen erfahren hätten“ (hier ab 42:15). Damit ist es nicht nur ein Verdacht, sondern eine nicht zu entkräftende Tatsache, dass Scholz falsche Tatsachenbehauptungen in die Welt setzte. 

Zur Erinnerung: Die Hamburger Warburg-Bank hatte illegale Cum-Ex-Geschäfte getätigt, mit denen ungerechtfertigter Weise Steuerrückzahlungen erwirkt wurden. Fabio De Masi veranschaulichte das betrügerische Vorgehen bei Cum-Ex-Geschäften in der Berliner Zeitung so: „Vereinfacht gesprochen funktioniert dies, wie eine Bierflasche im Supermarkt abzugeben und den Pfand-Bon auf den Kopierer zu legen, um dann mit Freunden an die Supermarktkasse zu gehen und mehrfach Pfand zu kassieren. Der Unterschied: Ein kopierter Pfandbon wird erkannt. Die Supermarktkasse ist das Finanzamt, und es geht nicht um ein paar Cent, sondern um Milliarden.“ 

Der Untersuchungsausschuss untersucht, warum die Hamburger Finanzbeamten plötzlich darauf verzichteten, rund 47 Millionen Euro Steuergeld von der Warburg-Bank zurückzufordern, obwohl dies zunächst geplant war. Die Tagebücher von Warburg-Mitinhaber Christian Olearius bezeugen, dass dieser die damaligen SPD-Politiker Kahrs und Pawelczyk kontaktiert hatte. Doch nicht nur das: Den Einträgen zufolge kam es im Herbst 2016 zu Treffen der Warburg-Inhaber mit dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz. Das Hamburger Abendblatt schreibt:

„Kurz darauf entschieden Finanzamt und Finanzbehörde sich dazu, die Steuern nicht zurückzufordern. 2017 gingen dann 45.500 Euro an Spenden aus dem Umfeld der Bank bei der Hamburger SPD ein – 38.000 Euro allein beim damals von Kahrs geführten SPD-Kreisverband Hamburg-Mitte.“ (...) Es gibt erdrückende Indizien, die dafür sprechen, dass es eine politische Einflussnahme gegeben hat, auch wenn wir bislang keine smoking gun, also keinen unmittelbaren Beweis gefunden haben“, so CDU-Obmann Richard Seelmaecker.

In dieser Geschichte zeigt sich, wie einflussreich ein Untersuchungsausschuss prinzipiell sein kann, der im Fall von Corona durch eine Einheitsfront gegen die AfD schlimmerweise verhindert wurde (siehe diese Achgut-Durchsicht). Dennoch: Man könnte es als Hoffnungsschimmer für den hiesigen Rechtsstaat deuten, der in der Corona-Zeit versagte: Ein CDU-Mann übt als Mitglied der Opposition und eines parlamentarischen Ausschusses mit einer Klage-Androhung Druck auf einen Justizminister aus. Und ist damit erfolgreich, weil der Justizminister befürchtet, von der Justiz zur Freigabe der Daten gezwungen zu werden, weshalb er dem lieber „freiwillig“ zuvorkommt. Über diesen parlamentarisch initiierten Druck wurde schließlich der Widerwillen der Staatsanwaltschaft überwunden. 

Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sollte sich nun darauf richten, dass ein legislativer Akteur im Besitz von potenziell regierungsbelastenden Material ist. Ein Zustand, den Exekutive und Judikative lieber verhindert hätten. 

 

Mehr zur Cum-Ex-Affäre auf Achgut.com von Annette Heinisch: „Kommt nun die Cum-Scholz-Affäre?“, „Verweigert Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Scholz erneut?“ oder „Scholz weiß es einfach nicht“

 

Felix Perrefort ist Redakteur und Autor der Achse des Guten. 

Foto: Pixabay

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Christoph Schrief / 11.07.2023

Olaf Scholz war der Wunschkandidat der Machthaber, des Kapitals. Erinnert sich vielleicht noch jemand daran, als er als Kanzlerkandidat der SPD vorgestellt wurde? Damals lag die SPD in Umfragen bei 17%. Alle haben gelacht. Er ist trotzdem Kanzler geworden. Dem wird nicht viel passieren.

Gerhard Schweickhardt / 11.07.2023

Due Sache stinkt zum Himmel. Ich denke Scholz ist untragbar, wie die ganze Ampel. Der Vertuschungsversuch ist jedem der denken kann klar. Die GEZ Medien schweigen. Der Bezug zu NS2 und Merkel nehme ich zur Kenntnis. Das Volk ist leider gepalten verwirrt und ängstlich. Das Grüne Reich wird übermächtig, egal was die Wähler wollen.

Dr. R. Möller / 11.07.2023

Der Autor hat es auch noch nicht begriffen. Sie können ermitteln und herausfinden was sie wollen - wen juckt es. Das bereitet Scholz und Co. nicht eine schlaflose Sekunde. Sie wissen ihnen wird nichts passieren. Im Gegenteil, sie genießen die Aufmerksamkeit. Unschuldig wie sie sind. Am besten zu verfolgen in den USA. Der Präsident von China bestochen- die Beweise sind erdrückend. Trump wird immer noch Spionage für Rußland vorgeworfen - nachweislich von Hillary Clinton als Wahlkampflüge in die Welt gebracht. Und - Folgen? Trump steht vor Gericht und Biden und Clinton weiterhin unantastbar. Auch Scholz wird vom großen Bruder geschützt. Er ist unantastbar. Diese Pseudountersuchungsausschüsse dienen nur als Schauspiel für Menschen wie Herrn Perrefort damit diese eine Ausrede haben nicht aktiv werden zu müssen und weiter in ihrer Wohlfühlwolke glücklich sein können.

N. Berning / 11.07.2023

Da gibt es in Köln ja noch die durchaus bekannte Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker, die bei “Cum-Ex” die eigentlichen Ermittlungen führt: Vor knapp einem Jahr wurde sie noch als “Scholz-Jägerin” medial gehyped - doch ihr Sauberfrau-Image bekam dicke Kratzer, als sie ein paar Monate später, kurz vor Weihnachten, zusammen mit ihrem (nun abgetretenen) Chef offensichtlich dafür sorgte, dass keine Ermittlungen gegen Scholz in Gang kamen - vorgeschoben wurde dabei von beiden eine Dezernetin (Untergebene!), die eine solche Entscheidung zu treffen habe, welche man aber “befürwortete”. Eine “Hoffnungsträgerin”, über die sogar ein Journalist ein Buch schrieb, entpuppt sich als ordinäre Beamtin mit Beißhemmung gegen Politiker… eigentlich nichts Neues, lasciate ogni speranza.

Wolfgang Richter / 11.07.2023

“Möglich wurde der Zugang zu den Akten nämlich durch den „Rücktritt“ des Kölner Leitenden Oberstaatsanwalts Joachim Roth, der sich mit nur 63 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedete. Hintergrund sind dem Kölner Stadt-Anzeiger zufolge „Differenzen mit Justizminister Benjamin Limbach (Grüne).“ ”—- Vielleicht habe ich es ja falsch verstanden, aber nach der Beschreibung in der regionalen Presse hat die Staatsanwaltschaft die Unterlagen übergeben und das Grüne Justizministerium verweigerte die Weitergabe an den Untersuchungsausschuß, worauf der Leitende Oberstaatsanwalt “seinem” politischen Chef den Rücktritt erklärte. Aber ich kann mich ja auch irren, wobei es anders herum eigentlich keinen Sinn macht, da die Staatsanwaltschaft dem Justizminister weisungsgebunden “unterstellt” ist, also sich gar nicht verweigern könnte.

gerhard giesemann / 11.07.2023

Mal sehen, was unser Wummskanzler noch offenbaren wird. Müssen.

A. Ostrovsky / 11.07.2023

Olaf, der Schattenaußenminister hat sich jetzt mit Erdogan dem Freund der Deutschen getroffen, nachdem der die fiministische Außenpolitik nicht verstanden hat. Glücklicherweise konnte die Dönerkrise noch einmal abgewendet werden, die nach der angedrohten Streichung der Dönersubventionen unvermeidlich geworden wäre. Da hätte es mehr Hungeropfer gegeben, als Hitzetote im Winter.. Da sind die noch nicht mitgerechnet, die sich an einem billigen chinesischen Dönerimitat vergiftet hätten. Die Verhandlungen waren kurz und intensiv. Olaf sagte “Ich sage nichts” Dann sagte Redjep “Ich weiß von nichts” Daraufhin haben sich beide vertrauensvoll die Hand geschüttelt und danach wurden die Hymnen gespielt. Man nennt das “Konstruktives Treffen in offener Atmosphäre”. Danke! Nochmal gutgegangen.

Thomas Szabó / 11.07.2023

Nachtrag zu meinem Beitrag: Wäre es nicht eine gewaltige Geste, wenn der deutsche Bundeskanzler in Käfighaltung den chinesischen Präsidenten begrüßen würde? “Ik bin ein Tibeter!” “Ik bin ein Uigure!” oder dem israelischen Premier ein Drag-Ständchen geben würde: “Don´t cry for me Palästina!”

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