Herbert Ammon, Gastautor / 05.06.2024 / 10:00 / Foto: KI / 56 / Seite ausdrucken

Der allgrüne Wahl-O-Mat

Was antwortete mir der Wahl-O-Mat am Ende eines ideologischen Hürdenlaufs, als er mir partout nicht die Grünen empfehlen konnte? "Leider kann der Wahl-O-Mat auf der Grundlage Ihres Antwortmusters kein individuelles und zuverlässiges Ergebnis berechnen."

Der von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) ins Netz gestellte "Wahl-O-Mat" soll laut Eigenwerbung "keine Wahlempfehlung, sondern ein Informationsangebot über Wahlen und Politik" sein. Bei "Wikipedia" wird das von der Zentrale präsentierte Instrument politischer Bildung wohlwollend als "Wahlentscheidungshilfe" – will heißen: eine Art Hilfsapparat für politisch Pflegebedürftige – vorgestellt. 

Was ich von dem – von seinen Autoren (sc. -innen) selbst vermutlich als wertebewusst und genuin demokratisch empfundenen – "Informationsangebot" halte, habe ich bereits anlässlich der Bundestagswahl 2021 einmal verdeutlicht. Es handelt sich um wenig mehr als um grüne Wahlwerbung. Der in Form von 38 "Thesen" – in der Meinungsforschung auch bekannt als statements – vorgestellte Fragenkatalog besteht aus nichts anderem als loaded questions, die beim "mündigen Bürger" (sc. der B-in und/oder – wie im Fragenkatalog als demokratische Grundsatzentscheidung offeriert – B- ohne "Geschlechtseintrag") a) ein schlechtes Gewissen wecken ("Die EU soll eine eigene Seenotrettung im Mittelmeer aufbauen." Oder auch: "Der Flugzeugtreibstoff Kerosin soll für Flüge in der EU steuerfrei sein.") oder b) eine differenzierende Betrachtung des fraglichen Themas gar nicht erst zulassen: Ja – neutral – Nein. Aliud non datur. Beispiele: "In der EU sollen mehr Flächen als Naturschutzgebiete ausgewiesen werden." "Die zulässige Menge an Fischen, die in EU-Gewässern gefangen werden dürfen, soll gesenkt werden. "Das Erasmus-Stipendium für Auslandsaufenthalte soll für Studierende, die über weniger finanzielle Mittel verfügen [?], höher sein." "Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen soll europaweit als Asylgrund anerkannt werden." Usw. usw. Nein ("stimme nicht zu") macht den Wahl-O-Mat-Spieler AfD-verdächtig. 

„Antworten Sie sorgfältig“

Ich gestehe, dass folgende "These" mein Urteilsvermögen – mangels Kenntnis der Materie – schlicht überfordert: "Urheberrechtlich geschützte Werke (z.B. Fotos, Musik, Literatur) sollen in der EU für nicht-kommerzielle Zwecke kostenlos verwendet werden dürfen." Was soll da die rot umrahmnte Ermahnung: "Bitte beantworten Sie die These sorgfältig."?

Da die Dinge nicht so einfach sind, wie sie der Wahl-O-Mat und eben auch die zur Wahl stehenden Parteien – auf Wahlplakaten, in Talkshows und Fensterreden im Bundestag – suggerieren, bleibt einem "mündigen Bürger" kaum anderes übrig, als die zur Wahl gestellte "These" abzuweisen, d.h. auf der Liste zu überspringen. Entsprechend eröffnete mir der Wahl-O-Mat am Ende des ideologischen Hürdenlaufs sowie nach meiner Auswahl (überschlagsweise von der CDU/CSU und SPD über die Grünen zur AfD, zu Sonneborns "Die Partei" bis zu Sahra Wagenknecht) aus den 34 oder 35 zur "Europawahl" zugelassenen Parteien: "Leider kann der Wahl-O-Mat auf der Grundlage Ihres Antwortmusters kein individuelles und zuverlässiges Ergebnis berechnen."

Ich hatte auch kaum anderes erwartet. Hätte ich gemäß der in die "Thesen" eingespeisten Vorgaben "gewählt", wäre ich ohne Frage bei den Grünen – oder bei den noch grüneren – wenngleich in violetter Farbe Stimmung machenden – Supereuropäern von VOLT gelandet. Als mündiger, auch sprachästhetisch sensibler Bürger kann ich deren urdeutschen Wahlaufruf "Sei kein Arschloch" jedoch nicht so recht goutieren. Ich lasse mich nicht – weder von der durchgrünten BpB noch von VOLT ver...

 

Herbert Ammon, geb. 1943 in Brieg (Schlesien), ist ein deutscher Publizist, Historiker, Studienrat a.D. Er engagierte sich in den 1980ern in der damaligen Friedensbewegung, u.a. als Repräsentant des „Offenen Briefes“ des DDR-Regimekritikers Robert Havemann an den sowjetischen Staats- und Parteichef Leonid Breschnew. 1981 zusammen mit Peter Brandt Herausgeber des Buches „Die Linke und die nationale Frage“. Mitgründer und Mitglied im Kuratorium der Deutschen Gesellschaft e.V. zur Förderung politischer, kultureller und sozialer Beziehungen in Europa.

Foto: KI

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Leserpost

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Klaus Keller / 05.06.2024

Firsts Things First. Im Rettungsdienst ist die Rangfolge zunächst einmal die Eigensicherung zu beachten weil es dem Notfallpatient nichts bringt wenn man selbst verletzt wird. Bei der nächsten Maßnahme geht es um die Frage welche Schädigung am schnellsten zum Tode führt. Die spritzende arterielle Blutung ist also zuerst zu behandeln. Im Juni 2024 ist die größte Bedrohung Europas nicht der Klimawandel oder die Zuwanderung radikaler Islamisten sondern die Eskalation des Krieges in der Ukraine da diese am schnellsten für alle existenzbedrohend werden kann. Da die Gefahr einer Eskalation seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine besteht hatten alle Parteien Zeit genug sich für den Wahlkampf entsprechend vorzubereiten. Der Wähler kann sich nun entscheiden ob ihm mögliche Gefahren in der Zukunft wichtig sind oder doch eher akute Probleme zunächst zu lösen sind.

Dr. Martin Treiber / 05.06.2024

Bei mir funktioniert der Wahlomat einwandfrei und die Kritik an den diskreten Antwortmöglichkeiten (ja, nein, unentschieden) kann ich auch nicht nachvollziehen, zumal man auch für einen wichtige Fragen doppelt gewichten kann. Schließlich soll ja eine quantitative Rangliste rauskommen. Außerdem kann man bei der Wahl auch keine Dreiviertel-Kreuze machen. Zuverlässig kommt bei mir bei allen Wahlomaten (es gibt noch mehr als den Bundesautomat) immer Bündnis Deutschland als Favorit raus. Antworte ich allerdings nach folgenden drei Kriterien: 1. Wähle immer die teuerste Antwort 2. Wöhle das maximale Verbot 3. Wähle maximalen Eurozentralismus Kommen bei mir die Grünen oder Volt raus

Richard Loewe / 05.06.2024

komisch, bei mit haut es ganz gut hin: 95% AfD und 6,7% Grüne. Ist halt eine Fehlermarge von 7% drin, aber was solls.

Thomas Kurt / 05.06.2024

Obwohl ich normalerweise solchen Käse wie Wahl-O-Mat völlig ignoriere, einfach weil ich sowas nicht benötige für meine Wahlentscheidung, habe ich aufgrund des Beitrages hier das Spielchen mal gemacht. Und siehe da, mir wird empfohlen, was ich sowieso wähle, da können noch soviele “Wannsee-Konferenzen” auffliegen, noch soviele Krahs und Höckes “Nazis” sein, noch soviele Haldenwang-Mitarbeiter provozieren: AfD 94 %, CDU/CSU 45,7 %, SPD 20,7 %, Grüne 6,9 %. Wieso zumindest bei SPD und Grünen kein Minus vor der Angabe steht, kann ich nicht nachvollziehen. Am Lustigsten fand ich übrigens die Frage: “Das europäische Parlament soll weiterhin eine zentrale Rolle in der EU spielen”. Die Betonung liegt sicher auf “weiterhin”. Geht mehr Vera…. oder hat der Frageformulierer ein k an entscheidender Stelle vergessen?

Daniel Hoffmann / 05.06.2024

Bin ich der einzige bei dem die Grünen 0% bekommen haben oder ist das deutschlandweiter Rekord? So schlecht kann der Wahlomat also ehrlicherweise nicht sein, denn das entspricht meiner tatsächlichen Einstellung bezüglich der Grünen.

Heiko Stadler / 05.06.2024

Mein Ergebnis: 88,8% AfD. Schön fand ich auch, dass mir auch gleich mitgeteilt wurde, dass die in “Verfassungsschutz”  umbenannte Stasi die AfD beobachtet und als “Verdachtsfall” eingestuft hat. Das bestärkt mich in meiner Entscheidung.

Stephen Grundli / 05.06.2024

Dieser Schutz der brandgefährlichen Messermörder durch die Mannheimer Polizeipräsidium schlägt den Boden aus dem Fass des Erträglichen. Ein Teppcihmesserattacke gegen einen AfD-Politiker ist gefilmt worden, alls der straftäter afD plakate stehlen und vernichten wollte, was ebenfalls eine Strafatat ist. Der Tötungsangreifer mit Teppichmesser (!)  ist mit Kamera deutlich zu erkennen. Nun wird er schnell von einer der Mannheimer Polizeiführung als angeblich schuldunfähig in eine psychologische Klinik versteckt. Jetzt muss der Name dieses AntiFa Straftäters raus an die Öffentlichkeit und die momentane Versuch einer Rechtsbeugung der Mannheimer Polizeiführung aufgedeckt werden !!! und veröffentlicht werden. Handelt es sich um eine Familienmitglied eines Politikers ? Einer prominenten Person? Das Kind eines SPD/GRÜNEN/CDU Politikers ??? Einer Richterin oder eines Staatsanwalts? Was ist da los in Mannheim ??? Das Gesicht ist deutlich zu erkennen. Siehe NIUS-Berichte nebst Videos. Das Teppichmesser ist eines der barbarischsten Tatwaffen, weil es so schwere Verletzungen verursachen kann. Im arabischen Raum wird es in der Regel als Folterinstrument genutzt, wie dies aus dem Afghanistankrieg und dem Syrienkonflikt bekannt wurde.

Jörg Themlitz / 05.06.2024

Die Medienpartner der “Bundeszentrale für politische Bildung” gefallen mir.

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