Dirk Maxeiner / 05.07.2020 / 06:25 / Foto: Øyvind Holmstad / 56 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Schöner demütigen

Die Demütigung ist ein beliebtes Gesellschaftsspiel, ihre Formen sind zahlreich und kreativ. Auch in aktuellen Zeiten wird das Repertoire der Demütigung ständig erweitert. Beim privaten Fernsehen ist das Element der öffentlichen Erniedrigung oder Selbst-Erniedrigung ein echter Quotenbringer. Dschungelcamp oder Germany’s Next Topmodel rufen im normal sozialisierten Zuschauer das Phänomen des Fremdschämens hervor. Tritt dieses auf, darf man davon ausgehen, dass man gerade einem Akt der Selbsterniedrigung beiwohnt, also etwa bei Tagesschau-Kommentaren, die den Glanz und die Genialität der deutschen Regierungspolitik hochleben lassen.

Legendär ist auch das Geburtstagsständchen des ZDF-Journalisten Udo van Kampen für die Bundeskanzlerin, ein selbst für die Bundes-Pressekonferenz ungewöhnlicher Akt der Selbstentwürdigung. Als besonders treuer Diener seines Herren zeigte sich 2007 auch Johannes B. Kerner mit der öffentlichen Erniedrigung seiner Kollegin Eva Hermann. Angeblich wollte er ihr Gelegenheit geben, sich für eine Formulierung in der unter anderem das Wort "Autobahn" vorkam zu rehabilitieren, in Wahrheit war eine ZDF-konforme Version der stalinistischen Selbstkritik vorgesehen. Als die Angeklagte nicht mitmachte lud er sie während der Sendung wieder aus: „Eva, ich habe mich entschieden, mit meinen drei Gästen weiterzureden – und mich von dir zu verabschieden.“

Im politischen Bereich gibt es im übrigen durchaus Parallelen zwischen Angela Merkel und Heidi Klum, beispielsweise wenn die Kanzlerin etwas als nicht hilfreich erachtet und nochmal wählen lässt. Sehr hübsch auch die Szene, als CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nach der Bundestagswahl 2013 auf der Bühne eine Deutschlandfahne schwenkte, woraufhin Mutti sie ihm resolut und überhaupt nicht amused wegnahm und in die Requisite verbannte. Inzwischen befindet sich Gröhe ebenfalls in der Besenkammer und verarbeitet das Trauma des begossenen Pudels als "Beauftragter für Kirchen und Religionsgemeinschaften" der CDU/CSU-Fraktion.

Demonstrative Akte der Demütigung werden mitunter aber auch angewendet, um die Staatsmacht zu desavouieren, beispielsweise wenn gefüllte Windeln aus dem sechsten Stock auf Polizeiautodächer rieseln. Das ist aber noch gar nichts gegen „Friendly Fire“, also die Demütigung von Ordnungshütern oder auch Soldaten durch ihre eigenen Vorgesetzten. Ursula von der Leyen beispielsweise unterminierte das Ansehen der Bundeswehr unter anderem mit Umstandsmoden, man konnte das Lachen der Taliban von Kabul bis zur Hardthöhe vernehmen.

„Die Verlängerungsschnur ist nur 20 Meter lang“

Eine ultimative Methode, die Street-Credibility von Polizeibeamten zu unterminieren, hat dagegen jetzt die Stadt Aachen gefunden. Der dort ansässige Hersteller „Streetscooter“ beerdigte kürzlich seinen für die Post gebauten Elektro-Transporter, und der nahm 100 Millionen Euro mit ins Grab, so, als handele es sich um einen wohlhabenden Pharao. In der Konkursmasse befand sich außerdem das elektrische Kleinstmobil e.Go Life, optisch für ein Kinderkarussell geeignet, aber mit geringerer Reichweite (Branchenspott: "Die Verlängerungsschnur ist nur 20 Meter lang"). Von Namen und Statur her erinnert es an das legendäre Goggo (Goggomobil) von 1955, das 250 ccm Hubraum besaß und 1957 sogar einen zweiten Scheibenwischer spendiert bekam.

Das einzig Erwachsene am e.Go ist der Preis von über 20.000 Euro. Und da von den Überraschungseiern noch ein paar unverkauft rumstehen, muss die Polizei die Dinger jetzt auftragen. „Das deutsche Startup E.Go war ein Prestige-Projekt von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet“, schreibt die Zeit, „erwies sich aber als kaum konkurrenzfähig“. Nachdem 50 Millionen Euro Investitionen bereits unter der Erde sind, hat man jetzt beschlossen, das Image der Polizei tieferzulegen: Die Mini-Stromer werden als Streifenwagen gekauft. Die Zeit: „Viel anfangen kann man damit allerdings nicht“. 

Stolz wie ein Bauer, der eine Frau gefunden hat, stellte der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach vier E.Go Life als neue Elektrofahrzeuge der Aachener Polizei vor. Sie sollen unter anderem in der „Kriminalprävention“ eingesetzt werden, was auch immer das ist. Da nach maximal 100 Kilometern Reichweite Schluss mit der Verbrecherjagd ist, halte ich den abschreckenden Effekt allerdings für übersichtlich.

Es fehlen für die Kriminalprävention jetzt nur noch Strampelanzüge und Wasserpistolen für die Beamten. Der nächste logische Schritt sind Tretautos. Vielleicht erleben auch die beliebten Goggo-Witze eine Renaissance: "Warum hat ein Goggo Räder? Damit man es nicht tragen muss". In den Problemvierteln freut sich die Bevölkerung bereits: Statt Windeln zu werfen, kann man in Zukunft Streifenwagen kegeln.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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Wilfried Cremer / 05.07.2020

Wenn denn Trump mal in der Pfalz erscheinen sollte, könnte man die Amistaatskarosse von den Kisten eskortieren lassen. Das ist dann Folklore à la Regentanz in Papua.

Rolf Lindner / 05.07.2020

Die Tatsache, Teil eines Volkes zu sein, dass sich von einem schwafelnden, lügenden, Fingernägel kauenden, vorgealterten, in hässliche Hosenanzüge gepressten Monstrum mit vergrämten Gesicht regieren lässt, ist mir Dauerdemütigung genug.

Bernd Ackermann / 05.07.2020

“In der Kriminalprävention eingesetzt” bedeutet, die E-Autos werden für jeden gut sichtbar und an eine Ladesäule angeschlossen (die für teures Steuergeld noch errichtet wird)  vor dem Polizeirevier geparkt, so wie das auch mit den meisten anderen von Behörden und Firmen beschafften E-Autos geschieht. Benutzt werden sie eher nicht. Mit Toto & Harry beladen bewegt sich das Ding doch ohnehin keinen Meter. Die Polizei in Dubai fährt übrigens Lamborghini Aventador und Ferrari FF. So weit sind deren Glaubensbrüder in den deutschen Problemvierteln noch nicht, da muss man sich noch mit Mercedes, BMW und Audi begnügen. Aber was ist schon die Demütigung von ein paar Polizisten gegen die Demütigung eines ganzes Volks, das man zwingt mit Maulkorb herumzulaufen und das zu blöd ist um zu bemerken, dass es veralbert wird und stattdessen jubelt?

Hjalmar Kreutzer / 05.07.2020

Polizeipräsidenten und Innenminister sollten sich nicht wundern, wenn niemand mehr Polizist werden will und die im Dienst befindlichen älteren Beamten unter diesen Bedingungen den möglichst frühzeitigen Ruhestand herbeisehnen; ich konnte mit der einen oder dem anderen darüber sprechen. Auf Kundgebungen habe ich mich bisher durch die Polizei gegen den geifernden Hass und die Gewaltbereitschaft von grölendem Antifa-Mob gut beschützt gefühlt. Beim Anblick von radelnden Polizeistreifen in wurstpellenengen Radsportanzügen mit diesen albernen Eierhelmen auf dem Kopf, auf Segways durch die Gegend rollernden Beamten (wie wollen diese unfallfrei anhalten und absteigen, um jemanden festzunehmen?) oder mit Regenbogenbanderole und Parolen in englisch (!) versehenen Schwulizei-Bussen würde mir leider spontan die Frage herausrutschen: „Sind Sie auch Polizei?“

Steffen Lantz / 05.07.2020

Guten Morgen Herr Maxeiner, ich habe mich über Ihren Artikel gerade sehr amüsiert. Das Video von Kerners Sendug, in der er Eva Hermann diffamiert, habe ich erst vor ein paar Wochen noch angesehen… und dabei die anderen nazikeulenschwingenden Empörten (alle gegen Hermann), die ich uns nicht wieder in Erinnerung rufen möchte! Das hat mich in meinem Entschluss bestätigt, keine Talkshows aus diesem Spektrum mehr anzusehen: Lebenszeitverschwendung! Die Krone ist der Goggo-Witz. Fahre weiter Euro-4-Diesel, auch sonntags.

Gerd Heinzelmann / 05.07.2020

Fehlt nur noch Aufladen per Handkurbel im Außenbereich. Aber auch das wird noch kommen.

Stefan Riedel / 05.07.2020

100 gefühlte (bleierne) Jahre Kanzlerin Merkel, gewählt (hinter her waren es natürlich nur die anderen)! Eine deutsche Form der (Selbst-) Demütigung.

Dr. Joachim Lucas / 05.07.2020

Schon Sigmund Freud konstatierte sinngemäß: Das Fehlen von Scham ist ein sicheres Zeichen von Schwachsinn. Da hat man es in D schon weit gebracht. Peinlich ist denen nichts mehr. Denn wenn diese Ideologie des Schwachsinns allgemeine Handlungsmaxime ist, fällt sie nur noch den Nichtinfizierten auf und die werden eben ausgegrenzt.

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