Ich war gerade mal fünf Wochen alt, als Juden von Deutschen selektiert wurden. Sie wurden selektiert, um getötet zu werden. Unter den Selektierten waren auch Kinder! Ich wurde am 22. Mai 1976 geboren.
Heute vor 48 Jahren, am 27. Juni 1976, wurde Flug 139 der Air France, der von Tel Aviv nach Paris führen sollte, nach einer Zwischenlandung in Athen entführt. Es waren zwölf Besatzungsmitglieder und zweihundertachtundfünfzig Fluggäste an Bord. Die Entführer nannten sich „Kommando Che Guevara“, benannt nach dem Mann, dessen Gesicht noch heute auf vielen T-Shirts, in Wohngemeinschaften, auf Postern und in Bars zu sehen ist.
Einige Terroristen gehörten zur Volksfront zur Befreiung Palästinas. Zwei Terroristen waren Deutsche. Ihre Namen waren Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann. Sie gehörten zu den Revolutionären Zellen. Gemeinsam zwangen sie die Piloten der Air-France-Maschine, den Flughafen Entebbe in Uganda anzufliegen, da dort die Terroristen durch das Regime Idi Amins unterstützt wurden.
Mit der Flugzeugentführung sollte die Freilassung von insgesamt dreiundfünfzig Inhaftierten aus Gefängnissen in Israel, Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz erpresst werden. Darunter waren auch Mitglieder von zwei deutschen Terrororganisationen, nämlich der Roten Armee Fraktion um Andreas Baader und Ulrike Meinhof sowie der Bewegung 2. Juni. Außerdem forderten die Entführer fünf Millionen US-Dollar von der französischen Regierung für die Rückgabe des Flugzeuges.
Die Passagiere wurden in der alten Transithalle des Terminals von Entebbe als Geiseln gehalten, wo sie in Juden und Nicht-Juden selektiert wurden. Die Selektion wurde von den Deutschen Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann vorgenommen, die anhand der israelischen Papiere, aber auch aufgrund vermeintlich jüdischer Namen die Menschen selektierten. So wurden auch einige Passagiere fälschlicherweise als Juden identifiziert. Nach der Selektion wurden die Juden als Geiseln gehalten und die übrigen Menschen freigelassen. Ein Überlebender des Holocausts zeigte Wilfried Böse bei der Selektion seine eintätowierte Häftlingsnummer, um ihn so an die Selektion in den Konzentrationslagern zu erinnern. Wilfried Böse erklärte daraufhin, er sei kein Nazi, sondern Idealist.
„Ich bin kein Nazi. Ich bin Idealist!“
Das war damals. Heute sitzen die Idealisten in höheren Positionen, zum Beispiel in den Vereinten Nationen, in der FIFA oder in deutschen Universitäten. Die deutliche Mehrheit aller Resolutionen und Entscheidungen, die der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen seit seinem Bestehen verabschiedet hat, richtet sich gegen Israel.
In einer manischen Fixiertheit auf nur 0,1 Prozent der gesamten Weltbevölkerung, denn dies ist der prozentuelle Anteil der Israelis auf der Erde, sehen die Vereinten Nationen ein Volk, dem ganz besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden muss. Während 99,9 Prozent der Welt mit Milde betrachtet werden, werden 0,1 Prozent selektiert. Der Weltfußballverband FIFA, der die Fußballweltmeisterschaft 2022 an Katar stattfinden ließ, wo Frauen, Homosexuelle und Andersgläubige gefoltert und ermordet werden, diskutierte Ende Mai 2015 darüber, ausgerechnet Israel aus dem Verband auszuschließen.
Nach dem Massenmord an Juden am 7. Oktober 2023 fanden weltweit Demonstrationen statt, bei denen nicht gegen die Mörder demonstriert wurde, sondern gegen den Staat Israel, der es wagte, sich zu verteidigen. Am 14. Dezember 2023 zum Beispiel kam es an der FU in Berlin zu einer Hörsaalbesetzung der Gruppe „FU Students for a Free Palestine“. Die Besetzer unterstellten Israel einen Völkermord, ausgerechnet nachdem weit über 1.000 Juden an einem einzigen Tag von Terroristen der Hamas und von Zivilisten im Gazastreifen bestialisch ermordet und geschändet worden waren.
„Zionisten kommen hier nicht rein“
In Vorträgen während der Hörsaalbesetzung wurde erklärt, Israel habe kein Existenzrecht und es gebe keine israelische Nation. Die Besetzung dauerte über sechs Stunden, bis die Polizei endlich eingriff. Später erklärte der Student Lior Steiner, dass ihm als Jude der Zugang zu dem besetzten Hörsaal verweigert wurde und zwar unter der Begründung: „Zionisten kommen hier nicht rein.“
So wie damals bei der Flugzeugentführung wird heute an der FU in Berlin selektiert. Es ist Selektion, wenn an deutschen Universitäten ausschließlich Israel die Schuld am Leid in Gaza gegeben wird und wenn ausschließlich zum Boykott israelischer Produkte aufgerufen wird. Es ist Selektion, wenn die Vereinten Nationen ausschließlich Israel tadeln.
Es ist eine Selektion, ausschließlich Israel einen Apartheidstaat zu nennen, obwohl es das einzige Land im Nahen Osten ist, in dem es keine Apartheid gibt. Es ist eine Selektion, ausschließlich von „illegalen jüdischen Siedlern“ zu sprechen, aber alle anderen Siedler, die nicht jüdisch sind, nicht als illegal zu bezeichnen. All das ist Selektion, aber die Selektierer nennen es Idealismus.
Großmufti und Führer
Es gibt jedoch einen Staat, der diesem Idealismus Einhalt gebietet. Im Jahr 1976 befreite Israel fast alle Juden aus den Fängen der Geiselnehmer in Entebbe und rettete ihr Leben. Im Jahr 2024 unternimmt Israel alles, um die Geiseln zu befreien, die bei dem Massenmord am 7. Oktober 2023 genommen wurden. Nicht selten wird Israel dafür kritisiert.
Als in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Selektion von Juden von deutscher Hand geplant und durchgeführt wurde, gab es noch kein Israel. Im Jahr 1941 trafen sich der Großmufti von Jerusalem und der Führer von Nazideutschland in Berlin, um über die „Endlösung der Judenfrage“ zu diskutieren. Al-Husseini wollte das Land, über das er zu herrschen plante, „judenrein“ haben. Weil auch die Naziregierung das wollte, diskutierten der Mufti und der Führer die Möglichkeit zur systematischen, industriellen Ermordung aller Juden.
Nach dem Treffen der beiden „Idealisten“ fand die Konferenz am Wannsee statt, deren Ziel die Planung der Vernichtung aller Juden in Europa war. Al-Husseini soll einer der ersten Nichtdeutschen gewesen sein, der von dieser Planung erfuhr. Adolf Eichmann informierte al-Husseini im Kartenraum des Berliner SS-Hauptquartiers, indem er dort seine Unterlagen für die Wannseekonferenz benutzte. Eichmanns Adjutant sagte aus, dass der Großmufti sehr beeindruckt und so eingenommen von diesem Bauplan zur Judenvernichtung gewesen sei, dass er Eichmann bat, ihm einen Experten als persönlichen Assistenten nach Jerusalem zu schicken, um dort Todeslager und Gaskammern zu bauen, sobald Deutschland den Krieg gewonnen habe und er selbst an der Macht sei.
„Tot und beliebt“
Die Weltöffentlichkeit schaute weg, als Juden in Europa verfolgt und ermordet wurden. Erst als der Rest der Welt selbst Opfer Deutschlands wurde, schritt die Weltöffentlichkeit ein! Heute schaut die Welt wieder weg, wenn es gegen Juden geht. Die ganze Welt? Nein! Ein kleines Land schaut nicht weg. Israel!
Als in der Mitte des 20. Jahrhunderts über 850.000 Juden aus der arabischen Welt vertrieben wurden, nahm Israel die Juden auf. Als Juden in Entebbe selektiert wurden, befreite Israel sie. Jedes Mal, wenn Israel mit Raketen angegriffen wird, die in der Absicht abgefeuert werden, so viele Juden wie möglich zu töten, fängt Israel diese Raketen ab. Wenn Juden entführt werden, nutzt Israel all sein Wissen zur Befreiung der Menschen. Israel ist es dabei egal, ob es deswegen kritisiert wird, denn oft ist diese Kritik nichts anderes als eine weitere Selektion von Juden.
Für Juden gibt es heute zwei Alternativen. Sie können als Opfer von Judenhass geliebt werden oder sie werden kritisiert und gehasst, weil sie sich wehren. Wenn ich mich jedoch entscheiden müsste zwischen „tot und beliebt“ und „lebendig und unbeliebt“, ich wählte lebendig!
Gerd Buurmann ist Theatermensch und spielt, schreibt und inszeniert in diversen freien Theatern von Köln bis Berlin. Er ist Schauspieler, Stand-Up Comedian und Kabarettist. Im Jahr 2007 erfand er die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Mit seinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und den von ihm entwickelten Begriffen des „Nathan-Komplex“ und des „Loreley-Komplex“ ist er in ganz Deutschland unterwegs. Seit April 2022 moderiert er den Podcast „Indubio“ der Achse des Guten. Sein Lebensmotto hat er von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!“