Rainer Bonhorst / 21.06.2024 / 13:00 / Foto: RB/Achgut.com / 46 / Seite ausdrucken

Göring-Eckardt sieht Farbe. Warum auch nicht?

Katrin Göring-Eckardt entschuldigt sich für einen getwitterten Satz. Warum? Bietet ihr Handeln keine besseren Gründe für Entschuldigungen? Ausgerechnet wegen ihres Blickes auf Hautfarben im Fußball wäre das nicht nötig gewesen.

Einer der verbreitetsten Heuchelsätze lautet: „Ich sehe keine Farbe.“ Ist immer gelogen, es sei denn, der Sprecher ist medizinisch farbenblind. Wer aber nur so tut, als sähe er keine Hautfarbe, um die es in diesem Text geht, der lügt. Farbe gehört ins Leben. Auch die diversen menschlichen Farben. Ich freue mich immer, wenn ich sehe, dass unsere Nationalmannschaft so viele Schattierungen aufweist. Ein Jubelbild ohne weiße, blonde und blauäugige Mehrheit macht mich stolz, weil es zeigt, dass wir doch ein vielfältiges Land sind. Wer verbieten will, dass man Hautfarbe sieht oder erwähnt, ist ein Heuchler und leistet indirekt dem Rassismus Vorschub. Nicht umgekehrt. Wer wie Katrin Göring-Eckardt sich über unseren bunten Fußball freut, ist das Gegenteil einer Rassistin.

„Diese Mannschaft ist wirklich großartig. Stellt euch kurz vor, da wären nur weiße deutsche Spieler.“ Diesen hochanständigen Satz soll die grüne, des Rassismus völlig unverdächtige Vizepräsidentin des Bundestags nicht sagen dürfen? Nicht einmal als Antwort auf eine Befragung, bei der sich viele mehr weiße Fußballer gewünscht haben? Und damit hat sie einen Shitstorm im Netz ausgelöst? Ja, wo sind wir denn.

Ich fürchte, wir sind in einer Welt der Shitstorm-Deppen. Erst draufhauen, ehe man Gefahr läuft, etwas genauer nachzudenken. Und ich fürchte, wir sind in einer Welt des neuen, aber eigentlich archaischen Tabuisierens. Nach dem John-Cleese-Motto: „Don't mention the war.“ In heutiger Version: „Don't mention the colour.“ Oder, wie es in angelsächsischen Heuchlerkreisen meist heißt: „I don't see colour“.

Die Schnaps-Idee ist, dass man durch Tabuisierung eine Tatsache des Lebens hinwegzaubern kann. Dabei gilt für das Thema der Hautfarbe das Gleiche, das Klaus Wowereit, der ehemalige Bürgermeister von Berlin, für sich in Anspruch nahm: „Ich bin schwul, und das ist auch gut so.“ Fußballdeutschland hat Farbe, und das ist auch gut so.

Entschuldigt, wofür?  

Leider haben sich auch einige Promis dem Shitstorm angeschlossen, mit dem Katrin Göring-Eckardt gemobbt worden ist. Die vorgeblich „Farbenblinden“ oder Farbstummen, um nicht zu sagen Farbdummen, die auf ihr herumhacken, sind atavistische Tabuisierer. Wer das Thema Hautfarbe zum Sprachtabu erklärt, neigt selber unbewusst und unterschwellig zum Rassismus. Denn die Tabuisierung signalisiert, dass Farbe irgendwie schlecht ist, oder peinlich oder sonst was nicht ganz Astreines, weshalb man besser nicht darüber spricht. Ein klassischer Denk-Kurzschluss, der unter politisch Überkorrekten heutzutage weit verbreitet ist.

Es kommt nicht darauf an, gegen jede optische Realität „keine Farbe zu sehen“, sondern wie man zu unserem farbenfreudigen Fußballdeutschland steht. Die Vizepräsidentin hat es klar gesagt: „Unsere Mannschaft ist großartig.“ Umso trauriger ist es, dass sie vor dem Shitstorm-Mob, bei dem ich relativ wenige Tassen im Schrank vermute, in die Knie gegangen ist. Sie hat ihren schönen Spruch gelöscht und sich entschuldigt. Entschuldigt, wofür?

Aber so ist es heutzutage. Man muss sich für Sachen entschuldigen, für die sich eigentlich kein vernünftiger Mensch entschuldigen müsste. Und sollte. Und das sogar oder gerade deshalb in herausragender politischer Position.

 

Rainer Bonhorstgeboren 1942 in Nürnberg, arbeitete als Korrespondent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in London und Washington. Von 1994 bis 2009 war er Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen Zeitung

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Isabella Martini / 21.06.2024

Abgesehen davon dass mir das überstrapazierte Wort: “bunt” schon seit langem zum Hals raushängt, frage ich mich, warum in der Nationalmannschaft keine Japaner, Argentinier, Inder, Israelis, Chinesen, Spanier etc.  mitspielen? Menschen mit diesen Nationalitäten leben doch ebenfalls bei uns. Können die alle keinen Fußball spielen? Vielleicht kann mir das mal ein fußballaffiner Mensch logisch erklären?

gerhard giesemann / 21.06.2024

Was KGE lediglich sagen wollte: Seht ihr, wie toll unsere Zuwanderungspolitik ist?! Zur “Küchenhilfe”: DAS ist keine Schande, sondern wäre es nur, wenn danach nicht viel hinzu gekommen wäre. Darüber sollten wir reden, wenn es um KGE geht. Und doofer als diejenigen, die Unsinn plappern sind immer die, die sowas wählen. Der Maßstab eines Politikers in unserem System ist die Zustimmung, die er/sie erhält. Das Lebenselixier. Danach richten sich seine/ihre Aussagen. Gutes Beispiel: Der Atomausstieg Merkels, um die LT-Wahlen in BW zu gewinnen. Ist leider in die Hosen gegangen, den Hosenanzug, horribile dictu. Das Schwabenvolk fürchtete sich so vorm Tsunami ... . Zustimmung von wem? Na also. So beißt sich das Volk wie eine Katze in den eigenen Schwanz. Populus vult - das Volk will es so - warum sollen sie es ihm nicht geben? Die Bezahlung ist schließlich nicht schlecht ... . Besser als auf dem Bau, der Müllabfuhr und in der Kuchel. Wir alle haben es in der Hand. Die Hand muss allerdings kopfgesteuert sein, sonst ist die Diagnose: brainache. Aber nicht bei den Politikern. Da gibt es Karrieren, die absolut bemerkenswert sind - DAS kann nicht jede/r. Sonst würde das System nicht so funktionieren, wie es das tut. Der Einzelne kann ja seine individuellen Schlüsse ziehen. Wenn er/sie “vult”. Nenne das gerne “lebenslanges Lernen”. Vorbild: KGE. Und so manch andere.

Emil.Meins / 21.06.2024

Zunächst einmal: kein “Shitstorm”, der KGE trifft, ist einer zuviel. Dies Frau hat dort nichts verloren, wo sie seit Jahren Unheil anrichtet. Küchenhilfe, irgendwie nach oben geschwemmt im Stasiland. Insofern kann ich mich dem Kommentar von Herrn Niersberger anschließen. Der Text des Autors ist eine Verharmlosung, denn auch er müßte wissen, was KGE mit ihrer Aussage ausdrücken und erreichen wollte. Überspitzt so etwas wie “weiße Deutsche sind der letzte Dreck, wer braucht die noch, weg damit! Wir haben jetzt Buntheit und Vielfalt, und das ist gut so.” Und wer hat eigentlich bestimmt, daß hier so ein schwachsinniger Satz Geltung haben soll:“Ein Jubelbild ohne weiße, blonde und blauäugige Mehrheit macht mich stolz, weil es zeigt, dass wir doch ein vielfältiges Land sind.”? Ist diese zelebrierte “Vielfalt” per se gut, und warum? Warum spielen denn die ganzen “bunten” Fußballer nicht zu Hause für ihre eigenen Länder? Warum gibt es keinen weißen, “deutschen” Fußballer-Nachwuchs mehr? Welchen konkreten Nutzen bringen denn die neureichen schwarzen Fußballstars dem Land, außer daß man den Leuten erzählen kann, die “deutsche Nationalmanschaft” habe eine Meisterschaft gewonnen? Wohin verschwinden sie samt Geld nach ihrer Karriere? Die deutsche Nationalmannschaft ist doch ein Trugbild, genau so, als machte man eine “Spatzen”-Weltmeisterschaft, bei der aber großteils zu Spatzen erklärte Adler und Geier mitmachen würden, oder wenn in Hausmeister Krauses Dackelverein plötzlich Schäferhunde und Dobermänner integriert würden. Ich frage mich, ob der Autor wirklich so “naiv” ist, oder bei wem er sich ankuscheln möchte….

Hartmut Josiger / 21.06.2024

Warum bekommt ausgerechnet KGE für diese unsinnige Aussage auf Achgut soviel Aufmerksamkeit?

Fred Burig / 21.06.2024

Sehr geehrter Herr Bonhorst, ihre nachfolgende Äußerung: ” Umso trauriger ist es, dass sie vor dem Shitstorm-Mob, bei dem ich relativ wenige Tassen im Schrank vermute, in die Knie gegangen ist. ” lässt mich etwas verwundert dastehen. Sollte es tatsächlich der Fall sein, dass sie sich, ausgestattet mit reichlich Bildung und Verstand, des unflätigen Vokabulars eines Herrn Gabriel bedienen? Ich hatte noch gehofft, sie kennzeichnen es als Satire, die bekanntlich alles darf. Da es aber nicht der Fall zu sein scheint, legen mir ihre Formulierungen und ihre Haltung zum Thema und dieser Person nahe zu erwähnen, dass jemand, der sich zum Bestand an Tassen in den Schränken anderer äußern zu müssen glaubt, sich doch vielleicht erst mal um die Vollständigkeit der Tassen im eigenen Schrank kümmern sollte! MfG

Jürgen Fischer / 21.06.2024

Wenn nur weiße, deutsche Spieler ... Moment, in der deutschen Nationalmannschaft dürfen doch nur Deutsche! Weshalb also der Hinweis auf die Nationalität? Und wenn KGE sich nur auf „die Farbe“ bezogen hat: nun, dann wäre uns zumindest im Vorfeld der EM der Affenzirkus um den Zeigefinger Allahs erspart geblieben.

Tobias Budke / 21.06.2024

Sollte der Artikel tatsächlich nicht satirisch gemeint sein – schwer zu sagen – dann ist er doch etwas seltsam, insbesondere im Kontext der Achse. Vielleicht besteht die Unklarheit darin, dass man natürlich zwischen „sehen“ als reines Erkennen und „wahrnehmen“ als Grundlage für Erwartungen oder Schlussfolgerungen über eine bestimmte Gruppe unterscheiden muss. So ist der Satz „Ich sehe keine Farbe.“ zu verstehen; ich erkenne sie und kann sie als distinktives Merkmal eines Individuums einsetzen (etwa bei einer Beschreibung), aber sie hat für mich keine weitere Bedeutung. Das ist mehr oder weniger Martin Luther Kings Vision, die Idee der „Farbenblindheit“. Hautfarbe ist hier natürlich nicht das einzige Kriterium: so besteht ein Unterschied dazwischen, ob man das Geburtsjahr einer Person einfach nur kennt oder ohne weitere Informationen aus diesem Schlüsse über ihre kognitive Kompetenz zieht. In diesem Falle würde ich auch das Ideal der „Altersblindheit“ anstreben. Ob Göring-Eckardts Tweet rassistisch war oder nicht, lässt sich vielleicht durch ein Gedankenexperiment ermitteln: Man stelle sich vor, sie hätte ihn direkt nach dem Ausscheiden in einem der drei letzten Katastrophen-Turniere (aus deutscher Sicht) abgesetzt. Dann wäre die Interpretation in die andere Richtung gegangen und eindeutig rassistisch gewesen. Es ist mir nicht ganz klar, warum Herr Bonhorst diesen Tweet jetzt nicht ebenfalls so einordnet. Auch nicht ganz klar ist mir der schwer erträgliche arrogante Tonfall des Artikels. Dementsprechend oute ich mich jetzt mal als Farbdummer und/oder Lügner, denn mir ist die Hautfarbe wirklich voll. Kommen. Egal. Das gibt’s wirklich. Und vielleicht liegt der Denk-Kurzschluss ja (ausnahmsweise) nicht bei den politisch Überkorrekten? Wie gesagt, Satire darf alles. Falls sie präsent ist.

Robert Schleif / 21.06.2024

Die “Mannschaft” repräsentiert nicht die Nation, sondern die DDR 2.0, ihre Führung und deren linksgrünwoke Ideologie. Wer sie bejubeln mag, muss das halt tun…

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