Sebastian Biehl, Gastautor / 25.06.2024 / 16:00 / Foto: Imago / 9 / Seite ausdrucken

Körber-Stiftung hofiert langjährigen Funktionär des iranischen Regimes

Die in Hamburg ansässige Körber-Stiftung gerät in die Kritik, weil sie einem ehemaligen hohen Repräsentanten des Iran, Seyed Hossein Mousavian (Foto oben), eine Bühne geboten hat.

Die Stiftung, 1959 von dem Zigarettenmaschinenfabrikanten Kurt Adolf Körber gegründet, formuliert nebulös auf ihrer Webseite als ihre Zielsetzung: „Gesellschaftliche Verbesserungen brauchen Dialog und Verständigung. Wir stellen uns mit operativen Projekten, unseren Netzwerken und mit starken Kooperationen den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft“.

Gesellschaftliche Verbesserungen wollen bekanntlich alle und natürlich mit Dialog und Verständigung statt mit Krieg, und entsprechen weit, wohlklingend und schwammig ist das Feld der Aktivitäten: Wissen für morgen, Internationale Verständigung, Lebendige Bürgergesellschaft, Klimaschutz, Transparenz etc.

Körber, der seine Fabrik pünktlich nach dem Ende des Dritten Reiches 1946 gründete, hatte natürlich auch eine Vorgeschichte als NSDAP-Mitglied und Führungsperson eines Rüstungsbetriebes, der auch Zwangsarbeiter beschäftigte, aber das soll der Stiftung nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Was ihr vorgeworfen wird, und zwar in einem offenen Brief von Mina Ahadi, einer iranischen Dissidentin und Achgut-Autorin, ist die Hofierung eines ehemaligen hohen Repräsentanten des Iranischen Regimes, nämlich Seyed Hossein Mousavian. Er war am 15. Mai 2024 bei der Stiftung zu Gast beim „politischen Frühstück“ und einem anschließenden Softball-Interview, in dem er sich als Fürsprecher für Frieden, Entspannung und Dialog darstellen konnte. Geschickt vermied er eine Verurteilung der Hamas oder ein Bekenntnis zum Frieden auch mit Israel als Teil des Friedens im Nahen Osten.

Mousavian ist ein iranischer Politiker, Diplomat und Akademiker, Khomeini-Unterstützer der ersten Stunde, regimetreuer Chefredakteur und eifriger Diener der islamischen Republik Iran in hohen Posten. Von 1990 bis 1997 war er Botschafter in Deutschland und verteidigte in dieser Zeit auch die „Fatwa“ (das Todesurteil) gegen Salman Rushdi. Auch die Attentate auf iranische Regimegegner in Europa fallen in diese Zeit. Danach übte er im Iran verschieden hohe aussenpolitische Ämter aus. Später fiel er in Ungnade während der Präsidentschaft von Mahmud Amadinedschad (2005-2013), da Mousavian einer anderen Gruppe innerhalb der Machtelite zugerechnet wurde. Deswegen wurde er von Spionage angeklagt, aber freigesprochen. Er blieb weiterhin unter Beobachtung und die Spionageanklage wurde wieder hervorgeholt.

Seit 2009 ist er Gastdozent bei der berühmten Universität von Princeton, USA, vermutlich weil ihm der Boden im Iran zu heiss unter den Füssen wurde. Er kam in der Zeit der Entspannung unter Obama und der Hoffnung auf ein Nuklearabkommen mit Iran. Mittlerweile hat sich der Wind gedreht, nachdem der Atomdeal mit Iran sich als Schwindel entpuppt hat, und wird seine Entlassung aus Princeton gefordert. Mousavian ist keinesfalls ein Dissident, lediglich jemand, der zur falschen Zeit zur falschen Gruppe innerhalb des Führungszirkels gehörte und der im Kontext des iranische Regimes nicht zum ganz fundamentalistischen Flügel (Amadinedschad und der kürzlich bei einem Hubschrauberabsturz verstorbene Präsident Ebrahim Raisi) gehörte, sondern zu den Pragmatikern wie Ali Akbar Rafsandschani und Mohammed Khatami.

Aus Protest gegen die Aufwertung von Mousavian ruft Frau Ahadi zu einer Demonstration vor dem Hauptsitz der Körber-Stiftung am 27. Juni 2024 auf, der von verschiedenen iranischen Oppositionsgruppen unterstützt wird.

Der ganze Text des offenen Briefes an den Vorstansdvorsitzenden der Körber-Stiftung, Dr. Lothar Dittmer, hier unten:

Sehr geehrter Dr. Dittmer,

wir haben kürzlich erfahren, dass Ihre Stiftung Gastgeber für Seyed Hossein Mousavian in Hamburg war und nicht nur eine Konferenz mit ihm abgehalten, sondern auch ein ausführliches Interview geführt hat. In diesem Interview bat Mousavian Ihre Stiftung, das deutsche Volk und die deutsche Regierung um Unterstützung, um angeblich Frieden im Nahen Osten und in der Welt zu fördern.

Diese Veranstaltung hat die Aufmerksamkeit von uns Oppositionellen der Islamischen Republik auf sich gezogen, da Sie einer wichtigen Figur der islamischen Regierung eine Plattform geboten haben. Unsere Untersuchung der Verbindung Ihrer Stiftung zur Islamischen Republik hat ergeben, dass diese Zusammenarbeit mit einer der kriminellsten und frauenfeindlichsten Regierungen des Jahrhunderts untragbar ist. Wir haben Fotos gesehen, die lachende Mitarbeiterinnen Ihrer Stiftung im Iran zeigen, die Kopftücher tragen und damit den Kampf von Millionen iranischen Frauen gegen das erzwungene Kopftuch verhöhnen. Haben Sie von Mahsa, Gina Amini, Nika Shakeri oder Kowsar Eftakhari gehört?

Wissen Sie, dass im Iran täglich alle fünf Stunden eine Person hingerichtet wird? Oder vom Massaker an 1500 jungen Menschen im Jahr 2019, den gezielten Schüssen auf protestierende Jugendliche oder der Vergiftung von Grundschulkindern? Diese Fakten sind Ihnen sicherlich bekannt, doch Sie scheinen sie zu ignorieren.

Ihre Entscheidung, Mousavian eine Bühne zu geben, während er über die Kampagne in den USA gegen seine Präsenz an der Princeton University informiert ist, zeigt Ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem Zorn und Protest der Opposition.

Seyed Hossein Mousavian war seit seiner Jugend in der iranischen Regierung aktiv und diente unter den Regierungen von Rafsanjani und Khatami als Botschafter der Islamischen Republik Iran in Deutschland. Ihm wird vorgeworfen, an der Ermordung von mindestens 24 Gegnern der Islamischen Republik im Ausland beteiligt gewesen zu sein, einschließlich des Mykonos-Massakers. Er ist Vertreter einer Regierung, die auf Verbrechen und sexueller Apartheid basiert und durch Unterstützung terroristischer Gruppen weltweit Unsicherheit schafft. Trotz dieser Tatsachen behauptet er, für den Frieden einzutreten.

Ihre Stiftung sollte sich, angesichts der Geschichte ihres Gründers Kurt Körber, der während der NS-Zeit Rüstungsgüter mit Zwangsarbeitern produzierte, besonders bemühen, keine Zugeständnisse an das Terrorregime im Iran zu machen und solche Schandflecke zu vermeiden.

Am 27. Juni werden wir uns vor Ihrer Stiftung versammeln, begleitet von Opfern der iranischen Revolution und Angehörigen derjenigen, die ihre Lieben verloren haben. Wir fordern Sie auf, sich vor den Medien zu dieser gefährlichen und beleidigenden Politik zu äußern und den Fragen und der Kritik zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen,

Mina Ahadi  
17. Juni 2024

 

Sebastian Biehl, Jahrgang 1974, arbeitet als Nachrichtenredakteur für die Achse des Guten und lebt, nach vielen Jahren im Ausland, seit 2019 mit seiner Familie in Berlin.

Foto: Imago

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Jochen Lindt / 25.06.2024

Auch nicht anders als ein x-beliebiger Vertreter von DiTib, Erdogan, Saudis, Katar etc.  Als er Botschafter in D war, bemühte sich D, besser gesagt Genscher, um eine gewisse Neutralität gegenüber Iran. Begründung: Saddam Husseins Kriege gegen Iran und Kuwait.  ( PS: Der Körber-Wissenschaftspreis ist mit 1 Million Euro dotiert, die Körber-Stiftung gehört zu den wichtigsten im Land.  Kurt Körber war einer der besten Freunde von Helmut Schmidt, seine Zigarettenfabrik stand in Schmidts Wahlkreis).

Hans-Joachim Gille / 25.06.2024

Herr Biehl,  was wollen Sie? Hier will jeder jeden canceln. Ob hier linke Juden reden oder der Fan-Club von Bibi, spielt das eine Rolle? Mir ist der Bibi-Club erträglich, die anderen nicht. Entweder wir halten das aus, oder können hier alle Parlamente dicht machen. @Jörg Themlitz ... Ernst Röhm hatte bolschewistische Allüren, wollte mit seinen meist grün-kompetenten schwulen Kumpels die Wirtschaftselite Deutschlands beerben, was mit einer paramilitärischen Truppe von fast 5 Mio. Mitgliedern gegen 100k Mann Reichswehr auch nicht so schwierig gewesen wäre.

Marcel Seiler / 25.06.2024

Ich bin für eine strikte Kontrolle der Verbreitung islamischen Gedankenguts in Deutschland. Dabei sollte man explizit die Verbreitung aller islamischen Inhalte verbieten, die (a) sich an Muslime wenden und die (b) mit unserer Lebensform und dem Grundgesetz unvereinbar sind. Freitagspredigten in Moscheen etwa müssen auf deutsch sein und sie müssen ex ante von deutschen Stellen genehmigt sein (entsprechend dem, wie es die türkische Regierung in der Türkei handhabt). Internet-Prediger müssen ggf. wegen Volksverhetzung angeklagt werden. Usw. Ein kritischer Dialog zwischen einem Islam-Vertreter und der deutsch-kulturellen Öffentlichkeit sollte aber möglich sein, entsprechend dem Motto: Kenne Deinen Feind!

Rainer Möller / 25.06.2024

“Gesellschaftliche Verbesserungen wollen bekanntlich alle und natürlich mit Dialog und Verständigung statt mit Krieg” Also, alle ja nun sicher nicht. Z.B. Herr Biehl und Frau Ahadi wollen definitiv keinen Dialog. Sie wollen, dass man ihnen von vornherein recht gibt, ohne die Gegenseite anzuhören. Will Frau Ahadi einen Krieg gegen den Iran? Oder einen Bürgerkrieg im Iran? Wäre eine naheliegende Frage. oder?

gerhard giesemann / 25.06.2024

Ist die Körber-Stiftung rechts? Dann passt es ja.

BKKopp / 25.06.2024

Grundsätzlich bin ich gegen cancel culture und die Idee, dass man Leuten, die man politisch ablehnt keine Bühne geben dürfte. Die Körber-Bühne war vermutlich nicht sehr groß, und von Princeton ist Mousavian auch noch nicht ausgeschlossen worden. Ob die Körber-Stiftung den Auftritt des Iraners angemessen organisert hat, ist eine andere Frage. Um dies seriös zu beurteilen, müßte man mindestens mit jemandem von der Körber-Stiftung gesprochen haben, dort gewesen sein, oder mindestens eine Videoaufzeichnung gesehen.  Trotzdem, aktivistische Exiliraner sollten sich nicht anmaßen zu bestimmen wer, wann und wo auftreten darf - das wäre ja schon fast autoritär-iranisch.

L. Luhmann / 25.06.2024

Man kann davon ausgehen, dass die Islamisierung Deutschlands beschlossene Sache ist. Deswegen sollte es niemanden wundern, dass derartige Leute jetzt die finalen Friedenslehren des islams in unserem dehostilisierten Land frei verbreiten können.

Jörg Themlitz / 25.06.2024

Das hat ja das Niveau: Ein Stolperstein für Ernst Röhm! Der ist schließlich auf Weisung Hitlers ermordet worden.

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