Mein Schlusswort als Jüdin zur Causa Aiwanger

Von Malca Goldstein-Wolf.

Ein 17-Jähriger, der angeblich Bockmist gebaut hat und sich all die Jahre später aber unauffällig verhalten hat, darf nicht für diejenigen zum Bauernopfer werden, von denen eine weitaus größere Gefahr für jüdisches Leben in der Gegenwart ausgeht.

Dieses Flugblatt ist widerlich und menschenverachtend. Wenn Aiwanger der Verfasser ist, muss er sich plausibel erklären und glaubwürdig distanzieren. Sollte tatsächlich sein Bruder der Urheber sein, darf Sippenhaft nicht gelten. Wenn Aiwanger in Schulzeiten Judenwitze gemacht, den Hitlergruß gezeigt haben sollte, gäbe das Aufschluss über sein Elternhaus. Dass er, ich habe bestmöglich recherchiert, im Erwachsenenalter keine Aussagen getätigt hat, die in irgendeiner Form auf Judenhass schließen lassen, spräche dafür, dass er sich in mehr als drei Jahrzehnten weiterentwickelt hat.

Mit 13 Jahren habe ich voller Inbrunst eine „Atomkraft? Nein, danke!“-Plakette getragen, auch ich bin im Laufe der Jahre zur Vernunft gekommen. Aiwanger ist jetzt, mit 52 Jahren, in verantwortlicher Position, der Wahrheit verpflichtet. Verfehlungen in der Jugend sind entschuldbar, wenn er sich zwischenzeitlich nichts hat zuschulden kommen lassen und wenn er versichert, dass es ihm leid tut und sein Verhalten bereut. Nachweisbare Lügen im Hier und Jetzt wären für mich inakzeptabel und ein Rücktrittsgrund.

Wer sich nicht daran stört, dass die Sprecherin der Jungen Grünen, Sarah-Lee Heinrich als Teenager einen „Heil“-Kommentar gemacht hat und dennoch als Vorzeigenachwuchs der Grünen amtiert, der möge schweigen. Unter keinen Umständen werde ich müde, diejenigen zu demaskieren, die sich als Judenfreunde ausgeben, von denen ich aus leidvoller Erfahrung aber weiß, dass sie es nicht sind, die Juden nun missbrauchen, um den politischen Gegner auszuschalten. Nachsichtig kann ich denjenigen gegenüber sein, die in der kindlichen Vergangenheit Fehler gemacht haben, aber zur Vernunft gekommen sind. 

Unnachsichtig werde ich denen gegenüber sein, die ihren Judenknacks als besessene „Israelkritiker“ tagtäglich unter Beweis stellen, zum Teil hohe Positionen innerhalb der Politik oder des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besetzen. Von den Israelhassern der Gegenwart lasse ich mich als Jüdin nicht instrumentalisieren, no way. Ein 17-Jähriger, der angeblich Bockmist gebaut hat und sich all die Jahre aber unauffällig verhalten hat, darf nicht für diejenigen zum Bauernopfer werden, von denen eine weitaus größere Gefahr für jüdisches Leben in der Gegenwart ausgeht.

Übrigens sollen in diesem Zusammenhang die Doppelstandards in unserem Land nicht unerwähnt bleiben. Der Antisemitismusbeauftragte von Baden-Württemberg, Michael Blume, hatte 2019, während er schon im Amt war, folgenden Post seines damaligen Facebook-Freundes Alexander Omar Loh geliked: „Zionisten, Nazis und Radikale sollen sich schnell von meiner Freundesliste entfernen.“ (Achgut berichtete) Michael Blume hatte auf Nachfrage behauptet, der Post wäre im Nachhinein geändert worden. Das stimmte auch. Ursprünglich kamen auch „Islamofaschisten“ in dem Reigen vor, die dann allerdings aus der Aufzählung gelöscht wurden. Der Vergleich von Zionisten mit Nazis war von Anfang an enthalten. Michael Blume war zu der Zeit kein Jugendlicher mehr, er war 43 Jahre alt und bekleidet sein Amt in Baden-Württemberg als Antisemitismus-Beauftragter heute noch. Jetzt fordert besagter Michael Blume die Freien Wähler auf, Hubert Aiwanger die „Türe zu weisen“.

 

Malca Goldstein-Wolf ist eine deutsch-jüdische Aktivistin und Publizistin, die sich gegen Judenhass einsetzt. Neben ihrem Aktivismus als ehrenamtliches, geschäftsführendes Mitglied des deutschen Präsidiums von Keren Hayesod, Israels größter Spendenorganisation, sammelt sie Gelder für israelische Menschen in Not. Mehr von Malca Goldstein-Wolf finden Sie auf ihrer Facebookseite.

Foto: Tapfer im Nirgendwo

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Leserpost

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Armin Reichert / 31.08.2023

Ich habe vor ein paar Jahren diese Sarah-Lee Heinrich bei der Kölner Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung etc. angezeigt. Das Antwortschreiben und die Begründung der Ablehnung meiner Anzeige kann ich gerne AchGut zur Verfügung stellen. Die StA Köln hat mir explizit erlaubt, dieses Schriftstück an die Presse weiterzugeben. Wie sich in dem Schriftstück ein Staatsanwalt zum Affen macht, um Madame reinzuwaschen, ist wirklich lustig zu lesen. Redaktion, wollt ihr es haben?

Marcel Seiler / 31.08.2023

“Das Flugblatt ist widerlich und menschenverachtend.” Ich jedenfalls halte es nicht für antisemitisch. Gedacht was es – wenn nicht alles täuscht – nicht als öffentliche politische oder gar antisemitische Stellungnahme, sondern als Provokation in einer innerschulischen Auseinandersetzung. Bei der hohen emotionalen Ladung, die jegliche Anspielung auf den Holocaust in Deutschland hat, eignen sich gerade solche Anspielungen für einen innerschulischen Kampf. Die deutsche Tabuisierung bewirkt, dass diese Themen bei uns im Lande immer wieder für emotionale Auseinandersetzungen gewählt werden: das kracht so schön. Mit Jüdischem hat das oft nichts zu tun. –  Nebenbei bemerkt: Wenn der Lehrer, der hier sein Vertrauen gegenüber seinem Schüler Aiwanger übel missbraucht hat, schon damals so war, dann wird die Härte des hier diskutierten Schülerflugblattes jedenfalls für mich verständlich.

Ludwig Luhmann / 31.08.2023

“Dieses Flugblatt ist widerlich und menschenverachtend. Wenn Aiwanger der Verfasser ist, muss er sich plausibel erklären und glaubwürdig distanzieren.” - Er war 17. Reicht das nicht?—- “Sollte tatsächlich sein Bruder der Urheber sein, darf Sippenhaft nicht gelten.” - Unter welchen Umständen darf Sippenhaft denn gelten?—- “Wenn Aiwanger in Schulzeiten Judenwitze gemacht, den Hitlergruß gezeigt haben sollte, gäbe das Aufschluss über sein Elternhaus.” - So ein Blödsinn!—- “Verfehlungen in der Jugend sind entschuldbar, wenn er sich zwischenzeitlich nichts hat zu Schulden kommen lassen und wenn er versichert, dass es ihm leid tut und sein Verhalten bereut.” - In was für einer steril perfektionistischen und hyperanspruchsvollen (Gedanken-) Welt lebt die Autorin?—-“Der Vergleich von Zionisten mit Nazis war von Anfang an enthalten.”—- Ein Vergleich ist etwas anderes als eine Gleichsetzung.—-—- Generell lässt sich dieses Flugblatt auf verschiedene Arten und Weisen betrachten. Man kann aus diesem Zettel z.B. auch herauslesen, dass der Autor:In des sog. “Flugblattes” in Deutschland lebende Deutsche so abgrundtief hasst, dass er wünscht, dass diese das Schicksal von KZ-Insassen in verschiedenen Varianten ereilen solle.

finn waidjuk / 31.08.2023

Während der Nazizeit wurden die Juden in Deutschland zu den unschuldigen Opfern einer Bande von wahnsinnigen Kriminellen. Orientiert man sich heutzutage aber an den Äußerungen des Zentralrates der Juden zur AfD und seinem dröhnenden Schweigen zu den täglichen muslimischen Übergriffen auf Juden in Deutschland, so kann ich nur sagen: selber schuld.

Fritz kolb / 31.08.2023

Ihre Betrachtungsweise, Frau Goldstein-Wolf, finde ich nachvollziehbar und richtig. Aber es ist halt Wahlkampfzeit, und die Unmoral der Grünroten und der assoziierten Medien kennt bei der Bekämpfung eines politischen Gegners keine Grenzen. Jetzt ist der linke Blockwart, sein damaliger Grammatiklehrer, als SPD Mitglied enttarnt worden. Und hat wohl offensichtlich viele Jahre auf den richtigen Moment gewartet. Solange hat er das komplette Pamphlet, ordentlich wie er ist, in Klarsichtfolie aufbewahrt. Und gerade noch rechtzeitig vor dem totalen Untergang der Sozen bei den Wahlen, von der linksgrünen SZ präsentieren lassen. Jetzt bekommt er sicher spät, aber endlich, die Aufmerksamkeit von den roten Parteigenossen, die ihm schon viel zu lange versagt geblieben ist. Solche Leute braucht das Land, fürwahr. Ein weiteres Feld ist natürlich das absolut unsolidarische Verhalten des Koalitionspartners Söder. Statt das ganze als Jugendsünde eines 17-jährigen abzutun, die allerdings so auch noch nicht bewiesen ist, und sich hinter seinen Vize zu stellen, fordert er, einem Volkstribun gleich, die Beantwortung von 25 kritischen Fragen. Und wertet damit selbstverständlich den Herrn Aiwanger, seine gesamte Partei und auch die Koalition mitten im Wahlkampf ab. Die Frage, ob aus Dummheit oder strategischem Kalkül, ist dabei gar nicht so relevant wie diese Handlung an sich. Denn eines hat er wieder mal vergessen: die Wähler im Land. Und die mögen eines ganz sicher nicht: den Verräter. Es würde mich nicht wundern, wenn in den Wahlergebnis-Listen eine gestärkte Freie Wähler Partei und eine geschwächte CSU stehen würde. Denn es gibt schließlich auch noch eine AfD, die erfahrungsgemäß von Querelen der etablierten Parteien bislang immer profitiert hat. Fazit: völliger Ausfall der CSU-Strategieabteilung, Note 6.

Andreas Roller / 31.08.2023

“Wenn Aiwanger der Verfasser ist, muss er sich plausibel erklären und glaubwürdig distanzieren. ... Wenn Aiwanger in Schulzeiten Judenwitze gemacht, den Hitlergruß gezeigt haben sollte, gäbe das Aufschluss über sein Elternhaus.” Mit Verlaub, nein. Das gäbe überhaupt keinen Aufschluss über gar nichts. Was wäre denn dann mit seinem Elternhaus? Wie hier auf achgut und an anderer Stelle schon oft bemerkt und unterschiedlich formuliert: Wir reden hier von einem sechzehnjährigen(!) in den Achtzigern(!). Ich selbst bin wohl etwa 2 Jahre älter als Aiwanger. Die deutsche Gesellschaft und auch die sog. Öffentlichkeit in den Achtziger war noch längst nicht so hochempfindlich und dauerempört, wie heute oder auch schon in den Neunzigern, also auch die Jugendlichen nicht. Unter (post)pubertierenden Ahnungslosen zwischen 13 und 19 wurden eben neben einigem anderen dummen Zeug z.B. auch Ausländerwitze und auch Judenwitze gemacht. Nicht häufig, nicht von jedem, aber das kam schon mal vor. Und unter vorgehaltener Hand. Man war sich des Tabubruches wohl schon vage bewußt. Aber niemand zumindest in meinem Umfeld hat sich dabei wirklich ernsthaft etwas gedacht. Schlimm genug und natürlich gehören den Bengels, die bei sowas erwischt werden ganz altmodisch “die Ohren langgezogen”. In den Achtzigern natürlich schon im übertragenen Sinne. Das wirkte aber auch, machte betroffen und reichte auch meistens. Ein, zwei Jahre später waren die dann sowieso soweit gereift, daß denen klar wurde, daß so etwas aus vielen Gründen nicht in Ordnung ist. Ganz beiseitegelassen, daß diese Debatte natürlich mit dem Versuch des politischen Rufmord lanciert wurde, ist das Ganze höchst lächerlich. Jeder kann das sehen. Ein, wenn auch sehr widerwärtiger, Dummejungenstreich. Daher finde ich auch nicht, daß sich Aiwanger erklären oder distanzieren muß. Und was das mit seinen Eltern zu tun haben soll erschließt sich mir tatsächlich überhaupt gar nicht.

Nico Schmidt / 31.08.2023

Sehr geehrte Frau Goldstein-Wolf, gehen Sie bitte davon aus, dass die Gefahr für jüdisches Leben in Deutschland nicht vo den Freien Wählern oder der AFD kommt. Da kommen vorher ein paar Deutsche, die noch nicht so lange hier leben. Mfg

gerhard giesemann / 31.08.2023

Die Nazis fanden Islam sehr gut, „Eine für Soldaten praktische und sympathische Religion“, schwärmte Heinrich Himmler. Im Zweiten Weltkrieg wollte das NS-Regime Muslime zum Kampf gegen die Alliierten aufstacheln. Doch diese Versuche waren weniger erfolgreich als von Berlin erhofft. Quelle: “deutschlandfunkkultur/ns-geschichte-wie-die-nazis-den-islam-vereinnahmen-wollten“ Schon der Kaiser Hadschi Mohammed Willem Zwo hat das versucht, aber die Briten hatten den größeren Sack voll Geld, um die Saud zu bestechen. Auch das Versprechen, den Arabern die Trümmer des verhassten Osmanischen Reiches als Beute zu überlassen war verlockend. Doch dieses Versprechen haben die Brits gebrochen, nach dem Sieg in Versailles. Da sind die Arabs heute noch sauer. Frankreich hat übrigens den Libanon gekriegt. Näheres unter “Lawrence of Arabia”.  Sein Gegenspieler hieß Max v. Oppenheim. Nicht zu verwechseln mit dem Physiker Oppenheimer vom Manhattan-Projekt später.

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