Merkels sowjetische Notbremse

Als einen Akt eindrucksvoller Einmaligkeit werteten die deutschen Leitmedien die Bekundung von Bundeskanzlerin Merkel, sie habe für die Fehlentscheidung zur „Osterruhe“ die Verantwortung übernommen und entschuldige hierfür sich bei allen Bürgern. Das, was als eine Geste demokratischer Demut verkauft wurde, ist indessen nichts anderes als das Resultat eiskalten Kalküls.

Es geht Frau Merkel nicht darum, einzugestehen, dass sie und die Ministerpräsidenten eine Fehlentscheidung getroffen hatten, als sie den Deutschen – mit nicht mehr nachvollziehbaren technischen Begründungen – eine „Osterruhe“ verordnen wollten. Denn hierzu brauchte es keines Eingeständnisses. Selbst ein Kind sah, dass hier die Bundesregierung, getrieben von ihrer eigenen Unzulänglichkeit, eine groteske Fehlentscheidung getroffen hatte. Vielmehr ging es Frau Merkel darum, aufkeimende Flämmchen des Widerstandes in den eigenen Reihen schnell mit dem Fuß auszutreten, noch bevor sie das Zentrum ihre Machtstruktur erfassen würden. 

Auch bei dieser Volte war die Kanzlerin von nichts anderem getrieben als der puren Machterhaltung. Wäre ihr daran gelegen, die Vertrauenserosion und damit den Autoritätsverlust des Regierungshandelns auf Dauer zu stoppen, so hätte sie darauf hinwirken müssen, dass die beiden Hauptakteure der gegenwärtigen Misere, Spahn und von der Leyen, alsbald ausgewechselt werden. Spahn hätte sie entlassen können, ohne dass es ihr schwer gefallen wäre, einen Nachfolger zu finden. Bei von der Leyen, die für das Impfstoffdebakel verantwortlich ist, wäre die Zugeneigtheit der Pariser Machthaber gegenüber der Dame mit Doktor-Titel indes schwierig zu überwinden gewesen. So nahm sie dann nicht demutsvoll, sondern wohl kalkuliert, die Schuld auf sich. Aber ihr mea culpa war nichts weiter, als der leicht durchschaubare Versuch, die Revolte im eigenen Lager und den wachsenden Volkszorn in Schach zu halten. 

So wie Frau Merkel reagierten kommunistische Regime, wenn sie mit ihrem Latein am Ende waren. Sie räumten Fehler ein, versprachen Besserung und wiesen im Übrigen darauf hin, dass es keine Alternative zu ihnen gäbe. 

38 Minuten für 750 Milliarden

Frau Merkels Erklärung war also nichts anderes als der ungebrochene Anspruch auf Machterhaltung. Statt die Vertrauensfrage zu stellen, wie es sich in dieser Situation in einem parlamentarischen Regierungssystem gebührt hätte, zögert sie nicht, einfach weiter zu regieren, um den Scherbenhaufen ihrer Politik schönzureden. Sie hat gut lachen, denn sie geht mit der Bundestagswahl in Rente. Sie kann sich sogar ihren Einsatz im Wahlkampf für die CDU ersparen. Dann müssen ihre Nachfolger oder Nachfolgerinnen jene Suppe auslöffeln, die sie den Deutschen eingebrockt hat. Scheinbar will sie nur noch eins: das rettende Ufer ihrer letzten Legislatur erreichen, um sich dann im Bewusstsein von 16 Jahren purer Machtgier aufs Altenteil zurückzuziehen, falls nicht noch eine weitere Volte kommt.

Zuvor stimmen die deutschen Bundestagsabgeordneten noch schnell über einen 750 Milliarden schweren EU-„Wiederaufbaufonds“ ab. Dafür hatten sie sich am 25.3.2021 in der Debatte des hohen Hause des Deutschen Bundestages genau 38 Minuten Zeit genommen. 

Die deutsche Republik ist im freien Fall. Ihre Institutionen funktionieren nicht mehr. Der Bundestag ist ein Gremium von Abnickern und zu einer Spielwiese für kleine Geschäftemacher geworden. Die deutsche Regierungsgewalt zerfällt. Statt mutiger Regierungsentscheidungen herrscht föderale Anarchie.

Die Zeit ist reif für einen radikalen Wandel, nicht nur in personeller Hinsicht, sondern, um das gesamte Institutionenkostüm der Deutschen Republik zu überdenken. Aber bislang gehorchen die Deutschen weiterhin. Sie sind offenkundig nicht zum Aufstand bereit. Brav wie die Lämmer folgen sie immer noch der Corona-Politik einer Regierung, deren Autorität sich im freien Fall befindet. Genauso wenig nehmen sie Anstoß an der Europabesoffenheit und der fiskalischen Fahrlässigkeit der Bundestagsfraktionen. Es sieht so aus, als ob nur der Abgrund dieser Horde von Partei-Politikern Einhalt zu gebieten vermag.

 

Dr. jur. Markus C. Kerber ist Professor für Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Berlin, Gründer von www.europolis-online.org,

Foto: Notbremse

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Michael Knoll / 26.03.2021

Indem Frau Merkel „einen Fehler zugibt“ und einflussreiche Medien sie dafür loben werden die neuerdings mehr und mehr zweifelnden „Befürworter“ wieder auf Linie gebracht. Nach dem Motto: „Schaut her, wir sind sehr wohl in der Lage Fehler einzugestehen! Und alles Andere war wirklich Alternativlos denn sonst hätten wir uns ja auch dafür schon entschuldigt…“ Meiner Meinung nach ist das die perfide Fortsetzung von „Zuckerbrot und Peitsche“. Nur etwas subtiler…

Hans Schnaider / 26.03.2021

@ Uta Buhr Ich stimme Ihrer Philippika zu, die erwähnte Geisterbahn ziert jeden provinziellen Rummelplatz. Nochmals, ich stimme zu, denke aber anders. Ich glaube, daß das passive Wahlrecht für Frauen Teil der Lösung und mitnichten Teil des Problems ist, das könnte ich auch in Stein meißeln, das ist ganz sicher so. Beim aktiven Wahlrecht für Frauen bin ich mir nicht so sicher. Heute erlebt: Die direkte Vorgesetzte bemerkte eine gewisse “Grummeligkeit” im Kollegenkreis , betonte die Tatsache, daß Frau Merkel sich doch entschuldigt habe, eine erfreut-gelöste Mimik unterstrich die Botschaft. Was mich auf einen gewaltigen Unterschied aufmerksam machte : Frauen wählen Frauen, weil diese eben Frauen sind ( cum grano salis natürlich ), tun dies ganz bewusst. Vergleichbares bei Männern will ich nicht ausschließen, ich kenne allerdings keinen, vielleicht fällt diese Entscheidung unbewusst. In Wahlprozenten ist das vermutlich ein Pfund auf der Waage.  

Dr. Hans Wilhelm Meier / 26.03.2021

@lutzgerke: Wenn Sie Wilhelm Busch zitieren, dann bitte richtig (vollständig).

Stanley Milgram / 26.03.2021

@Sabine: Einfach mal “I, Pet Goat II” bei Youtube eingeben, da ist alles erklärt… Ziegen… ;-) Nee, ist sicher bekannt. Sorry. Aber gute Mucke trotz allem…

Albert Sommer / 26.03.2021

Die Deutschen haben für diesen flächenmäßigen Mückenschi… auf der Landkarte nicht nur das mit Abstand größte (unnütze) Parlament der Welt. Nein Sie haben auch das mit Abstand personell (korrupt sowieso) “Parlament” der gesamten Welt. Ein Parlament das dafür abstimmt, die Hoheit über das eigene Portemonnaie an eine nicht demokratisch legitimierte, nicht einmal “staatliche” Institution zu übertragen, kann wirklich nur noch als zutiefst schwachsinnig bezeichnet werden. Stellen Sie sich vor, Sie gehen Morgen zu ihrer Hausbank, und sagen dort, sie möchten für alle Schulden der Nachbarschaft ihrer Straße bürgen. Alles andere empfänden Sie als (im kommunistischen Sinne) unsolidarisch! Abseits dessen, meinen Dank an die medial totgeschwiegene AFD, das sie bei diesem Verrat am Deutschland und der Deutschen Demokratie (“Demokratie erfordert uneingeschränkte Budgethoheit des Parlaments”) mit NEIN gestimmt hat. Meine Verachtung hingegen für die FDP die auch kein Problem damit hatte, Teile des deutschen Steuersäckels nicht legitimiert nach Brüssel zu übereignen. Ein Parlament schafft sich hier buchstäblich selbst ab. Zum Glück hat das BVerfG aufgrund Eilantrag durch das Bündnis Bürgerwille diesem PUTSCH der eigenen Parlamentarier heute einstweilen erst einmal einen Riegel vorgeschoben. Diesem Double eines Bundespräsidenten wurde vom BVerfG untersagt, dieses “Gesetz”, besser diesem, Verrat an Deutschland und der Demokratie zu ratifizieren/unterzeichnen.  Es bleibt spannend wie die endgültige Entscheidung des BVerfG ausfallen wird! Immerhin geht es hier um den wichtigsten Grundsatz einer Demokratie: Das Budgetrecht. Man ist nur dann sein eigener Herr, wenn man uneingeschränkt selbst über sein eigenes Geld bestimmen kann, und nicht irgendeine Räteorganisation aus der Nachbarschaft! Wo bleibt denn hier eigentlich mal der (von Merkel zur neuen StaSi umgebauten) Verfassungsschutz. Anstatt die Opposition zu bedrohen, sollte er lieber endlich gegen diese Große-Koalitions-Junta vorgehe

Karla Kuhn / 26.03.2021

Andreas Rühl, “Schon lange verbietet es sich, das Wirken Merkels in politischen Kategorien zu beurteilen, hier sind Psychiater gefragt.”  PSYCHIATER, absolut richtig erkannt ! Es wird Zeit !!

Dr. med. Jesko Matthes / 26.03.2021

Warum soll sie Spahn entlassen, den SIE doch zugunsten von Uschi vdL zurückgepfiffen hat, als er Impfstoff im Alleingang ordern wollte? Zurücktreten soll diese unmögliche Frau (wird sie nicht, ich weiß). Der Rest deckt sich dann auch mit allen autoritären Regimes: “Ich übernehme die Verantwortung, trage selbst keine Folgen, aber ihr dürft es ausbaden.” Die handeln da wie im Bunker. Einfach irre.

g.schilling / 26.03.2021

kleiner Fehler: “denn sie geht mit der Bundestagswahl in Rente.” Frau M. geht nicht in Rente sondern in Pension. Statt als Rentner 48 % erhält der Pensionär 71,75 % Ruhegeld. Auch darf der Pensionär 13 mal auf den Kontoauszug blicken obwohl das Jahr nur 12 Monate hat. Während in die Rentenkasse gern mal eingegriffen wird, ist das bei Pensionen gesetzlich nicht möglich. Und das Beste: der Pensionär hat dafür nicht einen Cent selber eingezahlt

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