Professor Roland Wiesendanger war der Erste in Deutschland, der in seiner Studie die Belege für den Laborursprung von SARS-CoV-2 der Öffentlichkeit präsentierte. Heute wird das kaum noch bestritten, aber damals wurde er deshalb von Politik und Medien diffamiert. Zeit für eine Bilanz.
Das ist der zweite Teil des Interviews von Stefan Frank mit Prof. Roland Wiesendanger. Den ersten Teil finden Sie hier.
Frank: Waren die drastischen freiheitseinschränkenden Maßnahmen angesichts des Laborursprungs des Virus richtig und vernünftig?
Wiesendanger: Es ist nachvollziehbar, dass man zunächst einmal mit harten Maßnahmen reagiert hat, wenn man von einem neuen, künstlich erzeugten Virustyp ausging. Jetzt aber ist es unbedingt erforderlich, wahrheitsgemäß und vollständig die politischen Entscheidungen und die Grundlagen, auf denen diese getroffen wurden, aufzuarbeiten. Nur auf Basis einer solchen Aufarbeitung können wir geeignete Maßnahmen für die Zukunft ergreifen.
Wir müssen vor allem verhindern, dass es noch einmal zu einer Pandemie durch Viren kommt, die erst durch gain-of-function-Forschung für den Menschen gefährlich gemacht wurden. Dabei geht es um nichts weniger als um unsere Gesundheit sowie den Erhalt unserer Grund- und Freiheitsrechte.
Würden Sie sagen, dass bestimmte Maßnahmen von Anfang an übertrieben waren? Oder dass es einen bestimmten Zeitpunkt gab, wo man so viele Informationen hatte, dass man sie hätte aufheben müssen?
Es geht eindeutig aus der Offenlegung der sogenannten RKI-Protokolle hervor, dass man im Laufe der Zeit gesehen hat, dass die Covid-19-Sterbefälle gar nicht so hoch waren, wie man vielleicht im schlimmsten Fall hätte erwarten können. Insbesondere gab es auch zu keinem Zeitpunkt eine Überbelegung der Intensivbetten. SARS-CoV-2 war, das hat man gesehen, wesentlich weniger gefährlich, als man zu Beginn vermutet hatte. Da hätte es entsprechend der jeweiligen Einschätzung des RKI eine Anpassung der politischen Maßnahmen geben müssen. Tatsächlich aber war die Aufrechterhaltung einer hohen Gefährdungsstufe eine Entscheidung, die von der Politik getroffen wurde und nicht durch das tatsächliche Infektionsgeschehen begründet war.
Menschenwürde und Virologen
Nun wurde aber damals argumentiert, das Virus sei vielleicht nicht gefährlich für Sie und mich, aber für gefährdete Gruppen, etwa Alte und chronisch Kranke. Wie hätte man die am besten – ohne die drastischen Einschränkungen – schützen können?
Zunächst einmal ist es eine Frage der Menschenwürde – auch bei älteren Menschen –, jeden selbst entscheiden zu lassen, was einem persönlich vorrangig ist: ein größtmöglicher Schutz vor Ansteckung mit einer Atemwegserkrankung durch rigide Isolationsmaßnahmen oder ggf. angesichts einer lebensbedrohlichen Krankheit, einer ohnehin kurzen verbleibenden Lebenserwartung oder sonst einer schwierigen Lebenssituation, nächste Verwandte überhaupt noch sehen und empfangen zu können.
Die Menschenwürde gebietet es aus meiner Sicht, gerade den älteren Menschen diese Entscheidung freizustellen. Es wäre interessant, durch eine Studie herauszufinden, wie ältere Menschen sich entscheiden würden, falls so etwas noch einmal droht: Würden sie einen von staatlicher Seite verordneten größtmöglichen Schutz bevorzugen oder ein Selbstbestimmungsrecht, also selbst die Entscheidung treffen zu können, ob man nächste Angehörige empfangen möchte oder aufgrund einer Sorge vor Ansteckung lieber nicht. Eine solche Umfrage ist mir nicht bekannt; es wäre aber wichtig, gerade in der nun entspannteren Situation ein Meinungsbild einzuholen, wie ältere Menschen darüber denken.
Eine zwielichtige Person im Zusammenhang mit der gefährlichen Gain-of-function-Forschung, welche in Wuhan betrieben wurde, ist der Zoologe Peter Daszak, Präsident einer US-amerikanischen Organisation namens EcoHealth Alliance. Nun wurde er vor einen Ausschuss des amerikanischen Parlaments geladen.
Es gab in den vergangenen Wochen verschiedene Anhörungen vor einem Untersuchungsausschuss des US-Kongresses. Peter Daszak wurde am 1. Mai angehört, danach ein leitender Berater von Anthony Fauci, David Morens. Am 3. Juni wurde Anthony Fauci selbst angehört. Der wesentliche Punkt ist, dass im Fall von Peter Daszak festgestellt wurde, dass er seine erheblichen Interessenskonflikte nicht offengelegt hat, insbesondere im Hinblick auf das einflussreiche Statement in der Medizinzeitschrift The Lancet, welches im Februar 2020 veröffentlicht wurde. Darin wurde die Laborursprungshypothese als Verschwörungstheorie gebrandmarkt.
Dabei haben 26 andere Virologen, darunter Christian Drosten, mitunterzeichnet. Das war eine Aussage, die auf der Grundlage des damaligen Wissens keinerlei Berechtigung hatte. Die Vorwürfe gegen Peter Daszak gehen aber noch weiter. Über seine Organisation, die EcoHealth Alliance, hat Daszak über viele Jahre hinweg Steuergelder an das Wuhan-Institut für Virologie weitergeleitet, ohne die Forschung vor Ort zu beaufsichtigen.
Insbesondere hat er keine Laborbücher eingefordert, auch nicht nachdem es zum Ausbruch der Coronapandemie gekommen war. Obwohl Daszak u.a. auch Mitglied der sogenannten WHO-China-Untersuchungskommission zu Beginn des Jahres 2021 war, hat er nicht einmal die Frage gestellt, ob man die Laborbücher einsehen kann. Er hat insbesondere auch seinen eigenen Forschungsbericht gegenüber den National Institutes of Health im Pandemiejahr nicht vorgelegt, sondern erst mit zweijähriger Verspätung, was die Regularien verletzt.
Mehr tun, um die Labortheorie zu unterdrücken
Daraufhin wurden ihm jetzt die Forschungsgelder entzogen.
Er wird keine Bundesmittel mehr bekommen, weder er persönlich noch seine Organisation. Das wurde ihm nach der Anhörung begründet. Desweiteren wurde David Morens angehört, ein leitender Berater von Anthony Fauci. Aus dieser Anhörung ging hervor, dass er unrechtmäßig offizielle Behörden-E-Mails gelöscht hat, um insbesondere Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu umgehen.
Er hat auch behördliche Nachrichten über seinen privaten GMail-Account laufen lassen und hat alles getan, um Peter Daszak entsprechend zu instruieren, wie man Dinge vertuschen kann, weil ja frühzeitig der Verdacht aufkam, dass dessen Forschung überhaupt erst zu der Pandemie geführt hat. In einer E-Mail von David Morens vom 25. Oktober 2021, die öffentlich gemacht wurde, sagt er wörtlich, dass Anthony Fauci und auch Francis Collins versuchten, „dich“ – damit meint er Peter Daszak, an den die E-Mail gerichtet war – „zu schützen, was auch ihren eigenen Ruf schützt“. Diese E-Mail gibt Anlass zu der Vermutung, dass Collins (der damalige Leiter der National Institutes of Health) und Fauci eindeutig verwickelt waren in den Schutz Daszaks vor der Öffentlichkeit…
Was sagt Anthony Fauci dazu?
…Genau das wurde von Fauci bei der Anhörung Anfang Juni geleugnet. Er habe nicht eingegriffen; dem widerspricht aber diese E-Mail seines leitenden Beraters. Fauci hat während der Anhörung auch mehrfach betont, dass er angeblich immer offen gewesen sei in Bezug auf den Pandemieursprung, dass er immer sowohl einen Laborursprung als auch einen natürlichen Ursprung in Betracht gezogen habe. Die amerikanische Öffentlichkeit und diejenigen, die das im Ausland verfolgt haben, wissen natürlich, dass das nicht der Fall war. Jim Jordan, ein republikanischer Abgeordneter aus Ohio, sprach ihn darauf an, warum eigentlich die Laborursprungstheorie von Anfang an so intensiv bekämpft wurde. Darauf hat Fauci behauptet, dass er daran nicht beteiligt gewesen sei. Inzwischen sind aber seine Statements und Dokumente bekannt, die gerade das Gegenteil belegen – dass Anthony Fauci ganz wesentlich dazu beigetragen hat, die Laborursprungshypothese im Jahr 2020 zu bekämpfen. Als Francis Collins in einer E-Mail schrieb, man müsse noch mehr tun, um die Labortheorie zu unterdrücken, antwortete Fauci:
„Ich würde im Moment nichts dagegen unternehmen. Es ist eine schillernde Angelegenheit, die mit der Zeit verschwinden wird.“
Aus der gesamten E-Mail-Kommunikation von Fauci geht ganz klar hervor, dass er im Jahr 2020 versuchte, die Laborursprungstheorie als Verschwörungstheorie abzutun, wie das dann auch in den offiziellen Statements etlicher Virologen, mit denen er intensiv im Kontakt stand, zum Ausdruck kam. Selbst vom Podium des Weißen Hauses aus hat Fauci argumentiert, dass dieses SARS-CoV-2-Virus nur natürlichen Ursprungs sein könne. Er verwies dann auf die Arbeit ”The proximal origin…“, erschienen in der Fachzeitschrift Nature Medicine im März 2020, ohne dazu zu sagen, dass er die Autoren bestens kennt, weil er mit denen am 1. Februar eine geheime Telefonkonferenz abgehalten hatte. Und er wusste sogar um die Entstehungsgeschichte dieses Artikels. Bei jener Pressekonferenz hat er so getan, als kenne er nicht einmal die Autoren dieses Artikels, der dann von allen „Faktencheckern“ zitiert wurde. Bei der Anhörung Anfang Juni sind so viele Unwahrheiten von Anthony Fauci zum Vorschein gekommen, dass der Name Fauci dasjenige Stichwort war, welches auf Twitter nach dieser Anhörung lange Zeit ganz oben stand. Die zahlreichen Kommentare fielen entsprechend aus.
Die Rolle des Christian Drosten
Hat Christian Drosten in Deutschland eine ähnliche Rolle gespielt wie Anthony Fauci in den USA?
Christian Drosten war ebenfalls in die Telefonkonferenz vom 1. Februar 2020 involviert. Es ist durch im Rahmen des amerikanischen Informationsfreiheitsgesetzes offengelegte E-Mails bekannt, dass er und Ron Fouchier – das ist derjenige Virologe, der 2011/12 die extrem problematischen gain-of-function-Experimente mit Vogelgrippeerregern durchgeführt hat – gerade die beiden waren, die bei der Telefonkonferenz am vehementesten dagegen argumentiert haben, dass das Virus aus dem Labor stammen könnte.
Das war ja eine Vermutung, die vor allem von US-amerikanischen Wissenschaftlern wie Kristian Andersen, aber auch Robert Gary und dem australischen Virologen Edward Holmes damals vorgebracht wurden, was durch die Fauci-E-Mails überliefert ist. Es war Christian Drosten, der diese Möglichkeit schon während der Telefonkonferenz am 1. Februar bekämpft hat. Ferner ist eine E-Mail bekannt geworden, in der er sich beschwerte, dass die Kollegen bei der Vorbereitung dieser Publikation „The proximal origin…“ zu wenig klar gegen den Laborursprung argumentiert hätten:
„Haben wir uns nicht versammelt, um eine bestimmte Theorie in Zweifel zu ziehen und, wenn wir könnten, sie fallenzulassen? … Arbeiten wir daran, unsere eigene Verschwörungstheorie zu widerlegen?“
Es gibt viele Artikel in Zeitungen und Zeitschriften, in denen Drosten zitiert wird, wie er von Anfang an einen Nobelpreisträger, den Virologen Luc Montagnier, aufs Schärfste angegriffen und die Laborursprungstheorie als abwegig dargestellt hat.
Warum gibt es in Deutschland immer noch eine große Front von Politikern und Journalisten, die vom Laborursprung nichts wissen wollen?
Es gibt zu viele Vertreter der Politik und natürlich auch insbesondere der Mainstreammedien, die ihr Gesicht verlieren würden, wenn all diese Dinge wahrheitsgemäß und unter Berücksichtigung aller neuen Erkenntnisse aufgearbeitet werden. Schauen Sie sich doch die Reaktion der Mainstreammedien nach meiner Studie im Februar 2021 an. Man hat mich angegriffen, hat gesagt, ich würde Verschwörungstheorien hinterherlaufen. Anfang Juni hat Anthony Fauci selbst wörtlich gesagt – auf die Frage, ob er die Laborursprungstheorie als Verschwörungstheorie ansehe –, dass er sie nicht als Verschwörungstheorie betrachte und dass er angeblich in diesem Punkt von Anfang an offen gewesen wäre.
Aber dies war nicht die Reaktion im Februar 2021. Vom Spiegel über die Zeit und die Welt wurde meine Studie bekämpft, man wollte nicht einmal die Möglichkeit eines Laborursprungs diskutieren. Das war auch in der Politik so, in der Hamburger Lokalpolitik ebenso wie in der Bundespolitik. Es gab üble persönliche Angriffe. Umgekehrt gab es auch tausende von Zuschriften von Menschen, die mich unterstützt haben. Es ist rückblickend erstaunlich, wie man mich und andere bekämpft hat, die nichts anderes wollten als eine objektive Betrachtung der Möglichkeiten des Pandemieursprungs. Wir wurden alle nicht gehört, sondern diffamiert und aus gesellschaftlichen Debatten ausgeschlossen. Das hält bis zum heutigen Tag in Deutschland an.
In anderen Ländern ist dies ganz anders. Es ist erstaunlich, dass sogar in der New York Times die fünf wesentlichen Punkte, die für einen Laborursprung sprechen, jüngst thematisiert wurden – obwohl die New York Times zu Beginn der Pandemie ebenfalls von einer Verschwörungstheorie sprach und Peter Daszak am 27. Februar 2020 einen Artikel publizieren ließ, in dem er im Wesentlichen sagte, das Virus sei natürlichen Ursprungs und er und seine Kollegen hätten das alles auf Grundlage ihrer Forschung vorhergesagt. Und jetzt dieser Umschwung. Meine Hoffnung ist, dass dieser Umschwung nicht nur in den USA, in Großbritannien und derzeit auch in Japan sowie anderen asiatischen Ländern eintritt, sondern dass der öffentliche Druck auch irgendwann in Deutschland so groß wird, dass eine vollumfängliche Aufarbeitung der Coronapandemiezeit unumgänglich wird.
Gerade in Deutschland schwierig
In einem unserer früheren Gespräche nannten Sie ein psychologisches Motiv, warum es diesen Reflex gegen die Laborursprungstheorie gab: weil US-Präsident Donald Trump sie vertrat. Gab es noch andere Motive?
Vonseiten der Medien wurde auf Faktenchecker verwiesen, die sich ausschließlich auf zwei Veröffentlichungen in Nature Medicine und The Lancet gestützt haben, die, wie wir ja jetzt wissen, orchestriert worden sind, einerseits von Peter Daszak in The Lancet und andererseits als Folge der Telefonkonferenz vom 1. Februar 2020 in Nature Medicine. Wir wissen nun, dass diese Arbeiten nicht ernst zu nehmen sind und das Resultat eines schwerwiegenden wissenschaftlichen Fehlverhaltens darstellen. Doch die Mainstreammedien haben sich damals so eindeutig und stark positioniert, dass viele es als Gesichtsverlust empfinden würden, wenn sie die Fehleinschätzung nun gegenüber der Bevölkerung eingestehen und korrigieren müssten.
Das scheint wohl gerade in Deutschland besonders schwierig zu sein, so dass eine objektive Betrachtung der Vorgänge der letzten vier Jahre und deren Diskussion bis heute auf sich warten lassen. Auch in der politischen Sphäre ist es so, dass es etwas Vergleichbares wie die Anhörungen in Parlamenten der USA und Großbritanniens in Deutschland bis zum heutigen Tag nicht gibt. Die Forderungen nach Untersuchungsausschüssen wurden abgelehnt – mit Ausnahme des Landes Brandenburg. Das ist ein großer Fehler, weil es zu viele Menschen gibt, die extrem unter der Pandemie und den Maßnahmen gelitten haben. Sie erwarten eine wahrheitsgemäße und ehrliche Aufarbeitung. Man kann nur hoffen, dass dies bald auch in Deutschland passiert.
Teil 1 lesen Sie hier
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Sowie von
Ulrike und Tom Lausen: „Die Untersuchung“
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: „Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise“ (2009); „Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos“ (2012).
Roland Wiesendanger ist Physik-Professor an der Universität Hamburg sowie Ehrendoktor der Technischen Universität Posen. Er ist Mitglied zahlreicher nationaler und internationaler Wissenschaftsakademien, darunter auch der beiden nationalen Akademien „Leopoldina“ und „acatech“. Er ist ferner Fellow mehrerer internationaler Wissenschaftsorganisationen und ist durch über sechshundert wissenschaftliche Publikationen sowie über sechshundert wissenschaftliche Vorträge in verschiedenen Wissenschaftsbereichen weltweit bekannt und vernetzt.