Roger Letsch / 13.05.2024 / 06:25 / Foto: Jamaal Warner-Picryl / 37 / Seite ausdrucken

Trumps bessere Hälfte? – Eine Vize-Kandidatin zerlegt sich selbst

Im Rennen um das Vizepräsidentenamt des potenziellen nächsten US-Präsidenten Donald Trump hat sich die einst aussichtsreiche Kandidatin Kristi Noem ins Aus geschossen. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen.

Eine der letzten Richtungsentscheidungen im Vorfeld einer Präsidentschaftswahl ist für jeden Kandidaten die Auswahl eines „Running Mate“. Meist wird diese mit Blick auf eine vermutete Schwäche in bestimmten Wählerkreisen getroffen und auch so kommuniziert. Als Vize für Obama sollte Biden 2008 und 2012 die eher traditionellen Wähler der Demokraten ansprechen, denen Obama etwas zu progressiv war. Mike Pence als Vize für Trump sollte im religiös konservativen Lager der Republikaner für gutes Wetter sorgen, und dass Kamala Harris nicht aufgrund ihrer Kompetenz ausgewählt wurde, sondern durch und durch ein „diversity pick“ war, bestätigt Präsident Biden bei jeder Gelegenheit.

Eine Auswahl übrigens, die man bei dem Dems mit Blick auf die Umfragewerte wohl gern korrigieren würde, was sich aber aufgrund des im Lager vorherrschenden Opfergruppenrepräsentationsrankings als völlig unmöglich erweist. Mit Spannung wird deshalb erwartet, wen Donald Trump als VP-Kandidaten an seine Seite ziehen wird.

Die Liste der hoch gehandelten Kandidaten ist lang und reicht von einigen erfolglosen Mitbewerbern wie Tim Scott und Vivek Ramaswamy über politische Newcomer wie Senator J. D. Vance aus Ohio und politische Schwergewichte wie Marco Rubio und Tucker Carlson bis hin zu Tulsi Gabbard, die vor vier Jahren selbst für das Präsidentenamt kandidierte und zuletzt in einem Buch mit dem Untertitel „Leave the Democrat Party Behind“ die Tür zu ihrer ehemaligen Partei geräuschvoll hinter sich zugeschlagen hatte.

Madam Gnadenlos vom Lande

Autobiografische Bücher zu schreiben, ist überhaupt eine gern gewählte Methode, um Wähler und Unterstützer hinter sich zu versammeln und in der obligaten Interviewtour durch die TV-Studios zu zeigen, wie geeignet man für die höheren Weihen der Politik sei. Solch ein Buch ist das fingerschnipsende „Nimm mich!“ im Klassenraum, das dem Lehrer sagt: Was auch immer die Frage ist, ich bin die Antwort.

Das dachte wohl auch Kristi Noem, die republikanische Gouverneurin von South Dakota, deren Autobiografie „No Going Back“ am 7. Mai erschienen ist. Noems Idee war, sich darin als die entscheidungs- und führungsstarke Politikerin aus den „ausgedehnten Ebenen des ländlichen South Dakota“ darzustellen. Was dabei herauskam, ist aber eher das Bild einer Madam Gnadenlos vom Lande, die der Achillesferse unter Trumps Wählerschaft, den weißen Vorstadtladys aus der Mittelschicht, kalt lächelnd blutige Hundewelpen vor die Haustür legt. Ich übertreibe hier nur ein wenig.

Um es kurz zu machen: Noem, sonst eher um romantisierende Bilder bemüht, die sie hoch zu Ross als geschickte Reiterin zeigen, schildert im Buch, wie sie den nur 14 Monate alten Hund „Cricket“ in einer Kiesgrube erschoss, weil dieser zu ungestüm und für die Jagd ungeeignet gewesen sei. Dass die Episode überhaupt im Buch vorkommt, ist wohl dem Umstand geschuldet, dass es Zeugen dafür gibt. Nur reicherte sie die Schilderung auch noch mit Äußerungen wie „Ich hasste diesen Hund!“ an und holt die Leser somit direkt auf der Gefühlsebene ab. Und auf dieser Ebene denkt die entsetzte Vorstadtlady: Noem erschießt Hundewelpen, weil sie nach Hühnern schnappen! Was fällt ihr ein!

Für die meisten Hundebesitzer, die zu ihrem Hund eine sehr familiäre Beziehung haben, ist die eiskalte Nutzwertabschätzung Noams hier völlig unverständlich, die Schilderung des Ereignisses kalt und herzlos. Dass sie am selben Tag auch noch eigenhändig eine Ziege erschoss, von der man im Buch nur erfährt, dass sie übel roch, gibt der Episode den frostigen Hauch des Overkills. Eine Ranch in South Dakota kann man so führen, aber die Wählerschaft, die mit Katze und Hund auf dem heimischen Sofa die Abendnachrichten schaut, will so jemanden nicht mal in der Nähe des Weißen Hauses sehen.

Nun kann man zur Erklärung anheben, dass hier „versehentlich“ ein Vorhang weggezogen wurde und eigentlich niemand hätte sehen sollen, wie die Wurst wirklich gemacht wird. Hunde stehen in vielen Ländern auf der Speisekarte, und auf einer großen Ranch mögen sie – Gott sei’s geklagt – Nutztiere wie Huhn und Hammel sein. Wäre da nicht noch eine andere Geschichte im Buch gelandet.

Ich und Kim

Denn da ist ja noch die andere Seite der Kristi Noem, die im Buch ins vorteilhafteste Licht gerückt werden soll. Schon als Kontrast zum Opponenten Joe Biden, der aufgrund seines körperlichen und zunehmend auch geistigen Verfalls auf der internationalen Bühne keine gute Figur macht. Kristi „bella figura“ Noem hingegen jage Schurken und Despoten schon durch ihre Blicke Angst und Schrecken ein. Der Leser, das Schicksal Crickets gewahr, sieht Noem schon auf der Wanderung mit Putin und Xi, die Schrotflinte im Anschlag und dem stolpernden chinesischen Präsidenten zurufend: „Brich dir jetzt ein Bein, und wir gehen allein weiter!“.

Noem schildert ein Treffen, das sie mit Kim Jong-un gehabt habe, dem Diktator Nordkoreas. Niedergestarrt habe sie den Kim, der wohl geglaubt habe, leichtes Spiel mit ihr zu haben, jawohl! Nun kann man die amerikanischen Spitzenpolitiker an einer Hand abzählen, die in diesem Jahrtausend (und dem davor) ein Treffen mit einem der Kims hatten, und dass Noem keinesfalls dazugehört, ist offensichtlich.

In mehreren Interviews kam nun also nicht nur das Schicksal des Hundewelpen Cricket zur Sprache, den Noem postfaktisch zur wilden Bestie zu framen versucht. Die Medien fragen auch frech nach dem Treffen mit Kim. Noem windet sich, sagt, sie rede nicht über Gespräche, die sie mit „World Leaders“ führe, obwohl ihre Gesprächspartner doch nur nach dem Wann und Wo fragten. Überhaupt habe die „Episode“ gar nicht im Buch erscheinen sollen und man werde das korrigieren. Eine Lügnerin sitzt in der Ecke der Selbstüberschätzung, und es bereitet den Medien sichtlich Freude, sie zu kitzeln. Das „Versehen“ mit der „Episode“ in Nordkorea hätte Noem doch spätestens dann auffallen müssen, als sie selbst den Text als Hörbuch eingesprochen hat, oder?

Wer nicht Gast sein will, steht eben auf der Speisekarte

Das Interview mit Stuart Varney bei Fox Business, wo Noem eigentlich ein politisches Heimspiel haben sollte, gab ihren Ambitionen auf die Vizepräsidentschaft dann wohl den Rest. Dünnhäutig und angefasst weicht sie den Fragen Varneys aus und alles, was Noem sonst vielleicht zu sagen und zur Debatte beizutragen hat, verschwindet hinter der unbeantworteten Frage, ob es ein Fehler war, die Tötung ihres Hundes so ins Buch zu nehmen.

Fox, wo man ein sicheres Gespür für die Stimmung an der republikanischen Wählerbasis besitzt, hat längst den Stab über Noem gebrochen, und der Sargnagel für deren Ambitionen für das Weiße Haus war die Folge „Gutfeld“ vom 7. Mai, zu der Noem eigentlich eingeladen war, dann aber kurzfristig wegen „schlechten Wetters“ absagte. Doch wer nicht Gast sein will, steht eben auf der Speisekarte, und Greg Gutfeld führte die abwesende Noem in die Kiesgrube der öffentlichen Verachtung, wo er einen Gag nach dem anderen auf sie abfeuerte.

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sich Noem politisch noch rechtzeitig erholen kann, um ernsthaft als Vize in Betracht gezogen zu werden. Am ehesten würde man ihr wohl noch die Lüge und Prahlerei über das Treffen mit Kim Jong-un nachsehen. Die empathielose Schilderung der eigenhändigen Hundetötung wird man ihr nie verzeihen. Für Trump, der das alles mit großem Interesse verfolgt haben dürfte, wäre Noem jedenfalls mehr Belastung als Hilfe.

Dessen Chancen auf Wiederwahl verbessern sich währenddessen durch die „Mithilfe“ der Justiz immer weiter. Der Prozess in Florida, in dem es um die geheimen Dokumente und die Frage gehen soll, ob Trump sie hätte behalten dürfen, rückt in weite Ferne. Zerknirscht musste die Staatsanwaltschaft einräumen, dass die beschlagnahmten Beweismittel irgendwie durcheinandergeraten seien, was einen eklatanten Bruch in der Glaubwürdigkeit bedeutet. Wer Beweise sortieren kann, kann auch welche verschwinden lassen oder hinzufügen. Dieser Drops, der aus Expertensicht die größte tatsächliche Gefahr für Trump war, ist also gelutscht. Im New Yorker „Hush Money Trial“ sorgt der Richter dafür, dass Trump den größten Teil der Woche in einem Gerichtssaal festsitzt, was diesen davon abhält, durchs Land zu reisen, auf Wahlkampfveranstaltungen zu polemisieren und damit wie üblich selbst die Munition herzustellen, die für absichtsvolle Missinterpretationen in den Schrittstudios bei CNN und MSNBC benötigt wird. Je weniger er sagen kann, umso mehr befassen sich die Medien mit den politischen Volten Bidens, und das hilft Trump in den Umfragen.

Unterdessen gehen die VP-Eignungstests in der Öffentlichkeit weiter. Trump kann sich raushalten, zurücklehnen und abwarten, was die Medien bei den Kandidaten an Schwachstellen finden. Oder sich – wie im Fall von Kristi Noem gesehen – selbst auf den Marktplatz stellen, um potenzielle Wähler mit vorgehaltener Waffe zu verschrecken.

 

Roger Letsch, Jahrgang 1967, aufgewachsen in Sachsen-Anhalt, als dieses noch in der DDR lag und nicht so hieß. Lebt in der Nähe von und arbeitet in Hannover als Webdesigner, Fotograf und Texter. Sortiert seine Gedanken in der Öffentlichkeit auf seinem Blog unbesorgt.de.

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Leserpost

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T. Gilde / 13.05.2024

Einen Hund erschiessen? Die hat sie doch nicht mehr alle. Mehr fällt mir dazu nicht ein.

Stefan Riedel / 13.05.2024

@Marc Greiner / 13.05.2024: Danke für Ihren Leserbrief! Ich möchte noch hinzufügen: Das alles ist in South Dakota geschehen, nicht in einer dichtbesiedelten Region. Dieser Hund war kein Schoßhund! Er war ein Jagdhund, ein (gefährliches) Nutztier. In South Dakota gibt es nicht an jeder Ecke ein Tierheim oder einen Hundetrainer. Er hatte bis jetzt “nur” die Hühner des Nachbarn totgebissen. Ich erinnere mich noch, meine Mutter und Großeltern haben auch lange Hühner gehalten. Wenn damals ein Iltis in den Hühnerstall eingedrungen ist, er hat auch alle Hühner totgebissen. Für unsere Familie u.a. ein handfester finanzieller Verlust. Ich weiß jetzt nicht, ob Frau Noem damit geprahlt hat (klingt nach Propaganda?) . Sie hat auf Sean Hannity zu Protokoll gegeben, sie weicht keinen unangenehmen, schmerzhaften Entscheidungen aus. Ich halte ihre Entscheidung für verantwortungsvoll! “Nur bei uns wartet man, bis der Hund auch noch ein Kind anfällt bevor man schweren Herzens endlich handelt. “( Nochmals Danke Herr Marc Greiner!).

Richard Loewe / 13.05.2024

@Wilfried Düring: ja, wir haben das große Glück in den USA zu leben. Roger Letsch ist ein sehr guter Kenner der amerikanischen Politszene, dessen Beiträge ich außerordentlich gerne lese. Wer sich für ein Alternativmedium zur amerikanischen Politik interessiert, dem empfehle ich den Gatewaypundit. Der dreibeinige Hund unserer Nachbarn heißt Cricket und jagt ganz gerne unsere Kater, hat aber noch keinen gestellt - sonst wär auch die Nase futsch. Trump hat am Wochenende im blauen New Jersey (!) ca 100.000 Leute auf einer Wahlkampfverstaltung gehabt.

Ralf Pöhling / 13.05.2024

Unsinn. Wenn man die Lage wirklich verstanden hat, wird der Ruf nach Hardlinern alsbald ins Kraut schießen. Unweigerlich. Der Westen bricht uns gerade unter dem Arsch weg. Und nur die harte Hand wird das noch irgendwie glattbügeln können. Und wenn die harte Hand auch von einer Frau kommt, ist das im Sinne der Gleichberechtigung umso mehr zu begrüßen.

Volker Kleinophorst / 13.05.2024

Biden ist der Sieg doch gar nicht mehr zu nehmen. Immerhin kamen unlängst einem “Auftritt” von ihm fast 100 Leute, während zu Trump nur 100.000 Anhänger begrüßen konnte. Alles also wie 2020. Da hat Biden ja auch “gewonnen”. Aus dem Keller. Es gibt ja viele Verschwörungstheorien, ob Biden (nicht nur er) überhaupt noch Biden ist oder eben Klon, Schauspieler, Deep Fake… Ich habe da immer eine Frage: Warum sollte man einen Dementen durch einen dementen Fake ersetzen, wenn man doch da die Chance zu Korrekturen hätte?

Klaus Kraut / 13.05.2024

Jetzt legen hier die selbsternannten Tierschützer aber los und schimpfen. Haben ja jede Moral gepachtet. Und was machen die danach? Wurst oder Braten auf dem Tisch? Oh Mann…

A. Ostrovsky / 13.05.2024

Wikipedia: >>An der South Dakota State University in Brookings erwarb sie 2011 einen Bachelor in Politikwissenschaft. Sie war als Rinderzüchterin und Betreiberin eines Jagdgästehauses tätig, arbeitete als Restaurantmanagerin, Medienberaterin und in der Öffentlichkeitsarbeit.<< ## Irgendwie scheint das theoretische Gerüst der Medienberatung und Öffentlichkeitsarbeit nicht tragfähig zu sein. Man kann es entweder, oder man kann es nicht. Etwas dazu zu lernen, scheint von vielen Hürden verdeckt zu sein. Aber konsequent ist es allemal, dass sie sich nicht erst wählen lässt und dann Blödsinn veröffentlicht. Danke für die erfrischende Offenheit. So sind die Amerikaner:Innen eben. Wenn es sein muss, schießen sie sich auch selbst ins Knie. Ich spare mir die Frage, wie es soweit kommen konnte.

finn waidjuk / 13.05.2024

Gestern noch mokierte man sich hier über die lebensuntüchtigen woken Nichtsnutze, heute arbeitet man sich an gleicher Stelle an einer eher handfest agierenden Dame ab. Verdammt noch mal, Leute, wie wollt ihr es jetzt eigentlich haben auf der Achse? Man muss nicht über jedes Stöckchen springen, dass man hingehalten bekommt.

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