Stefan Frank / 05.06.2024 / 12:00 / Foto: Montage achgut.com / 28 / Seite ausdrucken

ZDF erklärt Israel für friedensunfähig

In deutschen Rundfunkanstalten wird das klassisch antisemitische Klischee der jüdischen Kriegstreiber bemüht und die palästinensische Politik ignoriert, die internationale Hilfsgelder dazu verwendet, Juden zu ermorden.

Warum wird der jüdische Staat in aller Welt gehasst? Weil er „friedensunfähig“ sei. Das schreibt der Tel-Aviv-Korrespondent des ZDF, Michael Bewerunge, in einem Leitartikel auf zdf.de und stellt sich damit in die Tradition des klassischen Antisemitismus: Die Juden zetteln angeblich Kriege an und seien selbst schuld daran, dass sie gehasst werden. Bewerunge beginnt seinen Beitrag mit gespielter Empathie: „Israels Gesellschaft ist tief verwundet, in Trauer um die Opfer des Hamas-Terrors, in Sorge um die noch immer verschleppten Geiseln und im Gedenken an gefallene Soldaten. Hunderttausende würdigten vergangene Woche die Toten.“ Die Rede ist vom 13. Mai, dem Tag des Yom HaZikaron, an dem Israel seiner gefallenen Soldaten gedenkt.

Der Autor weiter: „Am Grab von Ilay Levy trauert die Familie um ihren Sohn, der mit 24 Jahren beim Häuserkampf in Chan Yunis, im Süden des Gazastreifens, getötet wurde. Sein Vater Raanan Levy findet nur schwer Worte. ›Aber wir sind stolz darauf, dass er sich für den Staat Israel geopfert hat‹, sagt er. Raanan Levy will, dass Israel den Kampf gegen die Terrororganisation fortsetzt. So ein Ereignis dürfe sich nicht wiederholen. Doch längst nicht alle Israelis denken so. Als Verteidigungsminister Galant einen Kranz niederlegt, halten Angehörige Schilder in die Höhe. ›Ihr Blut klebt an Deinen Händen‹, steht darauf. Auch Premierminister Benjamin Netanjahu wird an diesem Tag hart angegangen. ›Er hat meine Kinder getötet‹, rufen ihm aufgebrachte Angehörige entgegen.“

Der deutsche Journalist unterstellt der israelischen Gesellschaft Uneinigkeit, ob man die Hamas bekämpfen solle oder nicht. Diejenigen, die gegen die Regierung demonstrieren, weil sie sie dafür verantwortlich machen, dass der Süden Israels am 7. Oktober 2023 auf den Angriff Gazas nicht vorbereitet war und diesen damit erst ermöglicht habe, werden in einen von Bewerunge konstruierten Gegensatz gestellt zu jenen, die den „Kampf gegen die Terrororganisation“ fortsetzen wollen. So, als würde die eine Position die andere ausschließen.

Die „gespaltene“ oder „zerrissene“ israelische Gesellschaft ist einer der liebsten Topoi westlicher Kommentare, da man die Israelis von dort aus leicht in „gute“ und „böse“ teilen kann. Israelis, die die Regierung kritisieren, werden vereinnahmt. „Der Richtungsstreit um die Kriegsführung in Gaza zerreißt das Land“, behauptet Bewerunge. Er suggeriert, das Kabinett sei von blinder Wut getrieben: „Die Regierung schäumt.“ Ein Bild, das ihm so gut gefällt, dass er es schon zwei Tage vorher in einem gesprochenen Kommentar in den Nachrichten  von ZDFheute benutzt hatte (im Internet unter der Überschrift „Israels Regierung schäumt„), als es darum ging, dass einige europäische Länder einen „Staat Palästina“ anerkennen wollten.

Das ZDF stellt die Diagnose

Israel, das weiß man, wird keinen von der Hamas beherrschten Staat an seiner Seite akzeptieren. Bewerunge resümiert, Außenminister Israel Katz habe verkündet, die Anerkennung eines palästinensischen Staats käme einer Belohnung für den Terror der Hamas gleich; zudem werde ein palästinensischer Staat in kürzester Zeit zu einem Terrorstaat unter iranischer Führung heranwachsen. Diese Wiedergabe der Argumente der israelischen Regierung dient dem Autor allein dazu, sie anschließend paternalistisch zurückzuweisen: „Das mag zum Teil so stimmen, doch wird dabei Israels eigene Friedensunfähigkeitausgeblendet.“

Die Juden, soll das heißen, sehen nicht einmal, wie friedensunfähig sie sind. Sie brauchen dringend Friedenserziehung und Aufklärung vom Mainzelmännchen-Sender. Das Klischee von den jüdischen Kriegstreibern ist eines der klassischen Motive des Antisemitismus. Die nationalsozialistische Wochenzeitung Der Stürmer hatte seinerzeit in jeder Ausgabe mehrere Seiten mit antisemitischen Karikaturen, unter denen holprige Reime standen. Ein Dauerthema war der den Juden unterstellte Drang, den Frieden zu unterminieren: „Schluss mit der Pazifisterei/Laut tönet unser Kriegsgeschrei“ oder „Weil es im jüdischen Interesse liegt/Daß sich auf’s Neu die Welt bekriegt“.

Nur Israel ist „friedensunfähig“; bei wohl keinem anderen Staat der Welt stellt das ZDF diese Diagnose. Um zu diesem Befund zu kommen, muss Bewerunge die Tatsachen gründlich verbiegen: „Seit gut einem Jahrzehnt vermeidet Premierminister Netanjahu Kontakte zur palästinensischen Seite. In den vergangenen Jahren hat er jegliches Gespräch, zu welchem Zweck auch immer, verweigert.“ Das ist falsch. Im Jahr 2016 etwa lud Benjamin Netanjahu dem Chef der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas öffentlich zu einem Treffen ein: Er werde sofort seinen Terminkalender frei machen, falls Abbas sich zu Gesprächen bereit erkläre, so Netanjahu.

Märtyrer im Paradies

Seither hat Abbas eine Show daraus gemacht, seine Ablehnung von Verhandlungen immer wieder öffentlich unter Beweis zu stellen. Viele Male bezeichnete er die Beziehungen zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde und Israel für beendet und alle mit Israel unterzeichneten Verträge für null und nichtig. Die USA erkenne er als Vermittler nicht an, sagt er. Stattdessen stellt er sich auf die Seite Wladimir Putins. „Russland steht zur Gerechtigkeit und zum internationalen Recht“, so Abbas im Oktober 2022.

Jegliches Friedensangebot, das ihm präsentiert wurde, hat Abbas zurückgewiesen – selbst, als ihm Ehud Olmert 2008 mehr als hundert Prozent des Westjordanlands anbot. Abbas bestreitet jegliche Beziehung der Juden zum Land Israel, zu Jerusalem, zum Tempelberg und zur Klagemauer und vergleicht die israelischen Bürger mit den ehemaligen Nationalsozialisten: Israel habe „Fünfzig Holocauste“ verübt, weswegen er keine Veranlassung sehe, sich für das Olympiamassaker von 1972 zu entschuldigen. Abbas ruft zum Blutvergießen für al-Aqsa auf, denn „jeder Märtyrer“ werde „das Paradies erreichen“.

Solange er noch einen Penny habe, werde er das Geld der Palästinensischen Autonomiebehörde dazu verwenden, Terrorrenten an die „Familien der Märtyrer und die Gefangenen“ zu zahlen, hat er gelobt. Die Terrorrenten, also die Auszahlung von Kopfgeldern für die Ermordung von Juden, auch an inhaftierte Mörder des 7. Oktober 2023, sind ein Themenkomplex, über den sich die staatlichen deutschen TV-Sender ARD und ZDF seit Jahren eisern ausschweigen, als sollte die Öffentlichkeit darüber nichts erfahren.

Die Juden sollen selbst schuld sein

Was, würden ZDF-Reporter wie Michael Bewerunge zugeben, dass der Chef der Palästinensischen Autonomiebehörde den Mördern jüdischer Kinder und Babys lebenslange Renten zahlt, darunter den Cousins Hakim und Amjad Awad, die im Jahr 2011 in Itamar die Familie Fogel in ihrer Wohnung im Schlaf ermordeten? Die Palästinensische Autonomiebehörde unter ihrem Präsidenten Mahmud Abbas preist auch diese beiden Mörder als „Helden“. Würde Bewerunge darüber berichten, würde auch dem letzten Zuseher und Leser klar werden, wer tatsächlich „friedensunfähig“ ist. Darum ist diese Problematik beim ZDF kein Thema, denn das eigentliche Thema ist die angebliche „israelische Verweigerungspolitik“ – noch ein Zitat aus dem aktuellen Artikel, mit dem Bewerunge Täter und Opfer vertauscht.

Nicht die palästinensische Mordmaschinerie, die internationale Hilfsgelder dazu verwendet, jüdisches Leben auszulöschen, ist das Problem; nein, die Juden sollen selbst schuld sein. Israel habe „Sympathien verspielt“, nehme eine „Blockade-Haltung“ ein und habe „jahrelang die Augen vor den Konsequenzen des eigenen Handels verschlossen“. Dies „fällt Israel nun vor die Füße“, schreibt Bewerunge im Stil des Besserwissers. Im Augenblick der größten Bedrohung des jüdischen Volks seit dem Holocaust weiß ein Autor des öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehens nichts zu sagen, als dass die Juden es sich selbst zuzuschreiben hätten, in der jetzigen Lage zu sein. Irgendetwas, das Mahmud Abbas, der seit neunzehn Jahren regierende PA-Präsident (davon fünfzehn Jahre ohne demokratisches Mandat) falsch gemacht haben könnte, hat Bewerunge nicht zu berichten.

Es sind immer Israelis, die „Sympathien verspielen“, den Frieden „blockieren“, die „Lösung des Konflikts“ in „weite Ferne“ rücken lassen und am 7. Oktober 2023 zusehen mussten, wie ihnen das Massaker „vor die Füße“ fiel. Die eine Seite – Mahmud Abbas – ist laut Bewerunge offenbar für nichts verantwortlich. Wenn herauskommt, dass die Juden an allem schuld sind, dann nennt man das beim ZDF eine „Analyse“.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

 

Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: „Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise“ (2009); „Kreditinferno“. „Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos“ (2012).

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Leserpost

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Karsten Dörre / 05.06.2024

Wie friedensfähig ist Deutschland, wenn es Rüstungsgüter in Kriegsgebiete exportiert (z.B. Ukraine)? Wie friedensfähig sind Russland und Ukraine? Nun falle ich nicht vom Glauben ab, wenn beim ZDF solch Artikel ins Netz gestellt werden. Es ist eine Meinung. So wie es auch Meinungen von anderer Seite gibt, Israels “Siedlungspolitik” im Westjordanland sei lammfromm und friedfertig.

Michael Hufnagel / 05.06.2024

Es ist schlimm, dass man für so etwas wie das ZDF Zwangsgebühren entrichten und damit diesen (bitte selbst ergänzen) finanzieren muss!

Gabriele Klein / 05.06.2024

Wie ich bereits schrieb: ich finde man sollte den Palästinensern Brandenburg als Territorium anbieten, das dürfte für diese sehr viel attraktiver sein als der Gazastreifen, und sie wären dann auch der Wahrheit näher, denn sie könnten von dort aus ARD und ZDF empfangen sowie in Endlosschleife deutsche Welle hören. Das mit dem “Schwarzhören” aus nächster Nähe, jenseits deutscher Grenze, könnte man international ganz genauso elegant lösen wie national ja auch.  Wer es hören “könnte” zahlt und damit aus die Maus. Sollte nun ein Muezzin nebenan auf die gleiche Idee kommen, einfach vielleicht ein Sendestudio oder Quotenplatz für ihn im Rundfunkrat anbieten dann wird das schon.. Das mit Demokratie Leben (statt Tod Leben)  scheint mir auch kein Problem da mir unter jeder Regierung Demokratie Leben, ( von der DDR bis zur DPRK) möglich scheint, sofern man namentlich dafür sorgt. Daher mein Tipp: Brandenburg in “IDRP"umzubenennen , steht für Islamic Democratic Republic of Palestine).  “Den Graben um den Reichstag würd ich allerdings etwas tiefer ausheben, für den Fall dass die IDRP mit Hilfe der “Strategie Maulwurf plötzlich in den Toiletten des Reichstages auftaucht um diese mitzubesetzen.  Da mir das Reichsgraben-und Tunnelwesen teuer erscheinen ,wäre vielleicht eine analoge Lösung zum bereits angeregte ÖR- Muezzin Abkommen besser, Vielleicht sinngemäß nach dem Schiedsspruch: wer die Reichstagstoiletten nutzen “könnte” der zahlt, ob er nun muss oder nicht.

Dr. med. Jesko Matthes / 05.06.2024

Früher hieß das Gerät, aus dem solches quoll, “Goebbels-Schnauze”.

Christine Holzner / 05.06.2024

Deutschland 2024: Einfach nur noch unerträglich. In allen Belangen.

Robert Weihmann / 05.06.2024

Spaltung und Relativierung sind die Methoden, mit der seit Jahren unsere Medien und Politik erfolgreich die eigene Bevölkerung auseinderbringen und von einander entfremden. Nichts hasst eine deutsche Regierung so sehr wie die Einigkeit der Bürger. In Israel ist die Einigkeit der Bevölkerung, inklusive der arabischen Israels, der Grarant für den Überlebenswillen. Hätten die Bürger Israels die Mentalität deutscher Schlafschafe, wäre ihr Land schon von der Landkarte weggeputzt.

Wilfried Cremer / 05.06.2024

Sehr geehrter Herr Frank, der Zwangsfunk ist nicht Goebbels. Für das Schmieden von Vernichtungsplänen werden heutzutage Schutzbedürftige (per Alimentation wie Vieh) gehalten.

janblank / 05.06.2024

Doof sind sie nicht, die gelahrten Damen und Herren der o.g Pensionsanstalt mit angeschlossenem Sendebetrieb. Man perhorresziert einfach nur kommende Bevölkerungsmehrheiten und dient sich schon mal vorsorglich in Wort und Tat den neuen Herren an. Das islamische Glaubensbekenntnis ist schließlich genauso leicht zu schwören wie früher ein Amtseid auf die Bibel. Tröstlich immerhin, dass die fies naiven Visagen der Nachrichtengänse dann endlich unterm Nikab verschwinden ...und nun zum Sport mit Norbert Lehmann.

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