Trotz der Verluste der Grünen macht die EU mit „business as usual“ weiter. Ursula von der Leyen, das Gesicht des handelspolitischen Versagens der EU, steht kurz vor einer zweiten Amtszeit.
Diesen Freitag treffen sich die europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel, um über die Verteilung der so genannten EU-Spitzenposten zu beraten. Trotz aller Ungewissheit stehen die Chancen gut, dass Ursula von der Leyen ihre Nachfolge als Präsidentin der Europäischen Kommission antritt. Nicht nur, weil der französische Präsident Macron trotz der französischen Parlamentswahlen offenbar doch hinter ihr steht, sondern auch, weil die Europäische Volkspartei (EVP), die im Europäischen Parlament Sitze gewonnen hat und dort die größte Fraktion bleibt, sie weiterhin als Kandidatin vorschlägt. Vielleicht ist die italienische Ministerpräsidentin Meloni noch etwas unbeholfen, aber bei der geheimen Abstimmung im Europaparlament könnten sich ihre Abgeordneten für von der Leyen entscheiden, so wie es die Abgeordneten des ungarischen Ministerpräsidenten Orban und der polnischen konservativen Partei PiS vor fünf Jahren getan haben.
Von der Leyen ist eine fragwürdige Wahl. Einer der Gründe, warum die EVP durchgehalten und sogar einige Sitze im EP gewonnen hat, ist genau der, dass sie anderthalb Jahre vor der Wahl begonnen hat, von der Leyens links-grüne Politik in Frage zu stellen.
Auch von der Leyen selbst hat in letzter Zeit begonnen, einige ihrer grünen Positionen aufzugeben, aber das wirft wiederum die Frage auf, wie vertrauenswürdig sie ist. Trotz heftiger Kritik unter den EU-Kommissaren unterstützte sie den niederländischen „Klima“-Kommissar Frans Timmermans und den europäischen Spitzenbeamten Diederik Samsom bei der Durchsetzung sehr extremer „Green Deal“-Gesetze, darunter ein Verbot des Verbrennungsmotors, eine Ausweitung der europäischen Klimasteuer „ETS“ auf weitere Sektoren und eine neue, unerschwingliche Renovierungspflicht für Häuser. Letzteres wird es schwieriger machen, die derzeitige, unrealistische und umstrittene flämische „Renovierungspflicht“ wieder abzuschaffen. Kurzum: Wer glaubt, dass von der Leyen plötzlich auf so ziemlich alles verzichten wird, wofür sie jahrelang gekämpft hat, ist sehr naiv.
Globale Auswirkungen
Zumindest wird die EVP nun das Verbot von Verbrennungsmotoren überprüfen. Der deutsche CDU-Europaabgeordnete Peter Liese ist ebenfalls der Meinung, dass die europäische Gesetzgebung für den Green Deal überarbeitet werden muss. Insbesondere bezeichnet er ein solches Gesetz, die neue europäische Verordnung gegen die Abholzung von Wäldern, als „bürokratisches Monster“, das überarbeitet werden müsse.
Dies ist nicht nur für europäische Unternehmen von Bedeutung. Die Handelspartner der EU wettern schon seit einiger Zeit gegen dieses neue EU-Gesetz. Erst diese Woche haben die Vereinigten Staaten die EU aufgefordert, die Verordnung, die normalerweise am 30. Dezember in Kraft tritt, wegen des zusätzlichen bürokratischen Aufwands für US-Unternehmen zu verschieben. Dabei behauptete die US-Regierung, dass die EU noch nicht einmal über ein System verfügt, bei dem die Hersteller ihre Unterlagen einreichen können, und auch noch keine „klaren Durchführungsrichtlinien“ vorgelegt hat.
Bereits seit 2023 gibt es in dieser Frage ernsthafte Spannungen mit Südostasien und vor allem mit Ländern wie Malaysia und Indonesien, die viel Palmöl nach Europa exportieren. Diese empfinden es als ungerecht, dass sich die EU trotz ihrer Bemühungen weigert, die malaysischen Standards anzuerkennen, obwohl 93 Prozent der Palmöl-Exporte nach Europa diese bereits einhalten und obwohl die Nichtregierungsorganisation Global Forest Watch im vergangenen Jahr anerkannt hat, dass das Land eine starke Reduzierung der Abholzung erreicht hat. Dies war auch einer der Gründe, warum Großbritannien die lokalen Standards anerkennt, was den Briten auch den Zugang zum großen Handelsabkommen CPTPP ermöglichte, das immerhin 15 Prozent des globalen BIP umfasst.
Spannungen mit Handelspartnern
Die Handelspolitik der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen war daher in den letzten fünf Jahren von Spannungen mit Handelspartnern aller Art geprägt. So scheiterte der Abschluss eines Handelsabkommens der EU mit dem lateinamerikanischen Handelsblock Mercosur daran, dass die EU plötzlich verlangte, den Abbau von Handelshemmnissen mit allerlei zusätzlichen - auch ökologischen - Auflagen verknüpfen zu dürfen. Darüber hinaus sorgt der neue europäische Klimaprotektionismus mit dem so genannten CBAM-Handelszoll auch für böses Blut bei wichtigen Handelspartnern wie Indien. Er droht auch die afrikanischen Volkswirtschaften hart zu treffen: bis zu 25 Milliarden pro Jahr. Natürlich hält das die Eurokraten nicht davon ab, immer mehr Geld vom Steuerzahler für die „Entwicklungszusammenarbeit“ zu fordern.
Nicht unwesentlich ist auch, dass CBAM die Wettbewerbsfähigkeit unserer eigenen chemischen Industrie, die ohnehin schon durch die hohen Energiepreise - eine weitere Folge der grünen Politik - besonders unter Druck steht, ein wenig beeinträchtigt. Schließlich treffen die Einfuhrzölle auf all die vermeintlich klimaunfreundlichen Importe auch die Importeure.
Die links-grüne Ursula von der Leyen war das Gesicht des Ganzen. Nicht gerade ein Grund, ihr eine zweite Amtszeit zu geben. Das ist nicht mehr und nicht weniger als eine Negierung des Europawahlergebnisses.
Pieter Cleppe war Leiter des Brüsseler Büros des Think Tanks „Open Europe“. Er schreibt regelmäßig für Rundfunk- und Printmedien in ganz Europa und diskutiert häufig über die EU-Reform, die Flüchtlingskrise und die Eurokrise. Der gelernte Jurist war zuvor in Belgien als Rechtsanwalt tätig und arbeitete als Kabinettberater und Redner des belgischen Staatssekretärs für Verwaltungsreform.