Quentin Quencher / 09.09.2023 / 14:00 / Foto: Pixabay / 5 / Seite ausdrucken

Auf dem Dach

Gemeinsam ist allen Unwohlfühlräumen, egal ob im Elternhaus oder in der Schule, dass in ihnen irgendwer Macht über mich hatte. Dort gab es keine Geheimnisse zu entdecken, während in den Wohlfühlräumen so etwas wie Freiheit zu spüren war, wenigstens die Freiheit der Gedanken, und die waren am freiesten auf dem Dachboden.

Häuser haben doch so viele verschiedene Orte, Räume, Nischen, Kammern, fast alle sind mit Emotionen verbunden. Die Küche mit ihren Gerüchen, die Schlafzimmer und ihre Geheimnisse, der Kampfraum Wohnzimmer, in dem sich nur entspannen konnte, wer die Macht im Hause besaß, eben die Eltern. So jedenfalls meine Erinnerung an mein Elternhaus in einer Siedlung, die kurz vorm Zweiten Weltkrieg erbaut wurde. Fünfzehn Kilometer waren es bis Zwickau, vielleicht dreißig bis Chemnitz, aber das ist nicht so wichtig, Siedlungen dieser Art finden sich in ganz Deutschland.

Wenn ich nun an mein Elternhaus denke, den wichtigsten Ort meiner Kindheit, so ergibt sich kein klares Bild, ein einheitliches Gefühl fürs ganze Haus stellt sich nicht ein. Manche Räume, wie das Wohnzimmer, wirken fremd, als ob ich mich da nie wohlgefühlt hätte. Eigentlich trifft das auf alle Wohnräume zu, sogar das Kinderzimmer, das ich mit einem Bruder teilen musste. Richtig angenehm wird es mir in meinem Rückblick eigentlich nur, wenn ich an den Dachboden denke. Gerümpel stapelte sich dort, Sachen, die aussortiert, aber noch nicht weggeworfen worden waren.

Auch andere Nebenräume sind mir durchaus angenehm in der Erinnerung, verschiedene Schuppen mit Werkzeugen oder mit Kohle zum Heizen. Der Hühnerstall natürlich, oder der Heuboden, unser selbstgemachtes Heu brauchten wir für die Karnickel. Irgendwo gab es immer Plätze, an die ich mich zurückziehen konnte, Platz für Träume, ein bisschen Freiheit.

Sehnsucht nach Freiheit

Schaue ich mir heute diese Siedlungshäuschen an, mit ihren großen Grundstücken um die tausend Quadratmeter, dann wirken die so steril, kein Gestank vom Mist- oder vom Komposthaufen, alles ist so ordentlich und aufgeräumt, die Zurschaustellung ist wichtiger geworden als Nützlichkeit. Sogar das gemähte Gras wird mittels Biotonne entsorgt. Mag sein, dass mich ein wenig die Nostalgie ergriffen hat, doch möchte ich versichern, meine Erinnerungen an die Vergangenheit sind durchaus durchwachsen, mal positiv, mal negativ und so wechselhaft wie das Wetter.

Wohlfühlräume und die Unwohlfühlräume zu sortieren und zu vergleichen, geht nicht, ohne den Aspekt Macht ins Blickfeld zu nehmen. Überall dort, wo die Eltern ihre Vorgaben, ihre Verhaltensanweisungen befehlen konnten, also in allen Wohnräumen, fühlte ich mich unwohl, gegängelt und bevormundet. Das betrifft natürlich nicht nur das Elternhaus, sondern auch die Schule, und je älter ich wurde, erweiterte sich diese Liste und betraf am Ende das ganze Land. Ob meine Sehnsucht nach Freiheit bereits als DNA bei meiner Geburt vorhanden war, oder ob sie erst durch das Elternhaus entstanden ist, kann ich nicht beurteilen. Sicher ist nur, die Sehnsucht nach Orten der Freiheit hat sich nicht erst in der Schule entwickelt, als Reaktion auf kommunistische Indoktrination und den entsprechenden Geboten und Verboten, sondern war schon vorher vorhanden.

Gemeinsam ist allen Unwohlfühlräumen, egal ob im Elternhaus, in der Schule oder wo auch immer, dass in ihnen irgendwer Macht über mich hatte. Dort gab es keine Geheimnisse zu entdecken, nicht einmal Träume entwickelten sich, bestenfalls Alpträume, während in den Wohlfühlräumen so etwas wie Freiheit zu spüren war, wenigstens die Freiheit der Gedanken, und die waren am freiesten auf dem Dachboden.

Wieder gegängelt, aber diesmal nicht von den Eltern

Irgendwann in den 1960er Jahren, ich weiß nicht mehr genau wann, kauften sich die Eltern ihren ersten Fernseher. 1966 wurde ich eingeschult, irgendwann um den Dreh muss es gewesen sein. Natürlich stand der nicht auf dem Dachboden, aber die Antenne in Richtung Westen, die war auf dem Dachboden installiert worden. Nicht auf dem Dach, wo sie jeder sehen konnte, sondern darunter, von den Dachziegeln verdeckt. Erst später traute sich der Vater, als in der Nachbarschaft schon viele Westantennen auf den Dächern zu sehen waren, die unsere ebenfalls zu zeigen.

Diese Antenne auf dem Dachboden, die der Vater unbedingt brauchte, aber doch verleugnete, wurde mein Freund, in ihrer Nähe fühlte ich mich wohl. Ich stellte mir vor, welche Geschichten sie mir zu erzählen hätte. Oft saß ich stundenlang in ihrer Nähe und erträumte mir eine andere Welt. Nie habe ich meinen Eltern davon erzählt, welche Erlebnisse ich dort hatte, wusste, wenn ich das tue, dann wird mir dieser Ort verboten sein.

Es ist nur eine kleine persönliche Geschichte, die ich hier erzählt habe, nichts Dramatisches, nichts Aufregendes passierte. Aber mir erklärt sie, warum für mich Deutschland kein Wohlfühlort mehr ist. Es hat mit den Gängelungen, Sprechverboten und Verhaltensgeboten zu tun, die nun nicht mehr von den Eltern, sondern von Medien und der Politik verhängt werden. Meine Gedanken können nicht in einer solchen Gesellschaft frei sein, die Sehnsucht nach einem Wohlfühlort ist wieder ganz aktuell.

Dieser Text ist auch auf Quentin Quenchers Blog Glitzerwasser erschienen.

 

Foto: Pixabay

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Leserpost

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W. Renner / 09.09.2023

Gut beschrieben. Eigentlich niemand, der das Wort Freiheit nicht nur als hohle Phrase begreift, kann Deutschland noch irgend etwas abgewinnen. Und das hat nichts mit BRD/DDR zu tun, das ist genetisch in diesem Land verankert. Vermutlich wüssten heute nicht einmal mehr ihre Eltern, wohin sie Antennen unter den Dachziegeln ausrichten sollte. Love ist or leave it. Ich bin schon lange weg, war alles abzusehen.

Peter Fischer / 09.09.2023

Postiv, ihr Gefühl, die Zensur, ist hier, auf dieser Seite, kein Jota anders. Was dem “Blatt”, der Redaktion, nicht in den Kram passt, das wird nicht auf eine ganz einfache Art und Weise zensiert, es wird schlicht und einfach nicht veröffentlicht. Andere Medien sind ja wenigstens noch so “gnädig” ihnen irgendwelche Lügen zu ihrer Zusendung mitzuteilen, generiert vom Computer, aber immerhin, aber “ACHGUT” ist sich selbst dazu zu gut. Aber, die Zeiten ändern sich, und nichts, absolut nichts, wird dann unvergessen und vor allem nicht vergeben sein. “If you pray for rain you have to deal with the mud”. Peter

Hjalmar Kreutzer / 09.09.2023

Vielen Dank, Herr Quencher, Sie haben mir aus der Seele geschrieben. In meinem Fall sind die Kindheitserinnerungen davon geprägt, wie damals üblicherweise in vielen Elternhäusern „erzogen“ wurde; Sie werden ahnen, was ich meine. Mein Fluchtpunkt waren und sind bis heute Bücher. Folgerichtig war eine Art der Bestrafung ein Leseverbot, abgesehen von Schulbüchern. Die Machtausübung auf allen Ebenen führte zu einem ständigen Fragen an sich selbst: „Was hast Du jetzt schon wieder verkehrt gemacht?“ Daraus resultierte ein Rechtfertigungszwang, der in den letzten drei Jahren wieder neu eingeübt wurde: „Was machen Sie hier?!?“ Statt zu entgegnen: „Bin ich Ihnen darüber Rechenschaft schuldig?“, stottert man dann herum, wie ein beim Äppelklauen ertappter dummer Junge. Mit 60+ wird es für mich langsam Zeit, endlich mündig zu werden.

Peter Fischer / 09.09.2023

@Thomas Szabó Kann ich nachvollziehen, und diese Erfahrung zu machen, noch dazu 2023, machen zu müssen, denn es gibt ja aktuell kein Mttel dagegen, ist besonders in DEN (denjenigen) Medien “absolut wiederlich”, die sich ja angeblich der Wahrheit, und nix als der Wahrheit, verschworen haben, so wie “ACHGUT”, angeblich”. Aber mit dieser Zensur einer Redaktion und eines Blattes, die sich ja nun mal nie und vor niemnd rechtferigen müssen, mussst du eben leben,  bis zum “Showdown”, so wie 1945, dann kannst du, mit Hilfe hohe Gartenpflanzen und stärkerer Fäden, deinen Dank zum Ausdruck bringen. Auch diese Zuschrift wird höchstwahrschenlich der Zensur zum Opfer fallen, ebenso wie in Folge auch dieser Account, aber was soll´s? Ein neuer Account ist schnell eröffnet und Ích werde mich erinnern “when the times comes”, an alle und an jeden Namen.  Und dieser Kommentar wird ja auch nicht nur hier eingepflegt. Peter

Thomas Szabó / 09.09.2023

Die Sozialen Medien sind keine Wohlfühlräume. Man kann kaum einen unkonventionellen, kreativen, kritischen Dialog zu Ende führen, einen Gedanken zu Ende denken, ohne unterbrochen & zensiert zu werden. Das Gespräch wird abgebrochen, gelöscht, man wird gesperrt und als “Hassredner” diffamiert. Die Zensur wirkt wie eine unsichtbare gläserne Wand. Anonyme Zensoren “regieren” global & göttergleich. Man frisst seine unaussprechbar-gemachten Gedanken in sich hinein und sie vergiften einen innerlich. Der innere Topf kocht über vor Gift, Wut & Hass. Wenn wer mich fragte wer oder was mich radikalisiert; Rechtspopulismus? braune Propaganda? Fake News? die AfD? die Achse des Guten? Nein! Diejenigen die scheinheilig-freundlich lächelnd andere Meinungen als “Hass” diffamieren! Der Vorgang meiner Radikalisierung: Ich will einen Gedanken zu Ende diskutieren. -> Zensur -> Diffamierung meiner Gedanken als “Hass” -> unterdrückter Wut -> echter Hass -> gedankliche Radikalisierung. Wenn man den Menschen die Möglichkeit ließe ihre Gedanken zu Ende zu diskutieren & denken, dann würde dieser Vorgang die Gefühle “entschärfen”, die Gedanken deradikalisieren. Die Zensur erzeugt erst den Hass und die Radikalisierung, die sie eigentlich bekämpfen will.

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