Cornelia Buchta, Gastautorin / 08.08.2020 / 16:00 / Foto: Pixabay / 24 / Seite ausdrucken

Kinderwahlrecht? Ein Armutszeugnis für die Erwachsenen

Bald täglich lese ich in den öffentlichen Medien die Forderung, das Wahlalter herabzusetzen: Die Vorschläge reichen von 16 Jahren (Grüne, SPD, FDP, Linke) bis zu unglaublichen 14 Jahren und jünger (Kinderschutzbund). Auch der Beitrag eines jungen Autors auf Achgut.com gab mir Anlass, über das Thema Jugend noch einmal intensiver nachzudenken.

Offensichtlich haben sich in den letzten Jahren die verschiedenen Ansichten, was denn genau der Zweck der Jugend und Kindheit sei, gewaltig auseinander entwickelt. In den öffentlichen Medien wird eine Interpretation der Kindheit und Jugend propagiert, die sich sehr stark von der Sichtweise, mit der ich aufgewachsen bin und die ich noch immer vertrete, unterscheidet. Aus der Kriegs-Enkel-Generation kommend und aus der Beschäftigung mit den vorangegangenen Generationen ist mir bewusst, dass das Privileg "Kindheit als Schutzraum" eine bewusst erstrittene Errungenschaft des letzten Jahrhunderts ist. Experten auf diesem Gebiet können mehr darüber sagen.

Ein Kind war in den Augen meiner Eltern bis zur Volljährigkeit ein "Schützling" und befand sich sozusagen in einer geschützten Phase, in der es in aller Ruhe aufwachsen konnte. Das Kind wurde in dieser Phase nicht mit der vollen Last der Pflichten unserer Gesellschaft beladen. Es wurde Rücksicht auf seine körperliche und seelische Verletzlichkeit, sowie das Fehlen von Erfahrung genommen. Fehlverhalten aufgrund von Unreife wurde mit altersgemäß angepassten Sanktionen bestraft, respektive die Erziehungsberechtigten stellvertretend belangt. Diese waren es auch, die für die Interessen ihrer Schützlinge politisch eintreten mussten. Wenn sie dies heutzutage nicht mehr tun, sollte man das Wahlalter nicht nach unten verschieben, sondern diese Erwachsenen an ihre Pflicht erinnern.

Reife und Lebenserfahrung müssen erlebt und erlitten werden

Nach dem Gesetz verlässt man mit 18 Jahren offiziell diesen Schutzbefohlenen-Status. In der Realität ist man jedoch zu recht noch für sehr lange Zeit auf vergangene Privilegien bitter angewiesen. Reife und Lebenserfahrung kann man sich noch so intensiv wünschen, sie müssen erlebt und erlitten werden. Das lässt sich nur sehr begrenzt beschleunigen oder nach vorne verlegen. Wo ein Kind, durch die Umstände bedingt (etwa Erkrankung des Elternteils), in erwachsene Aufgaben gezwungen wird, geht das leider oftmals zulasten seiner Entwicklung.

Die nach dem Erreichen der Volljährigkeit nun nicht mehr offizielle Aufgabe, jemanden unter die Fittiche zu nehmen, wird in der Regel trotzdem willig von den umgebenden erfahreneren Mitmenschen angenommen und am Ex-Schutzbefohlenen ausgeführt. Allerdings kommt es in den letzten Jahren vermehrt zu Irritationen. Da unterbricht die 20-jährige Auszubildende ihre 50-jährige Vorgesetzte alle 10 Minuten in ihrem Vortrag, um kundzutun, dass das Gesagte auch ihrem eigenen Erfahrungsstand entspricht; da belehrt die Schülerin und angehende Studentin den Doktor über Denkfehler in seinem Promotionsgebiet; da legen Studenten fest, was sie ihrer Meinung nach bräuchten, um Erfahrungen auf seinem Fachgebiet zu sammeln. 

Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Arroganz aufgrund von Unerfahrenheit gab es auch schon früher. Ein gewisses Privileg der Jugend. Auch ich wurde als junger Mensch einmal von einem Professor mit folgenden Worten in die Schranken gewiesen: "Als ich meine Erfahrungen gemacht habe, waren Sie noch im Kindergarten."

Natürlich möchte man als junger Mensch gerne erwachsen erscheinen und wichtig genommen werden – solange es nicht zu viel wird. Ich war am Anfang meines Berufslebens jedenfalls vorwiegend erleichtert zu hören, dass ich das Recht auf Anleitung hatte und dies in Anspruch nehmen durfte, ja sogar sollte. Ich war erleichtert, ältere Kollegen zu erleben, die souverän zu ihren Wissenslücken standen. Das nahm den Druck, aus Unsicherheit Erfahrung vorspielen zu müssen.

Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht der Erwachsenen

Was passiert nun heutzutage, da Medien und Politiker mit vereinter Stimme die Jugend aus der schwer erkämpften Schutzbefohlenenzone herauszerren wollen? Und beispielsweise behaupten "Junge Menschen engagieren sich so aktiv wie lange nicht mehr und wollen ihre eigene Zukunft gestalten. Es ist deshalb folgerichtig, ihre Mitbestimmung zu stärken" oder auch "Wir haben (bei FFF) erlebt, dass sich sogar schon Grundschüler politisch artikulieren können. Die Jugendlichen haben sich auf geradezu vorbildliche Weise für ihre Überzeugungen und das Gemeinwohl eingesetzt." 

Ernten wir jetzt die Früchte einer unsäglichen Entwicklung, die uns einreden will, Kinder als kleine Erwachsene zu betrachten? Erleben wir gerade, was passiert, wenn Erwachsene sich zunehmend verweigern, Vorbild, Leitbild, Grenzensetzer, Erzieher, schlicht "Schutzpatron" der eigenen und der anvertrauten Kinder zu sein?

Dass Jugendlichkeit gewisse belebende Aspekte in Diskurse bringen kann, da junge Menschen aufgrund ihrer stärkeren Hingabe für gewisse Ansichten und auch der Tendenz, mit viel Energie eingefahrene Sitten zu hinterfragen und ohne Rücksicht auf Verluste herauszufordern, ist keine Frage.

Jedoch das Wahlrecht auf minderjährige Jugendliche oder sogar Kinder zu übertragen, nur damit diese sich angeblich nicht minderwertig fühlen, ist meiner Meinung nach grob fahrlässig und eine Verletzung der Sorgfaltspflicht der Erwachsenen. Es ist legitim, zu versuchen, potenziell erfahrene Erwachsene politisch zu manipulieren. Jugendliche, die keine Erfahrung haben, unter dem Deckmantel der Reife und Partizipation politisch zu manipulieren, ist jedoch einfach nur schäbig.

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Leserpost

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R. Bunkus / 08.08.2020

Ein wohltuender Artikel. Danke.

herbert binder / 08.08.2020

Kinder. Wahn. Recht.

Edward von Roy / 08.08.2020

An vielen Orten auf der Welt wird - oft erfreulich erfolgreich - dafür gekämpft,  dass ein Kind, und Kind ist Mensch unter 18 (achtzehn) Jahre, nicht als Kindersoldat eingesetzt wird oder als Drogenkurier oder in der Prostitution oder als “Ehefrau” bzw. “Ehemann”. Mit Mühe ist es vielen Staaten gelungen, das Mindestheiratsalter auf die gebotenen 18 Jahre anzuheben, gegen die Wächter der Tradition, nicht zuletzt gegen das Islamische Recht (Mohammed heiratete die kleine Aischa, als diese sechs Jahre alt war, beim Vollzug der Ehe neun Jahre; vgl. der Mufti von Komotini und das islamische Familienrecht im heutigen Griechenland). Und dann gibt es noch, ein Thema der frühen Partei der Grünen (Fred Karst), die Pädophilenlobby, denen an der “sexuellen Selbstbestimmung des Kindes” gelegen ist sprich an der Straffreiheit sexueller Handlungen mit Minderjährigen, teilweise sehr jungen Minderjährigen. Andere sinnieren über die sogenannte Gillick-Kompetenz kleiner Mädchen zwecks Einwilligung in eine FGM (weibliche Genitalverstümmelung). Schluss mit derlei “Kindeswunsch, Kinderwahlrecht”. Kein Wahlrecht unter achtzehn, weltweit! Hingegen unser Ja zur weltweiten Schulpflicht, auch für die Mädchen.

Hansgeorg Voigt / 08.08.2020

Das Thema Wahlalter ist nur ein Machtding. Die fordernden Parteien versprechen sich Stimmen eines leicht zu beeinflussenden Klientels. Aber halt: Die SPD gehört einfach zu den Narren. Und der Michel hört auf den MSM und den ÖRR. Also macht es dann doch fast gar nichts, denn dann können die Jungen später nicht sagen, sie hätten das nicht gewollt, wenn das Licht ausgeht. Oder, eigentlich müssten die Eltern sauer sein, da man ihnen unterstellt, sie würden nicht das Beste für ihre Kinder wollen.

Karsten Dörre / 08.08.2020

Es gab eine Zeit, da wurden Kinder in Deutschland für reif genug erklärt, gegen kampferprobte und kriegserfahrene Soldaten an Ost- und Westfront zu kämpfen. Derzeit werden Kinder und Jugendliche (nur) an die politische Front geschickt (Klimawandel, Dekarbonisierung, Minimierung der Lebensqualität, Entindividualisierung usw.). Mein Beitrag zum Armutszeugnis der Erwachsenen.

Wiebke Ruschewski / 08.08.2020

Oft hört man auch das Argument, dass selbst senile Greise noch wählen dürfen. Die Jugendlichen wären dann so eine Art Gegengewicht. Welch dämliche Begründung! Manche behaupten ja sogar, die Kinder seien heute viel “weiter” als früher. Diese Aussage spricht für mich doch eher für die mangelde geistige Kompetenz der Erwachsenen, die so etwas sagen. Besonders lautstark wird die Absenkung des Wahlalters natürlich von Parteien gefordert, die bei der Jugend relativ hoch im Kurs stehen. Als ich das erste Mal gewählt habe, war ich wenig informiert und wusste nicht so recht, wen ich wählen soll und für was die unterschiedlichen Parteien eigentlich so stehen. CDU war (damals!) konservativ (igitt) und die Grünen engagierten sich in Sachen Umweltschutz. Umweltschutz verband ich mit “gut” und deswegen wählte ich damals grün. Eine Partei, die ich schon einige Jahre später vielleicht nicht mal mehr unter vorgehaltener Pistole gewählt hätte. Aber darauf spekuliert man bei den Grünen und den Linken. Dass ihnen die Unerfahrenheit und Verführbarkeit der Jugend in die Hände spielt.

Wolfgang Kaufmann / 08.08.2020

In einer Zeit, in der kaputte Familien zur Norm werden, erleben wir eine fatale Verarmung und massive Verengung der sozialen Rollen. Die 2+3-Familie kennt noch 6 Relationen in drei Stufen: Eltern untereinander, Kinder untereinander und Eltern zu Kindern. Hingegen kennt die 1+1-Famile nur noch die Beziehung von genau zwei Personen aufeinander; die Folge ist, dass sich weder Elter1 arrangieren muss mit Elter2 noch Kind1 konkurriert mit Kind2. Die Zweierbeziehung entartet oft zur Symbiose. – Wie soll sich ein Kind in goldener Käfighaltung dann in den Kindergarten, den Freundeskreis oder die Schulklasse einordnen, wenn es bisher jederzeit die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Bezugsperson beanspruchen durfte, weil das Kind der wichtigste Lebensinhalt seiner Helikoptermutter war? Das Kind war das Mittel, eine Super-Mutterschaft zu realisieren. So wie wir in Deutschland immer nur Übermenschen haben.

Wolfgang Kaufmann / 08.08.2020

Es ist nur konsequent, Kinder zu behandeln wie kleine Erwachsene in einer Welt, in der viele Erwachsene nichts anderes sind als große Kinder. Und stolz darauf.

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