Kultur-Kompass: „Die Tugend des Egoismus“

In ihrem Klassiker „Die Tugend des Egoismus“ beschreibt Ayn Rand, wie vernünftig gesunder Eigennutz ist: Der Individualist weiß, wann er sich entscheiden muss, wann er Stellung beziehen muss, wann er den Tatsachen ins Gesicht schauen muss. Der Individualist übernimmt Verantwortung.

Der folgende Satz könnte für nicht wenige eine intellektuelle Zumutung darstellen. Aber es muss gesagt werden. In dieser Deutlichkeit. Ayn Rand ist: Interessierte, Intellektuelle, Individualistin. Doch wie der große Heinrich Heine bereits wusste: „Man muss die Deutschen von innen befreien, von außen hilft nichts.“ Daher dieser, mein verzweifelter, „eigennütziger“ Versuch: Mit einem Werk Ayn Rands. „Die Tugend des Egoismus. Eine neue Auffassung des Eigennutzes.“

Obschon das Buch bereits 1964 auf den Markt gekommen ist, hat es mitnichten an Aktualität verloren. Womöglich ist es sogar aktueller denn je. Vermutlich krümmen sich schon vielen Deutschen beim so unschuldigen Begriff des „Egoismus“ bereits die Zehennägel. Deswegen eine kurze begriffliche Klärung: Egoismus im Rand’schen Sinne hat rein gar nichts mit Friedrich Nietzsches „Ich-mach-was-ich-will-Mentalität“ zu tun. Vielmehr stehen bei Rand das Individuum und die Vernunft an oberster Stelle. Einerseits aus ethisch-politischer Sicht: Der Mensch dient als Selbstzweck. Andererseits aus ethisch-psychologischer Perspektive: sein selbstständiges und unabhängiges Denken. Wie es Rand formuliert: „Ein Individualist ist ein Mensch, der nur für sich und durch seinen eigenen Verstand lebt; er opfert weder sich selbst für andere, noch andere für sich; er behandelt Menschen als Händler, nicht als Räuber; als Produzent, nicht als Attila.“

Das bedeutet keineswegs, dass der Individualist unsozial sei. Im Gegenteil. Weil er ein soziales Wesen ist, weiß er, wie wichtig andere Menschen für ihn sind. Sowohl im beruflichen wie auch im privaten Umfeld. Daher ist es höchst rational, wenn ein Mann sein Leben opfert für die Frau, die er liebt. Höchst irrational aber ist es, wenn derselbe Mann sein Leben für eine ihm unbedeutende Person opfert – eine Person, die er womöglich gar nicht leiden kann. Oder es ist höchst rational, wenn eine Frau keine „Karriere“ machen möchte, weil sie sich ordentlich um Haus, Kinder und Partnerschaft kümmern möchte. Höchst irrational aber ist es, wenn dieselbe Frau zu je 100 Prozent Beruf, Kinder und Partnerschaft unter einen Hut bekommen möchte.

Der Individualist übernimmt Verantwortung

Weil der Individualist vernünftig ist, stellt er sich diesen Tatsachen. Er weiß, wann er sich entscheiden muss, wann er Stellung beziehen muss, wann er den Tatsachen ins Gesicht schauen muss. Der Individualist übernimmt Verantwortung. Ebenso für seine Worte wie für seine Taten. So stellt er sich entweder auf die Seite des Täters oder des Opfers. Desweiteren kritisiert der Individualist alles, was unvernünftig ist: so etwa den falsch verstandenen Humanismus in der Flüchtlingsfrage. Denn: Ist es vernünftig, alle, die nach Deutschland kommen möchten, aufzunehmen – und sich gleichzeitig selbst zu schaden: mit importiertem Judenhass, mit importierter Frauenverachtung und mit importierter Demokratieächtung? Ist es vernünftig, Menschen aufzunehmen, die sich schwer damit tun, sich in das westliche Wertegefüge einzuordnen?

Der Individualist stellt sich dieser unangenehmen Wahrheit. Er begreift, wie inhuman seine Forderung wäre, möglichst viele Flüchtlinge aufzunehmen: Nicht nur die Flüchtlinge müssen unter widrigen Umständen leben und können sich nur schwer integrieren. Denn den politischen Rahmenbedingungen und dem politischen Machbaren sind Grenzen gesetzt. Doch auch die Einheimischen leiden hierunter: Wohnraum wird knapper und die Mieten steigen an, die steuerlichen Belastungen werden größer, der öffentliche Raum ist nicht mehr so sicher (vor allem für Frauen), Juden leben in größerer Angst als zuvor. Politische „Lösungen“ greifen hier nicht im Mindesten.

Das ist ein Faktum. Ebenso wie, dass der Individualist weiß, dass er in erster Linie für sich selbst und seine „Liebsten“ Verantwortung übernehmen muss. Er kann nicht Verantwortung für seine Stadt, sein Land oder gar für die ganze Welt übernehmen. Das überschreitet einfach seine Kompetenzen und Möglichkeiten. Daher: Lieber im Kleinen Verantwortung übernehmen. Dafür aber richtig. Und nicht überall. Schlampig, weil oberflächlich. Nur so wird die Welt eine bessere. Denn: Je mehr verantwortungsvolle Menschen es gibt, desto eher gibt es eine verantwortungsvollere Welt.

Alles andere wäre unvernünftig

Dazu gehört auch die realistische Sichtweise des Individualisten auf zwischenmenschliche Beziehungen: nämlich als eine Form von Transaktion. Sei es beruflich oder privat. Zunächst bedeutet es, dass man jedem Menschen mit Respekt entgegentritt, bestimmte Grenzen nicht überschreitet und ihm einen guten Willen unterstellt – bis sich das Gegenteil herausstellt. Das entlastet nicht nur das zwischenmenschliche Miteinander enorm. Diese Interaktion auf Augenhöhe, freiwillig und ungezwungen, macht es auch erheblich angenehmer. Für alle Beteiligten. Zum Beispiel in Liebesbeziehungen. Nur wenn beide Liebespartner den Bedingungen ihrer Beziehung zustimmen, kommt es zu einer Beziehung. Ist eine Person unzufrieden und möchte diese Beziehung nicht eingehen, gehen beide Personen getrennte Wege. Wenn ein Partner das nicht akzeptiert und sich der anderen Person aufdrängt, ihr nachstellt, ist das höchst respektlos.

Genauso respektlos wie die Vernachlässigung von Rands Gedanken und ihre größtenteils politische Diffamierung als „rechts“ in Deutschland. Wobei ... „rechts“ steht ja mittlerweile synonym für „vernünftig“. In diesem Sinne muss es wohl als Kompliment aufgefasst werden. Wie dem auch sei. Wer noch tiefer in die Philosophie Rands eintauchen und sich mit ihrem „Objektivismus“ auseinandersetzen möchte, muss zu „Die Tugend des Egoismus“ greifen. Es ist ein sehr guter Einstieg in Rands Theorie.

Nicht nur weil Rand auf hochtrabend-komplizierte und pseudo-intellektuelle Formulierungen verzichtet. Sondern auch weil es sich hier um einen Sammelband mit insgesamt 19 knackig-kurzen Beiträgen handelt. Sowohl von Rand als auch von Nathaniel Branden verfasst. Man muss es einfach sagen: Es ist eine geballte Portion Tugend für den Menschenverstand. Auf fast 200 Seiten. Daher. Nicht ganz uneigennützig. Im Rand’schen Sinne versteht sich: Unbedingt zugreifen! Alles andere wäre unvernünftig.

Rand, Ayn, (2023). „Die Tugend des Egoismus. Eine neue Auffassung des Eigennutzes“. Jena: TvR. Hier bestellbar.

 

Dr. phil. Deborah Ryszka, geb. 1989, Kind politischer Dissidenten aus Polen, interessierte sich zunächst für Philosophie und Soziologie, dann für Kunst und Literatur und studierte Psychologie. Später lehrte sie an verschiedenen Hochschulen und ist seit 2023 Vertretungsprofessorin für Psychologie an einer privaten Hochschule. Zudem schreibt sie regelmäßig Beiträge zu gesellschaftspolitischen Themen und bespricht Bücher.

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Holger Chavez / 17.12.2023

Und deshalb, wegen des Eigennutzes, gehören demokratische Werte (Menschenrechte) unbedingt zur Demokratie und ist die Demokratie die einzige Staatsform, die die Chance bietet, daß eigene, individuelle Interessen zur Geltung kommen können. Denn nur in einer Demokratie mit garantierter Meinungsfreiheit besteht die Chance, einem schadende Regierungen abzuwählen. Es liegt also im Eigeninteresse des machtlosen Wahlbürgers, daß die Neutralität der politischen Institutionen gewahrt bleibt, denn nur dann besteht die Chance auf demokratischen Machtwechsel. Das ist das Einmaleins der politischen Bildung, das immer mehr vergessen wird. Heute scheint die Mehrheit der Wahlbürger davon überzeugt zu sein, daß eine hohe politische Moral vor Machtmißbrauch schützt und daß moralische, “anständige”  Staatsmänner besonderes Vertrauen verdienen und sogar   geltendes Rechts brechen dürfen im Sinne des großen Ganzen(Scholz:“keine roten Linien”). Daß eine Demokratie unter allen Umständen darauf achten muß, die Neutralität ihrer Institutionen zu wahren, scheint nur wenigen bewußt zu sein. Der größte Witz ist, wenn das BVerfG plötzlich als politischer Akteur in Erscheinung tritt und dem Wahlbürger grundlegende Entscheidungen abnimmt (Klimawandel). Welch ein Vertrauen in Juristen, die von der Exekutive bestellt werden!  Welch ein Vertrauen in den Verfassungsschutz, der von der Exekutive bestellt wird(“verfassungsfeindliche Delegitimierung des Staates”, also der gerade herrschenden Elite)! Welch ein Vertrauen in weisungsgebundene Wissenschaftler (Roberta Köchin Institut)! Gewaltenteilung besteht nicht nur zwischen Institutionen, sondern vielmehr zwischen konkurrierenden Eliten. Der Wähler sollte die Eliten gegeneinander ausspielen, und höchst mißtrauisch werden, wenn die sich zusammentun. Deshalb, solange es nötig ist: AfD wählen bis die Brandmauer Geschichte ist! Dann sehen wir weiter.

Charlene Riske / 17.12.2023

“ihre größtenteils politische Diffamierung als „rechts“ in Deutschland” - Die Philosophin Ayn Rand war Jüdin und Kapitalistin. Beides ist für den linken Zeitgeist ein rotes Tuch.

Peter Holschke / 17.12.2023

Na dann auch Max Stirner “Der Einzige und sein Eigentum”.

ekki schneider / 17.12.2023

Vielleicht sollte man die kollektivisten der ampel frei nach ayn rand mit den eigenen Waffen schlagen: Aufhören zu arbeiten und ab in die Bürgergeld-Hängematte! viele unternehmer flüchten ja bereits vor einer leistungsfeindlichen und jede eigeninitiative abwürgenden politik in das freiere ausland. Wenn 20 bis 30% der arbeitenden Menschen in systemrelevanten Berufen (LKW/Busfahrer, Kassierer, Müllabfuhr, Logistik etc) das machen würden, wäre der Spuk quasi über Nacht vorbei und die Ampel würde nackt dastehen, ganz ohne jegliche Gewalt und systemkonform;-) Pfleger können nicht wirklich streiken, sie können aber aufhören zu dokumentieren, auch in dem Bereich wuchert unnötige Bürokratie, ich spreche aus erfahrung. mehr freiheit wagen, mehr ayn rand, weniger marx. ich werde jetzt erstmal die tolle neuübersetzung von atlas shrugged lesen. danke für die buchvorstellung und die würdigung der autorin, die heute aktueller und wichtiger denn je ist. leider fallen ihre worte hier kaum auf fruchtbaren boden, vielen deutschen ist wirkliche freiheit zu anstrengend, leider.

Thomas Szabó / 17.12.2023

“...jedem Menschen mit Respekt entgegentritt ... ihm einen guten Willen unterstellt - bis sich das Gegenteil herausstellt.” Heute ist es so: Man unterstellt dem Islam einen guten Willen, obwohl sich das Gegenteil längst erwiesen hat. Man unterstellt den eigenen Leuten einen bösen Willen, selbst dann, wenn sie aus einer post-christlichen, pseudo-christlichen Barmherzigkeit heraus noch so viele ihrer erklärten Feinde ernähren. Wir sollten das Phänomen des westlichen, weißen Autorassismus ansprechen, analysieren, dekonstruieren. Es ist inhuman den weißen Mann zu dekonstruieren. Einerseits seinetwillen, andererseits der ganzen Menschheit willen. Wenn die westliche Zivilisation fällt, dann fällt auch der Humanismus. Die Migrationspolitik ist heuchlerisch & inhuman. Sie zerstört den Westen und damit die Hoffnung der Welt auf Demokratie, Freiheit, Humanismus. De facto gibt es keine freie Welt mehr. China, Russland, die islamische Welt, Afrika sind Diktaturen. Europa, USA, Kanada, Australien werden von illiberalen Eliten regiert, die sich als liberal etikettieren. Wir müssen auf der Weltkarte mit der Lupe nach freien Ländern suchen.

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