Archi W. Bechlenberg / 26.05.2016 / 07:04 / 1 / Seite ausdrucken

Rauchverbot zwischen Lounge und Flüchtlingsheim

Rasch verbreitete sich im Internet nach Inkrafttreten der neue EU-Verordnung der mehr als nahe liegende Running Gag, die nach oben offene Ekelskala der Schockbilder ließe sich mühelos auf ein neues Allzeithoch treiben, indem man statt Innenansichten befallener Raucher Außenansichten gefälliger Politiker auf die Packungen druckt. Wer würde wohl noch eine Rothhändle quarzen, wer eine Maasboro? Es gab sogar den durchaus sympathischen Vorschlag, großformatigere Ekelbilder, zum Beispiel Wahlplakate, mit Tabakpackungen zu überdrucken.

Meine letzte Zigarette dürfte ich ein oder zwei Jahre vor dem Abitur geraucht haben, das war 1973 und sollte inzwischen ausgeschwitzt sein. Allerdings genieße ich gerne hin und wieder eine Cigarre oder einen Cigarillo, so wie der von mir so hoch geschätzte Artur Rubinstein, Dem waren als junger Mensch laut eigenem Bekunden  "gute Zigarren" wichtiger als Üben. Vielleicht ein Fehler, im Alter von 95 Jahren raffte ihn der Schnitter dahin.

Der Hautgout einer in Kölnisch Wasser getränkten Seniorin

Ich vermisse in jeglicher Art von Lokalitäten die Zigarettenraucher nicht, genauso wenig wie Henryk M. Broder es hier schon auf der Achse beschrieb; der Dunst von schwelenden, mit allerlei obskurem Beiwerk vermischten Tabakzubereitungen ist mir unsympathisch wie der Hautgout einer in Kölnisch Wasser getränkten Seniorin im Zugabteil. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, dass man  selbst den Cigarrenrauchern, so in NRW und Bayern, ihre Refugien vergällt hat. Sicher - in ausgewiesene Cigarrenlounges könnte sich trotz mehrfach gesichertem Zugang immer mal eine Mutter mit Kinderwagen oder dem Nachwuchs unterm Herzen verirren.

Ob man für diesen eher wenig alltäglichen Fall aber eine ganze gastronomische Sparte platt machen musste? Nun ja, da gab es auch noch den gesundheitlichen Schutz des Personals einer solchen Einrichtung. Obwohl es sich in den allermeisten mir bekannten Fällen um die Betreiber der Lounge selber handelt(e) - auch sie müssen (mussten) vor sich selbst und ihrem ohnehin zwielichtigen Geschäft geschützt werden, und sei es, dass sie den Laden dicht machen mussten.

Zwar gibt es noch einige nur für Cigarrenraucher geöffnete Refugien, doch dürfen diese nicht zwecks Bedienung mit Getränken und Sonstigem vom Inhaber oder dessen Angestellten betreten werden. Findige Lounge-Betreiber fanden pfiffig eine Lösung in der Verpflegungsfrage, wenn auch leider nicht für mich.  In der von mir bevorzugten Lounge kann man sich als Gast in einem dem Rauchraum vorgelagerten Außenposten zwar selber mit Kaffee versorgen; ich scheitere leider regelmäßig an dieser neumodischen Maschine mit allerlei Hebeln und Schaltern und einer Kapsel, von der ich nicht behalten kann, wie herum sie richtig eingelegt werden muss.

Ende letzten Jahres stellte ich an das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen eine schriftliche Anfrage. Noch Ministerin dort ist die Grüne Barbara Steffens, die in NRW für das seit 2013 geltende totale Rauchverbot in der Gastronomie von NRW zuständig war und ist. Frau Steffens besitzt in Sachen Gesundheit ohne Zweifel universelles Wissen, und vor allem liegt ihr die Homöopathie am Herzen. Sie sieht sich als Vorreiterin auf diesem Gebiet, denn sie ist von der Homöopathie “selber persönlich überzeugt”, ein ohne Frage wesentliches Kriterium für ihre Forderung, diese Heillehre solle staatlich finanzierte Forschung und Lehre genießen, denn, so die Ministerin, sie findet es „anmaßend [...], dass irgendwer meint, dass man naturwissenschaftlich den Menschen, Krankheitsprozesse und Genesungsprozesse mal eben so einfach erklären könnte.“

Zurück in die Realität. Ausgelöst hatte meine Frage an das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen  ein Filmbericht über eine regionale Asylunterkunft, in dem ich tüchtig quarzende Bewohner sehen konnte. Hatte das denn seine Richtigkeit? Durften traumatisierte Flüchtlingsmänner tatsächlich rauchen? Und falls nicht - wie wollte man ihnen das Verbot nahe bringen? Das Ministerium antwortete, ich zitiere:

"Wenn es sich bei einer Flüchtlingsunterkunft um eine Einrichtung in öffentlicher Trägerschaft handelt, gilt nach den Regelungen des Nichtraucherschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen in vollständig umschlossenen Räumen ein umfassendes Rauchverbot. Dies betrifft Gemeinschaftsräume wie bspw. Schlafräume, Aufenthaltsräume und Speiseräume und Kantinen.

Dienen abgeschlossene Räume allerdings der privaten Unterkunft, kann dort das Rauchen zugelassen werden. Die o.g. Ausnahme soll in Einrichtungen, die die eigene Wohnung ersetzen, die von dort gewohnte Privatautonomie wahren.

Grundsätzlich kann eine solche Entscheidung aber nur vor Ort und in jedem Einzelfall getroffen werden.

Das Nichtraucherschutzgesetz will Menschen vor den Gefahren des Passivrauchens in geschlossenen Räumen schützen. Rauchverbote im Freien sind grundsätzlich nur zum Schutz von Kindern und Jugendlichen z. B. auf Spielplätzen oder Schulhöfen vorgesehen.

Verantwortlich für die Einhaltung der Rauchverbote i. S. des NiSchG NRW ist die Leitung der jeweiligen Einrichtung. Soweit den Verantwortlichen ein Verstoß gegen das Rauchverbot bekannt wird, haben sie die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Fortsetzung des Verstoßes oder einen neuen Verstoß zu verhindern. Verwaltungsbehörden im Sinne des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind die örtlichen Ordnungsbehörden. Sie werden im Rahmen ihres Ermessens tätig, wenn konkrete Beschwerden vorgebracht werden."

Rauchwarte in Flüchtlings-Unterkünften?

Soweit die Theorie. Ich lasse den Brief aus dem Ministeriumsreferat "Rettungswesen und Rehabilitation“  einfach mal so stehen und erlaube mir ganz global gravierende Zweifel an der tatsächlichen Durchsetzung gesetzlicher Vorschriften i. S. des NiSchG NRW.  Schon der Begriff „im Rahmen ihres Ermessens“ lässt erahnen, wie es um eine tatsächliche Umsetzung der Vorschriften bestellt sein dürfte. „Nur kein Ärger mit den Flüchtlingen! Nur kein Ärger.“

Damit kein Missverständnis aufkommt: ich gönne jedem vor Langeweile eingehenden Asylbewerber seine Fluppe; er muss selber wissen, ob er raucht oder nicht, und krankenversichert ist er ja hierzulande nun auch. Ich hätte allerdings etwas dagegen, wenn im Umfeld von Asylunterkünften seitens der Behörden in Sachen Rauchverbot weggeguckt würde, während andererseits Tabakschnüffler auf der Fahndung nach Stinkstiefeln durch die heimischen Lokale schnüren und Wirte und Gäste anzeigen. Da gibt es nämlich keinen Ermessensrahmen, weder im „Gemütlichen Eck“, noch im ganz Großen: Frau Steffens schreckte tatsächlich nicht einmal davor zurück, ein totales Rauchverbot auf der jährlich stattfindenden Dortmunder Tabakmesse durchsetzen zu wollen. Hat bisher nur zum Teil geklappt, aber Ruhe wird sie sicher nicht geben.

Das Schreiben aus dem Ministerium zum Thema „NiSchG NRW“ ist wie erwähnt ein halbes Jahr alt, und ich kümmerte mich nicht weiter um das Thema; was sollte es auch bringen? Sicher, ich könnte eine neue Anfrage stellen über Anzahl der konkreten Beschwerden und die Ergreifung und Durchsetzung erforderlicher Maßnahmen. Ich könnte aber auch Farbe beim Trocknen zusehen. 

Die zuständigen Behörde bekommt in den Unterkünften doch nicht einmal den Schutz von Nichtmoslems vor ihren Mitbewohnern in den Griff, wie will man denn dann den Schutz von Nichtrauchern gewährleisten? Womöglich Rauchwarte aus den Städten abziehen und durch die Unterkünfte schicken, so wie durch Kneipen und Diskotheken? Na, das gäbe aber ein paar rote Ohren! Da hält man doch besser still, so lange niemand fragt. Wer sollte sich auch beschweren?

Mir ist nicht bekannt, dass das Thema "Rauchen in Asylunterkünften" in den letzten Monaten irgendwo einmal aufgetaucht ist. Ob ich mal unterm grün-rot gestreiften Gesundheitsgebetsteppich nachschaue?

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Stefan Maier / 26.05.2016

“Nicht nachvollziehbar ist allerdings, dass man selbst den Cigarrenrauchern, so in NRW und Bayern, ihre Refugien vergällt hat.” Selbstverständlich ist es nachvollziehbar: Warum soll in der kleinen Kneipe um die Ecke, einer alteingesessenen Bar, einem klassischen Treffpunkt (mangels Platz für Raucherräume), in Bierkneipen, in Hotellobbys, das rauchen verboten sein, in irgendwelchen – nur weil darin Zigarren geraucht werden/werden sollen – hingegen nicht? Der Wirt der kleinen Familienkneipe würde der Regierung aber etwas husten, wenn und weil bei ihm das rauchen untersagt ist, 50m weiter das rauchen aber erlaubt ist, nur weil man eine “Cigarrenlounge” eingerichtet hat, oder sie dort so nennt. Ersterer müssten in dem Fall nämlich sehr wahrscheinlich schließen, weil alle Raucher dort hin rennen, ist das rauchen in beiden Orten untersagt, gibt es keine Wettbewerbsverzerrung. Es ist also logisch und praktisch nachvollziehbar, das für alle Wirte die gleiche Regel gilt – auch und insbesondere zum Schutz der 90% Lokalitäten, die gar kein Geld und Platz für Rauch- und oder Cigarrenräume haben. Abgesehen davon müssen sich die Cigarrenraucher dann bei den Zigarettenrauchern beschweren, die durch ihre Intoleranz ein Gesetz erst erforderlich gemacht haben…

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