Die aktuelle Jugendstudie „Jugend in Deutschland“ gibt den Altparteien zu denken. Ihre Beliebtheit in der Gen Z schwindet. Währenddessen gewinnt die AfD bei der jungen Generation wachsende Zustimmung.
Der Focus titelte: „Deutschlands Gen Z rückt politisch immer weiter nach rechts“ und am gleichen Tag: „Immer mehr Gen-Z-ler sympathisieren mit der AfD“. Bei Watson schrieb man: „Aktuelle Jugendstudie 2024 zeigt: Ein Rechtsruck geht durch die Gen Z“. Und beim österreichischen Exxpress: „Inflation, Krieg, Migration: Generation Z kippt nach rechts“.
Die Generation, die vor wenigen Jahren noch als „Generation Greta“ betitelt wurde, scheint ihrem ursprünglich grünen Image nicht mehr gerecht zu werden. Zumindest, wenn man der aktuellen Trendstudie „Jugend in Deutschland“ Glauben schenkt. Herausgeber der Studie ist Simon Schnetzer – ein Jugendforscher, Speaker und Futurist. Prof. Klaus Hurrelmann, Sozial-, Bildungs-, und Gesundheitswissenschaftler, und Kilian Hampel, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Universität in Konstanz, begleiteten die Studie fachlich. Befragt wurden insgesamt 2.024 Personen in einem Zeitrahmen vom 8. Januar bis 12. Februar 2024. Ergänzt wurde die Studie qualitativ durch ein Trendlabor, in dem mit Personen des gleichen Alters gearbeitet wurde.
Medial zeigt man sich schockiert, denn: 22 Prozent würden AfD wählen. Beim rbb wurden die Zahlen mit denen des Jahres 2022 verglichen: Die Grünen bekamen nur 18 Prozent Zustimmung, die FDP 8 Prozent, die SPD 12 Prozent, die Union 20 Prozent und das BSW 5 Prozent. Bis auf die Union haben alle Altparteien Stimmen verloren. Auch wenn der „Dauerkrisen-Modus“ bereits im Jahr 2022 präsent war – vorrangig aufgrund des Ukraine-Krieges –, schlägt sich die fortschreitende Zukunftsangst mittlerweile im Wahlverhalten nieder. Offenbar haben viele Jugendliche erkannt, dass die „Klimarettung“ nicht Sinn ihres Lebens sein kann und die endlose Aufnahme von Migranten ebenfalls mit nicht unerheblichen Problemen verbunden ist – Stichwort Messerkriminalität (Achgut berichtete). Willkommen in der Realität.
Ob gerade diejenigen, die früher mit Greta und Luisa auf der Straße demonstriert haben, sich jetzt dem politischen Gegner zugewandt haben, darf man bezweifeln. Immerhin machen sich immer noch 45 Prozent der Befragten Gedanken um den Klimawandel. Die Vermutung liegt nahe, dass eher ein Teil der bis vor Kurzem eher unpolitischen Jugend sich vermehrt Sorgen um ihre Zukunft macht und dementsprechend anders wählt. Noch vor wenigen Jahren wirkte die Lage anders.
Realitätscheck
2019 veröffentlichte das Institut für Generationenforschung folgenden Artikel und schrieb unter anderem: „Die Generation Z hat (…) eine relativ sichere Ausgangslage: Sie wächst in einer Konsumgesellschaft mit unzähligen Freizeitangeboten auf – finanziell erschwinglich und über digitale Plattformen mit nur einem Klick erreichbar. Zudem unterstützen ihre Eltern sie intensiv, die meisten führen ein relativ komfortables Leben. Daher die Vermutung: Politisch werden junge Leute dann, wenn sie es sich wirtschaftlich leisten können. Des Weiteren zeichnet sich die Generation Z durch eine passive, abwartende und absichernde Art aus. Die jungen Menschen suchen Orientierung und ein Gefühl von Gemeinschaft und Zugehörigkeit. Die ´Fridays for Future´-Bewegung bietet eine solche Orientierung, weil sie konkrete Handlungsempfehlungen gibt.“
Einige Aussagen dieses Artikels sollten einem Realitätscheck unterzogen werden. Da wäre zum Beispiel: „Politisch werden junge Leute dann, wenn sie es sich wirtschaftlich leisten können“. Natürlich – wer schwer und viel arbeitet, hat keine Zeit für Aktivismus, aber wer Angst um seine Zukunft hat, wird ebenfalls aktiv – wenn auch nur beim Gang zur Wahlurne. Ich selbst bin nicht aufgrund meiner Herkunft – klischeegetreu aus Sachsen – konservativ, sondern, weil ich bereits mit 16 Jahren die Flüchtlingspolitik kritisch beäugt habe. In meinem Dorf gab es eine Asylbewerber-Unterkunft, abends ging es dementsprechend nicht mehr allein raus. Zu groß war die Angst vor den meist männlichen Neuankömmlingen, die insbesondere gegenüber Frauen ein anderes Werteverständnis mitbringen als europäische Männer. Mit meiner wirtschaftlichen Situation – oder vielmehr der meiner Eltern, hatte diese Einstellung wenig zu tun.
Auch „Orientierung und ein Gefühl von Gemeinschaft und Zugehörigkeit“ sind schwammige Begriffe. Orientierung kann schließlich jeder geben. Die Frage ist nur, in welche Richtung. Gemeinschaft hat im Zusammenhang mit der Klima-Protestbewegung eher etwas von einer Sekte, die versucht, die Klima-Erlösung anzustreben. Vom Eigenmarketing ganz zu schweigen. Kurzes Beispiel? Entwickeln Sie bei Songs wie „Kein Grad weiter“ oder „Ohne Kerosin nach Berlin“ ein Gemeinschaftsgefühl? Ich nicht – Fremdschamgefühl wäre die korrektere Bezeichnung.
Überarbeitete Lehrpläne?
Finanzielle Aspekte sind für diese Entwicklung ebenfalls nicht irrelevant. 65 Prozent machen sich Sorgen um die Inflation, 54 Prozent beschäftigt der teurere Wohnraum, und 48 Prozent haben Angst vor Altersarmut. Zu diesen Tendenzen passt, dass 11 Prozent der Befragten aufgrund psychischer Probleme behandelt würden. Stress (51 Prozent), Erschöpfung (36 Prozent) und Hilflosigkeit (17 Prozent) scheinen die Jugend vermehrt zu betreffen. Ein möglicher Grund: „Die Studienergebnisse belegen auch, dass digitaler Überkonsum die Psyche maßgeblich beeinflusst: Jugendliche mit einer hohen täglichen Bildschirmzeit am Smartphone haben nach eigenen Angaben deutlich stärker mit psychischen Belastungen zu kämpfen.“ Der Aussage: „Ich benutze das Smartphone viel mehr, als es mir lieb ist“ stimmten 53 Prozent zu, knapp mehr als die Hälfte.
Die Studie zeigt, dass häufig erst persönliche Krisen ausbrechen müssen, damit politische Haltungen überdacht werden und sich Einstellungen wandeln. Es muss einen persönlich betreffen, an der Stelle, wo es weh tut. Und bei finanziellen Sorgen oder Angst um die eigene Sicherheit kann wohl keiner mehr die Augen vor den Tatsachen verschließen. Und wie reagiert die Politik? Der Grünen-Bundestagabgeordnete Kai Gehring sagte gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung: „Alle 16 Lehrpläne der Länder brauchen einen Check und ein Update, wie unter anderem über das Scheitern der Weimarer Republik, die Machtergreifung Hitlers, den Holocaust und die Gräueltaten der NS-Diktatur unterrichtet wird. Dem Bildungssystem kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es um Demokratiebildung, Geschichtsbewusstsein und Prävention vor anti-demokratischem Extremismus geht.“ Und weiter: „Polykrise und Komplexität der Gegenwart erfordern bei Jugendlichen mehr Resilienz, eine gezieltere politische Bildung und ein besseres Geschichtsbewusstsein, um gegen rechtsradikale und extremistische Parolen immunisiert zu werden.“
Genau, gegen diese Tendenzen hilft nur, die AfD zum Nachfolger der NSDAP zu stilisieren und Jugendlichen Angst vor dem 4. Reich zu machen. Das wird kaum erfolgreich sein. Die jungen Leute, die bereits AfD wählen, werden sich durch solche Kampagnen kaum von ihrer politischen Haltung abbringen lassen. Die AfD schafft es derweil, junge Leute für sich zu gewinnen – sei es durch das Wahlprogramm oder ihre Social-Media-Aktivitäten. Bei Letzterem sind sie vor allem bei TikTok sehr erfolgreich. Aber egal, ob mit oder ohne TikTok, die Jugend scheint langsam ihre Einstellung zu ändern. Ob dieser Positionswechsel tatsächlich Veränderung bewirkt, werden wir in den nächsten Jahren wissen.
Für unsere Rubrik „Achgut zum Hören“ wurde dieser Text professionell eingelesen. Lassen Sie sich den Artikel hier vorlesen.
Marie Wiesner, geb. 1999 in Sachsen, ist gelernte Ergotherapeutin.