Volker Seitz / 22.04.2024 / 12:00 / Foto: European Peoples Party / 16 / Seite ausdrucken

Ungarns kluge Entwicklungshilfe

Entgegen seinem Ruf leistet Ungarn sehr kluge Beiträge in der Hilfe für afrikanische Länder und ihre Bewohner. Anders als bei uns gilt es nicht als falsch, wirtschaftliche Interessen bei entwicklungspolitischen Entscheidungen zu berücksichtigen. 

Seit Victor Orbáns Kritik an der europäischen Migrationspolitik und seiner Aussage, dass europäische Politiker „die Migranten ermutigen und den Eindruck erwecken, dass es sich lohnt loszuziehen“, wird in den europäischen Medien behauptet, dass Rassismus zum Alltag in Ungarn gehört. Orbán hat sich seit 2015 geweigert, illegale Migranten aufzunehmen, da sie als "Bedrohung für die öffentliche Sicherheit“ angesehen werden. Wie Victor Orbán kürzlich auf der Konferenz der des Nationalen Konservatismus (NatCon) in Brüssel sagte, gibt es bis heute keine illegalen Einwanderer (z.B. aus Afrika) in seinem Land. Anderseits engagiert sich die Regierung Orban zunehmend in einzelnen Ländern Afrikas. Wie passt das zusammen? 

Kaum jemand nimmt zur Kenntnis, dass in den letzten Jahren tausende Afrikaner nach Ungarn gekommen sind, um an angesehenen Hochschulen zu studieren. Ungarn hat auch hunderte von Studenten aus Ghana aufgenommen, die aus der Ukraine bei Kriegsbeginn geflohen sind. Den Studenten wurde angeboten, die gleichen günstigen Studiengebühren wie in der Ukraine zu zahlen. Gehen Afrikaner  in ein „rassistisches Land“ ?

Derzeit leben ca. 8.000 Afrikaner in Ungarn, davon studieren 2.600 von ihnen –  aus 25 Ländern Afrikas – an ungarischen Universitäten. Einige hundert – eine genaue Zahl ist mir (noch) nicht bekannt – haben Stipendien des ungarischen Staates erhalten.

Einige praktische Beispiele für ungarisches Engagement

Uganda

Ungarn hat dazu beigetragen, den Finanzsektor Ugandas gegen Cyberangriffe zu stärken und das System mobiler Zahlungen zu sichern. Das Cybersicherungsprojekt wurde vom ungarischen Staat mit 3,9 Millionen Euro finanziert und von einem ungarischen Unternehmen durchgeführt.

Ferner hat Ungarn im größten Flüchtlingslager in Uganda den Bau von drei Schulen finanziert, bei der Modernisierung des öffentlichen Verwaltungssystems geholfen, ein mobiles Gesundheitszentrum sowie ein Krankenhaus für Kardiologie eingerichtet.

Tschad

Die 2019 gegründete Agentur „Hungary Helps“ hat kürzlich in N’Djamena, der Hauptstadt des Tschad, ihr erstes Repräsentationsbüro für humanitäre Hilfe auf dem Kontinent eröffnet. „Hungary Helps“ will – nach eigener Darstellung – durch Nothilfe dazu beitragen, dass Menschen nicht in die Emigration getrieben werden. Hilfe solle dorthin gehen, wo Probleme sind und nicht Menschen in einer Notlage nach Europa bringen. Maxime, die dortige Bevölkerung einzubinden und Projekte schnellstmöglich in deren Hände zu geben.

Immer noch schlägt der rechtsliberalen Regierung Orbán aus der EU Misstrauen entgegen. Zuletzt im März 2024, als sich Ungarn mit 200 Soldaten (mit Victor Orbáns Sohn Gáspár, ausgebildet an der Royal Military Academy Sandhurst) an friedenssichernden Maßnahmen im Tschad beteiligte. Besonders Frankreich ist verärgert, weil sich die Regierung Orbán nicht mit Frankreich abgesprochen hat.

Die ungarischen Militärs sind im Rahmen eines bilateralen Abkommens in den Tschad gekommen. Wenn deutsche Medien – im Sinne Frankreichs – den ungarischen Soldaten jeweils fehlende Ortskenntnis, Erfahrung mit komplizierten ethnischen Konflikten oder Kommunikation vorwerfen, dann haben sie wohl die Kongo-Mission der Bundeswehr in den Jahren 2003 bis 2014 verdrängt. Bis heute gibt es keine umfassende Darstellung des Einsatzes, weder für den Bundestag noch für die Öffentlichkeit.

Noch immer sind im Tschad rund 1.000 Franzosen stationiert. Paris unterhält seit der Unabhängigkeit in der Hauptstadt seiner früheren Kolonie N’Djamena (früher Fort Lamy) einen seiner größten Militärstützpunkte. Frankreich kontrolliert seit jeher den Tschad und betrachtet ihn als sein Einflussgebiet (sa chasse gardée). 

Französische Politiker sind offenbar noch nicht bereit, ihre Einflussmöglichkeiten in der ehemaligen Kolonie Tschad zu verlieren. Den französischen Interessen genehme Präsidenten an der Macht zu halten, hat aber dem Ansehen der ehemaligen „Grande Nation“ (Selbsteinschätzung) sehr geschadet. Die Staatsstreiche in Guinea, im Niger, in Mali und in Burkina Faso hatten jeweils verschiedene Hintergründe, aber überall jubelten die Menschen den Putschisten zu; oft brannten bei diesen Demonstrationen französische Fahnen, verbunden mit dem Slogan „A bas la France“ ("Nieder mit Frankreich“). 

Die Regierung des Tschad bleibt eine der letzten Verbündeten der Franzosen. Die antifranzösische Stimmung in der Sahelregion hat den Tschad noch nicht erreicht. 

Sierra Leone

Bei einem Wirtschaftforum mit dreißig ungarischen Unternehmen wurde mit Hilfe der Universität für Agrar- und Biowissenschaften (MATE) eine Zusammenarbeit mit Sierra Leone in den Bereichen Ernährungssicherheit (Lebensmittel) und Landwirtschaft vereinbart. MATE forscht in den Bereichen wie dem Anbau von Kulturpflanzen, der Nahrungsmittelsicherheit und nährstoffreichen Pflanzen sowie nachhaltigem Wassermanagement.

Hinzu kommen Investitionen, um den Zugang zu sauberem Trinkwasser für mehr als 300.000 Menschen zu gewährleisten.

84 Studenten aus Sierra Leone studieren bereits in Ungarn.

Fazit

Victor Orbán ist demokratisch mit großer Mehrheit gewählt und hat offensichtlich die Unterstützung der Mehrheit der Ungarn, seine Auffassung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen. Die obigen bilateralen Beispiele – Ungarn gewährt auch öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) über multilaterale Kanäle (IWF, Weltbank, UN-Institutionen) in Form von finanziellen Beiträgen, obligatorischen Mitgliedsbeiträgen und freiwilligen Beiträgen – zeigen, dass die medial inflationär gemachten Unterstellungen gegen Ungarn etwa im Verhältnis zu Afrikanern unfair sind.

Da die Mittel  begrenzt sind, konzentriert sich das Land auf ausgewählte Bereiche und Projekte (siehe oben). Für Ungarn ist die beste Form von Entwicklungsbeistand technische Hilfe, Förderung von Bildung, Weiterbildung und die Entsendung von Fachleuten. 

Anders als bei uns gilt es nicht als falsch, wirtschaftliche Interessen bei entwicklungspolitischen Entscheidungen zu berücksichtigen. 

 

Volker Seitz, Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv 2021 (11. Auflage)

Foto: European Peoples Party CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Wolfgang Kolb / 22.04.2024

Danke, Herr Seitz! Erfrischend zu sehen, dass es auch einmal anders - erfolgreich - geht! Ungarn ist uns in vielem einen Schritt voraus, angefangen bei der Asylpolitik, der Außenpolitik und der Entwicklungshilfe. Vielleicht liegt es auch daran, dass Trampolinspringen nicht als Einstiegsqualifikation in die Politik gesehen wird.

Werner Arning / 22.04.2024

Eine den Eigeninteressen zuwiderlaufende Einwanderungspolitik zu betreiben, in welcher zuvörderst unausgebildete und schwer n den Arbeitsmarkt zu integrierende Einwanderer aufgenommen werden, ist einzig in Deutschland gut angesehen. Im Gegenteil, sich nicht so zu verhalten, gilt in Deutschland als rassistisch. Diesen Unsinn machen andere Staaten nicht mit. In Afrika werden häufig postkoloniale Interessen vertreten (siehe Frankreich). Wenn jemand nun die Afrikaner stattdessen von gleich zu gleich, als Partner behandelt (und in einer echten Partnerschaft profitieren stets beide Seiten), dann ist das gut. Orbán gefällt mir. Ein Mann mit Herz und Verstand.

Ralf Pöhling / 22.04.2024

Das liest sich gut. Schönen Gruß nach Budapest.

Stephan Bujnoch / 22.04.2024

Die medialen Unterstellungen sind nicht unfair, sie sind ein dreckiges Lügengespinst, das die moralische Stufe ihrer Urheber offenbart. Ich wünschte mit für dieses Land einen solchen “Minister”, also Diener des Volkes, anstatt eines notorischen Amnesisten ohne persönliche Ehre. Aber, was erlauben Viktor, Soldaten nach Tschad ohne vorher den großen Emanuel zu fragen? Das geht gar nicht!

Elena Georgi / 22.04.2024

Schade, dass man solche sachlichen Informationen nirgendwo in den gebührenfinanzierten oder staatlich subventionierten Medien erhält. Dort wird genauso einseitig gegen Ungarn gehetzt wie gegen jede andere konservative Regierung, die sich dem WEF und seiner New World Order widersetzt. Deshalb: vielen Dank.

Angela Maaz / 22.04.2024

Das erinnert mich etwas an die Entwicklungshilfe der DDR. Ostdeutschland hat auch ausgebildet. Kubaner, Algerier, Mosambikaner, Vietnamesen usw. Ich war ganz erstaunt bei einem deutschsprachigen Gewürzhändler in Marrakesch, der mir erzählte, dass er in Leipzig studiert hatte. Die ausgebildeten Fachkräfte mussten auch wieder in ihre Heimatländer zurück. Ohne Ausnahme. Auch wenn sie in ihrer Zeit hier eine Frau gefunden und Kinder hatten.

Gerd Fricke / 22.04.2024

Sehr geehrter Herr Seitz, vielen Dank für diesen Beitrag. Warum nehmen sich die Deutschen nicht einmal ein Beispiel an Ungarn. Warum lernen die Deutschen nicht einmal von anderen anstatt immer nur zu belehren.

Rolf Mainz / 22.04.2024

Deutschland betreibt pure Scheckbuchdiplomatie, auch betreffend (vermeintliche) Entwicklungshilfe. Es geht auch gar nicht darum, den Einwohnern unterentwickelter Länder damit zu helfen, es geht darum, sich ein (vermeintlich) gutes Gewissen zu erkaufen. Bevorzugt natürlich mit dem Geld anderer, also letztlich auf Kosten der noch produktiven Bevölkerung Deutschlands. Je mehr Geld in Richtung Dritter Welt (sprich: deren oft autokratischen Regimen) verschleudert wird, desto grösser die hypermoralische Selbstbefriedigung. Den Menschen der Dritten Welt nützt es hingegen nichts, den Zahlenden in Deutschland ebenso wenig.

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