Rainer Grell / 21.03.2020 / 10:00 / 12 / Seite ausdrucken

Was mir in diesen Tagen so durch den Kopf geht

Randnotizen eines (mehrfach) Gefährdeten – glücklicherweise weder aus der Matratzengruft (Heine) noch aus dem Kellerloch (Dostojewski).

Ein liebes Kind hat viele Namen, sagen die Finnen und verfügen deshalb über eine ganze Reihe von Flüchen, die sich um den Teufel drehen („Perkele“). Für meine Frau Elisabeth habe ich zehn, für unsere Enkeltochter Luisa gar über 20 Koseformen ausgemacht. Die Vielzahl der Namen, denen wir in der gegenwärtigen einzigartigen Pandemie begegnen, beruht natürlich nicht auf solcher Zuneigung. 

Die wissenschaftliche Bezeichnung (Nomenklatur) von Fauna und Flora sowie von Viren und Bakterien ist eine hochinteressante Angelegenheit und lässt manchmal tief blicken, wie zum Beispiel bei der Bezeichnung des Menschen als homo sapiens (der weise Mensch) oder des Buchfinken als fringilla coelebs (der ehelose Fink). Doch hatten diejenigen, die Corona benamsten, mitnichten einen in der Krone, sondern orientierten sich an dem äußeren Erscheinungsbild dieses Virus, das mittlerweile jedes Kind kennt. Ein wenig verwirrend erscheint allerdings das halbe Dutzend Namen, das uns täglich begegnet:

  • Corona
  • Das neue Coronavirus
  • Das neuartige Coronavirus
  • 2019-nCoV
  • Covid 19
  • Sars-CoV2.

Bisher trat nur Kurt Tucholsky unter derart vielen Namen auf (zur Erinnerung: Er stellte einst die Frage: Was darf Satire? Und lieferte die Antwort gleich mit: Alles): Kaspar Hauser, Peter Panther, Theobald Tiger und Ignaz Wrobel. 

Irritierend ist auch, dass „Virus“ zweigeschlechtlich gebraucht wird, also sowohl sächlich wie männlich. Die Zahl der Viren ist unübersehbar, da sie nicht selbstständig existieren können, sondern eine Wirtszelle benötigen, deren Zahl wiederum nicht bekannt ist. Evolutionär sind sie auf jeden Fall topfit, tricksen sie unser Immunsystem doch immer wieder mit neuen Mutationen aus.

Manchmal klappt der Bezug nicht auf Anhieb

Nachdem die öffentliche Diskussion um Corona losging, wartete ich täglich auf die erste Verbindung zur AfD. Denn ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die AfD deutschlandweit das ist, was Donald Trump weltweit ist: die Ursache jedes Übels. Dabei kommen mir immer so merkwürdige Assoziationen wie die vom Wettlauf zwischen Hase und Igel („Ick bün all hier!“) oder die Allgegenwart Figaros in Rossinis Barbiere di Siviglia („Figaro su, figaro giù…!“), mal oben, mal unten, mal hier, mal dort; eben das Faktotum der politischen Szene.

Manchmal klappt der Bezug natürlich nicht auf Anhieb. Aber für diesen Fall haben Politiker und linientreue Journalisten die gleiche Taktik entwickelt wie die Kandidaten in jenem Prüfungswitz, über den wir schon vor 50 Jahren gelacht haben. Was? Sie kennen den nicht? Ein Professor in Bio ist dafür bekannt, dass er stets das Thema „Würmer“ prüft, und alle Kandidaten bereiten sich entsprechend vor. Eines Tages lautet seine erste Frage jedoch: „Herr Kandidat, was wissen Sie über den Elefanten?“ Der überraschte Kandidat kratzt sich verlegen am Kopf, fängt sich aber schnell und legt dann los: „Der Elefant ist ein großes graues Tier. Er hat vorne einen Rüssel und hinten einen Schwanz. Beide haben das Aussehen von Würmern. Er gibt folgende Arten von Würmern ...“. Achten Sie mal drauf: Genau so läuft es nicht selten bei der AfD. Egal, wo Sie starten, Sie landen immer bei diesem „gärigen Haufen“ (Gauland).

Hm. Ich habe das Gefühl, einige finden solche Äußerungen in diesem Zusammenhang reichlich degoutant. Mag sein, aber wenn man das Haus nicht verlassen darf und jeder soziale Kontakt verpönt ist, kommt man auf die blödesten Gedanken. Außerdem gilt „Homer gibt dir über Frauen Macht! Homer ist der, wenn man trotzdem lacht!“ Im englischen Original („Brush up your Shakespeare“ aus „Annie get your gun“) klappt die Pointe leider gar nicht, obwohl doch der englische Humor so berühmt ist.

Ich fand Merkel gar nicht schlecht

Da kam die Fernsehansprache der Kanzlerin am Mittwochabend gerade recht und brachte ein wenig Abwechslung in den Alltagstrott. Also für ihre Verhältnisse fand ich Merkel gar nicht schlecht. Ganz ehrlich. Aber man kann das natürlich auch anders sehen. Etwa wie die hochgeschätzte NZZ, deren Deutschlandkorrespondent Hansjörg Müller befand, dass die Kanzlerin wieder einmal wirkte, „als sei sie sehr weit weg“. Und: „Die passenden Worte für das Ausserordentliche vermochte sie dabei nicht zu finden.“ Demgegenüber war Chefreporter und Stellvertretender Chefredakteur Robin Alexander („Die Getriebenen“), bei der „Welt“ zuständig für die Berichterstattung über Angela Merkel und das Kanzleramt, voll des Lobes: „Merkel fand die richtigen Worte und traf den richtigen Ton.“

Die Deutschen geben der Welt immer wieder Rätsel auf. Ob nun Napoleons oder Churchills Verdikte über die Deutschen authentisch sind oder ob es sich um „Kuckuckszitate“ handelt. Schon als Primaner lauschte ich staunend den Ausführungen eines Sorbonne-Professors, der den „Volkscharakter“ von Italienern und Deutschen am Beispiel einer alten Dame an der Riviera erläuterte, die eine Feige vom Baum pflückt und dazu „o sole mio“ trällert, während das alte Mütterchen aus der grauen Stadt am Meer zur selben Zeit unter der Last eines Holzbündels ächzt, das sie aus dem Wald nach Hause schleppt. Doch seit dem Sommermärchen 2006 weiß alle Welt: Die Deutschen sind ganz anders und stehen den Südeuropäern in puncto Lebensfreude und Feiern in nichts nach. Und auch jetzt, in der „größten Krise nach dem Zweiten Weltkrieg“ (Merkel) feiern die Deutschen allenthalben „Corona-Partys“. Sind das dieselben jungen Leute, die Merkel und Steinmeier kürzlich erst noch wegen ihres Engagements in der FFF-Bewegung gelobt haben? Ich komme aus dem Grübeln nicht mehr raus.

Während ich diesen Text schreibe (20.03.2020 – 15:08 Uhr), melden die Stuttgarter Nachrichten unter der Schlagzeile „Gruppen von mehr als drei Personen in der Öffentlichkeit verboten“: „CDU-Innenminister Thomas Strobl (CDU) kritisierte, es sei „rücksichtlos und verantwortungslos“, die Einschränkungen zu missachten. Verstöße zum Beispiel gegen das neue Niederlassungsverbot könnten mit Bußgeldern bis zu 25.000 Euro und auch mit mehrjährigen Haftstrafen geahndet werden.“ Trotz des Ernstes der Lage kann ich ein Schmunzeln nicht unterdrücken: „mit mehrjährigen Haftstrafen“. Allenfalls bei „Richter Gnadenlos“. Doch der ist seit zwei Jahren in Pension und genießt sein Leben in einer Favela in Rio

„Von guten Mächten wunderbar geborgen“

Niemand weiß, wie er die Corona-Krise übersteht. Auch junge Leute sind nicht per se aus dem Schneider. Manchen helfen vielleicht diese wunderbaren Verse von Dietrich Bonhoeffer:

Von guten Mächten wunderbar geborgen,

erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist bei uns am Abend und am Morgen

und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Papst Franziskus hat gezeigt, was zu tun ist: „In der Kirche Santa Maria Maggiore und vor dem Pestkreuz in der Kirche San Marcello al Corso flehte der Pontifex [= der Brückenbauer, nämlich zu Gott] am Sonntag [15. März] Gott um das Ende der Corona-Pandemie an.“ Zusätzlich zu einem landesweiten Rosenkranzgebet gegen das Coronavirus, zu dem Italiens katholische Bischöfe für diesen Donnerstagabend (19. März) aufgerufen haben und an dem sich der Papst ebenfalls beteiligen will, will Italien am Freitagmorgen vereint gegen die Krise singen. Und tat das dann tatsächlich auch.

Leider haben die Menschen guten Willens „eine jüdische Stimme“ überhört, nämlich die von Hans Jonas über den „Gottesbegriff nach Auschwitz“. Danach hat sich Gott freiwillig seiner Allmacht in dem Augenblick begeben, in dem er dem Menschen die Freiheit als Vorbedingung seiner Existenz schenkte. „Im bloßen Zulassen menschlicher Freiheit liegt ein Verzicht der göttlichen Macht.“ Der Herr kann also gar nicht helfen, selbst wenn er wollte.

Für Ungläubige ändert sich dadurch nichts. Für Gläubige ist diese Botschaft allerdings ein schwerer Schlag. Doch wer traut sich, das dem Papst zu sagen? Jetzt, wo Georg Gänswein in Ungnade gefallen ist? Es sind in der Tat schwere Zeiten. 

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Gabriele Kremmel / 21.03.2020

Ach so, drum haben sie die Leute aus der Abschiebehaft entlassen, damit Platz ist für die Niederlassungsverbots-Sünder.

toni Keller / 21.03.2020

hmmh, hmmh irgendwie scheinen Sie, bei allem Lob auf den Papst und die Bischöfe eine winzige Kleinigkeit übersehen zu haben, dass diese nämlich ihre Kirchen zugesperrt haben, damit da drin keiner mehr das tun kann, was man in Kirchen, laut katholischer Lehre besonders gut tun kann, nämlich beten! Und was auch keinem auffällt ist, dass landauf, landab Solidarität von den L,euten, angesichts der Krise, gefordert wird, aber die Grundvorrausetzung für Solidarität, nämlich das persönliche Zusammenkommen, komplett verboten wird. Und noch ein drittes, all diese, einschneidenden, noch nie so hart und umfassend angewendeten Maßnahmen, dienen keineswegs dem Ziel das Coronavirus aus der Welt zu schaffen, bzw die Infektion der Bevölkerung mit selbigem Virus zu verhindern, sondern all diese, die bürgerlichen Freiheiten, den religiösen Vollzug (Religion ist immer zwingend Gemeinschaft, wurde auf jeden Fall jahrezehntelang behauptet) komplett unterbindenden Maßnahmen, dienen lediglich dazu, die Infektionsrate zu verlangsamen. Also bitte und das alles wegen einer Grippe? Das ist doch unfassbar! Es handelt sich bei dem Coronavirus um eine Infektion die in 90% der Fälle symtomlos verläuft, und die nur im Falle vielfach vorerkrankter Menschen mit schweren Komplikationen, aber auch selbst in diesen Fällen nicht unbedingt tödlich, verläuft. Warum ich das so schreibe? Nun die vielfach gefürchtete schwarze Pest, verlief fast immer tödlich und davon ist das Coronavirus noch meilenweit entfernt. Man tut aber allüberall so, als handle es sich bei Corona um eine neue Sorte Viren, die von selber durch die Luft fliegen und als sei dieses Virus tödlich wie die Pest und ansteckend wie die Windpocken, was es definitiv nicht ist. In diesen seltsamen Zeiten, in denen wir leben, kann ich sogar, ausnahmsweise Frau Merkel zustimmen, die heute morgen darüber nachgedacht hat, ob wir nicht gerade dabei sind aus Angst vor Corona viel mehr Todesfälle durch Suizid wegen Einsamkeit zu produzieren

Jürgen Fischer / 21.03.2020

Ich krieg’ gerade den Gedanken nicht aus dem Kopf, dass die »Bußgelder bis zu 25.000 Euro« bestimmt schneller eingetrieben werden als die »Soforthilfen« für Unternehmen ausbezahlt werden. Sofern letztere überhaupt ... aber malen wir mal den Teufel nicht an die Wand. Freuen wir uns lieber, dass wir nicht die Probleme haben wie in Baltimore: dort bittet der Bürgermeister die Bevölkerung, mal nicht aufeinander zu schießen, weil die Krankenhausbetten ggf. für Coronapatienten gebraucht würden. Schaumermal, was noch kommt.

Frank Stricker / 21.03.2020

Wunderbarer Satz von ihnen , lieber Herr Grell,” Für ihre Verhältnisse war Merkel gar nicht schlecht”. Man hätte   auch schreiben können, “Sie war stets bemüht Deutschland nicht zu ruinieren”. Aber laut RTL wissen wir nun, die Kanzlerin geht noch selber einkaufen während der Krise. Was mich nur irritierte , die Corona Kanzlerin der Herzen hatte angeblich nur 1 Packung Toilettenpapier im Einkaufskorb. Ist das schon die Versorgungskrise , oder muß ihr Mann den Rest ranschleppen wenn die Kameras wieder weg sind……...

S. Marek / 21.03.2020

Am 30. Dezember sagte Dr. Li der Zeitung, er habe eine Nachricht an ehemalige Klassenkameraden über WeChat, eine beliebte Nachrichten-App, geschickt und sie vor neuen Fällen von schwerem akuten respiratorischen Syndrom oder SARS gewarnt.  Später korrigierte er dies und sagte, es handele sich um ein unbekanntes Coronavirus.  Dr. Li wurde später von Parteidisziplinarbeamten und der Krankenhausleitung verhört, die ihn beschuldigten, Gerüchte zu verbreiten, und ihn zwangen, eine Selbstkritik zu schreiben, sagte er der Zeitung. “Sie sagten mir, ich solle keine Informationen darüber online veröffentlichen”, sagte Dr. Li Ende Januar der Beijing Youth Daily.  “Später begann sich die Epidemie merklich auszubreiten. Ich hatte persönlich jemanden behandelt, der infiziert war und dessen Familie sich infiziert hatte, und so wurde ich dann infiziert.”  Als er über das Virus und die Bemühungen der Regierung, ihn zum Schweigen zu bringen, sprach, zog Dr. Li Vergleiche zu Jiang Yanyong, einem Chirurgen, der zum Helden wurde, nachdem er Pekings Bemühungen, das Ausmaß der SARS-Krise im Jahr 2003 zu vertuschen, auffliegen ließ.” Zunächst wurde ein Markt für lebende Tiere in Wuhan, auf dem exotische Tiere als Nahrungsmittel verkauft werden, als Quelle des Virus beschuldigt.  Es kann vielleicht noch bewiesen werden, daß er das Epizentrum des Ausbruchs war, aber er war nicht die Quelle des Virus.  Diese Ehre gebührt dem Landes-größten Wuhan National Biosafety Laboratory, das im Wuhan Institute of Virology untergebracht ist, nur knapp 20 Meilen vom wuhanischen Markt für lebende Tiere entfernt.  Es wurde im Zuge früherer Freisetzungen des SARS-Virus aus chinesischen Labors und zur Erforschung der gefährlichsten Viren der Welt eingerichtet.  Wie die “Daily Mail Online” berichtet:  ——>>

S. Marek / 21.03.2020

“Das Wuhan-Virus entkam aus einem chinesischen Labor” Amerikanische Denker / Von Daniel John Sobieski / 14 März 2020 Zunächst einmal ist Wuhan ein Ort und keine Rasse, und das Coronavirus anhand seines Ursprungsortes zu identifizieren, wie das Ebola-Virus für einen Fluss in Zaire zu benennen, ist nicht rassistisch oder fremdenfeindlich - es ist lediglich richtig.  Es ist nicht rassistisch oder fremdenfeindlich, eine Infektion als “Rocky Mountain Spotted Fever” zu bezeichnen oder etwas nach einer nahe gelegenen Stadt in Connecticut als “Lyme-Krankheit” zu bezeichnen.  Die Bezeichnung dieses neuesten Virus als Wuhan-Virus erinnert an die mehrfachen Ansteckungen, die China hervorgebracht und auf eine ahnungslose Welt losgelassen hat.  Auch die Verbindung einiger sehr großer, häßlicher und offensichtlicher Hinweise ist nicht einfach eine weitere Verschwörungstheorie, die von der Hand zu weisen ist. Von Anfang an war China nicht sehr offen in Bezug auf dieses Virus und hat sich geweigert, kritische Daten und den Zugang zu den Spezialisten der WHO und der CDC zu teilen.  Und haben wir Dr. Li Wenliang vergessen, den 33-jährigen Augenarzt aus Wuhan, dem Epizentrum der Seuche, der der Welt zu sagen versuchte, daß China etwas Bösartiges verheimlicht, nur um dann von den chinesischen Behörden zum Schweigen gebracht und eingesperrt zu werden, weil er angeblich Lügen über das tödliche Potential der Krankheit fabriziert hat?  Später würde er an der Krankheit sterben, vor der er uns zu warnen versuchte, und die Chinesen versuchten, dies zu verheimlichen: “In einem Interview mit der von der Kommunistischen Partei kontrollierten Beijing Youth Daily von Ende Januar erinnerte sich Dr. Li an Berichte vom Dezember über eine ungewöhnliche Häufung von Lungenentzündungen in Verbindung mit einem Tiermarkt in Wuhan. ——>>

Peter Wachter / 21.03.2020

Bitte nicht vergessen: Am 21. März (das ist heute) findet jedes Jahr der Internationale Tag gegen Rassismus statt. Da sollten doch die Omas gegen Rechts auf die Strasse gehen, diesmal dürften sie sich sogar legal vermummen, mit Mundschutz. Ich schreib jetzt nicht, das es manchmal die Richtigen trifft, ich denk es bloß, noch sind die Gedanken frei, außerdem ist das natürlich Satire !?

Bernd Ackermann / 21.03.2020

Ja, es sind merkwürdige Zeiten in denen wir leben und in denen kuriose Dinge geschehen. Gestern wollte ich im Baumarkt 2 kg Grassamen kaufen, am Eingang erwartete mich ein stämmiger Mitarbeiter offensichtlich russischer Herkunft, der mit bedeutete einen Einkaufswagen zu nehmen, “wegen Abstand an Kasse”. Auf meinen Einwand, dass ich mir am Einkaufswagen, den an diesem Tag wahrscheinlich schon mehrere hundert Leute durch die Gegend geschoben haben, nicht nur Corona, sondern vermutlich auch Krätze, Spulwürmer, Cholera und Hepatitis holen würde, erntete ich einen starren Blick und eine gerunzelte Stirn. Die Drohung “wenn du nicht nehmen Einkaufswegen ich werden abschneiden Finger” stand unausgesprochen im Raum, so dass ich schließlich nachgegeben habe. Heute morgen beim Bäcker verkündete ein Schild an der Eingangstür, dass nur jeweils zwei Kunden gleichzeitig eintreten dürften. Also wartete ich - Kälte, Wind und Sprühregen ausgesetzt (sicher gut für das Immunsystem) - dichtgedrängt mit den anderen Kunden vor der Tür. Dabei fiel mir ein Schaukasten auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf, den ich bisher noch nie wahrgenommen hatte. Erst war ich überrascht, dass es im 21. Jahrhundert überhaupt noch Schaukästen gibt, dann sah ich aber, dass er dem SPD Ortsverein gehörte (erklärt so einiges). Nun ist die SPD ja so etwas wie die Schrödingers Katze der Parteienlandschaft, irgendwie noch am Leben aber gleichzeitig schon mausetot, dennoch war ich neugierig welche ermutigenden Worte der Ortsverein mir anlässlich der aktuellen Krise zukommen lassen wollte. “Seit 156 Jahren gilt für uns: Kein Fußbreit dem Faschismus”, in weißen Buchstaben auf rotem Hintergrund. Aha. Nun hätte ich über die falsche Schreibweise von “Verschissmus” hinwegsehen können, aber dass es den seit 156 Jahren geben soll war mir neu. Ohne Corona hätte ich das nie erfahren. So hat doch alles seine guten Seiten.

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