Michael Esfeld, Gastautor / 15.12.2023 / 12:00 / 66 / Seite ausdrucken

Wissenschaft: Was tun, wenn Geisterfahrer die Mehrheit stellen?

In der Wissenschaft ist es mitunter anders als in dem Witz vom Geisterfahrer im Straßenverkehr: Man kann es durchaus mit vielen Geisterfahrern zu tun haben und richtig liegen, indem man als Einzelner den vielen entgegensteuert. 

Der Geisterfahrer hört im Autoradio die Meldung „Achtung: Auf der Autobahn kommt ihnen ein Geisterfahrer entgegen!“ und denkt sich „Ein Geisterfahrer? Nein, ganz viele!“ Dieses ist deshalb ein Witz, weil Verkehrsregeln eine Angelegenheit der Konvention sind: Es kann nicht sein, dass einem ganz viele Geisterfahrer entgegenkommen. In diesem Falle ist man selbst der Geisterfahrer.

Anders in der Wissenschaft: Hier geht es um Wahrheit, und zwar eine Wahrheit, die von uns unabhängig ist. In der Wissenschaft kann es daher durchaus vorkommen, dass man es mit vielen Geisterfahrern zu tun hat und richtig liegt, indem man als Einzelner ihnen entgegensteuert. So in der Eugenik vor rund 100 Jahren: Da war es tatsächlich nahezu wissenschaftlicher Konsens, dass die damals Lebenden die „letzte Generation“ der zivilisierten Menschheit sind, weil die Menschen mit minderwertigen Genen sich übermäßig fortpflanzen, währenddessen die Menschen mit höherwertigen Genen nur wenige Nachkommen in die Welt setzen. Man muss deshalb „der Wissenschaft folgen“ und die Menschen mit den minderwertigen Genen sterilisieren.

Allerdings kann man der Konfrontation mit der Realität nicht ausweichen, und die Wahrheit wird sich letztlich durchsetzen. Aber das kann dauern. In der Eugenik dauerte es mehrere Jahrzehnte, bis die Geisterfahrer bloßgestellt wurden. Es geschahen zuvor noch viel schlimmere Verbrechen als wissenschaftlich legitimierte Sterilisationen. Mit den Corona- und den Klima-Geisterfahrern in der Wissenschaft geht es hoffentlich schneller zu Ende und bevor noch weiterer Schaden angerichtet wird.

Vorbildliches geleistet

Aber: In der Wissenschaftsgeschichte gibt es auch sehr viele Beispiele dafür, dass der Einzelne, der sich der Mehrheit entgegenstellt, der Geisterfahrer ist. Zunächst ist es daher rational, anzunehmen, dass man selbst der Geisterfahrer ist, wenn einem die Masse der Kollegen entgegensteuert (sei es aus Überzeugung, sei es aus Mitläufertum). Deshalb ist die Koordination so wichtig, und deshalb versuchen die Machthabenden – sei es bei Eugenik, bei Corona oder beim Klima – mit allen Mitteln der Diffamierung, den Einzelnen, der sich der Masse entgegenstellt, dazu zu bringen, sich selbst, und nicht die anderen, als Geisterfahrer zu sehen.

Aus diesem Grund war die Great Barrington Declaration vom 4. Oktober 2020 der erste entscheidende Schritt für die verstreuten kritischen Geister in der Wissenschaft, aus der Isolation herauszukommen und die Corona-Regime-Wissenschaftler als die Geisterfahrer zu überführen. Jetzt konnte man weltweit koordiniert Namen und Gesichter der Wissenschaftler aus der Medizin sehen, die sich der Corona-Geisterfahrt widersetzen und einfach nur auf den Standards medizinischer Wissenschaft beharren. Jeder kritische Wissenschaftler aus anderen Disziplinen, wie zum Beispiel ich als Philosoph, konnte jetzt den Corona-Regime-Medizinern entgegenhalten, dass sie in ihrer eigenen Disziplin, der Medizin, die Geisterfahrer sind. Um es zu betonen: Es ist nicht so, dass die Fachleute aus der Medizin, insofern sie das Corona-Regime antrieben, gesellschaftliche, wirtschaftliche und ethische Aspekte unberücksichtigt ließen, für die sie nicht kompetent waren. Sie haben sich in ihrem eigenen Fachgebiet als Geisterfahrer erwiesen und die Glaubwürdigkeit in Bezug auf ihr eigenes Fachgebiet verloren.

In Deutschland gehören der Achgut-Gastautor Prof. Dr. Boris Kotchoubey und der Hamburger Hygienemediziner Prof. Dr. Günter Kampf zu den Erstunterzeichnern der Great Barrington Declaration. Nachdem man die Geisterfahrer entlarvt hat, ist der nächste Schritt die Aufarbeitung, nämlich nüchtern und sachlich mit den etablierten Standards wissenschaftlichen Arbeitens die Dinge zu untersuchen. Diesbezüglich haben sowohl Boris Kotchoubey als auch Günter Kampf Vorbildliches geleistet. Boris Kotchoubey hat gerade ein Buch veröffentlicht mit einem pessimistisch klingenden Titel, den ich (Optimist, trotz allem) als Weckruf verstehe: Das Ende einer Institution: Wissenschaft zwischen Früh- und Postmoderne.

Der Weg der Aufklärung ist alternativlos

Das Buch ist eine mitreißend geschriebene, aber leider auch erschreckende Aufklärung über die wissenschaftsgeschichtlichen Hintergründe der Corona-Geisterfahrt. Wer verstehen möchte, wieso so etwas in der Wissenschaft passieren kann – damals Eugenik, heute Corona und Klima –, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt. Günter Kampf hat sage und schreibe vier Bücher zu Papier gebracht, die die wesentlichen Aspekte der Corona-Geisterfahrt in der Medizin untersuchen:

Pandemiemanagement auf dem Prüfstand: 2G, Februar 2023

Pandemiemanagement auf dem Prüfstand: Maskenpflicht, Juni 2023

Pandemiemanagement auf dem Prüfstand: Impfpflicht, August 2023 

CoroFluenza. Pandemische Atemwegsinfektionen im Vergleich, Dezember 2023

Günter Kampf untersucht akribisch, kompetent und mit hanseatischer Nüchternheit alle relevanten Aspekte. Wer sich über den Stand der medizinischen Wissenschaft informieren möchte, findet hier die richtige Handhabe: akkurat in Bezug auf die Wissenschaft und zugleich für den Laien verständlich.

Das ist der Weg, auf dem wir Wissenschaftler weitergehen sollten: einfach an den Standards wissenschaftlichen Arbeitens festhalten und diese der Öffentlichkeit vermitteln. Dann werden hoffentlich nicht nur die Corona-Geisterfahrt und die Klima-Geisterfahrt bald vorbei sein, ohne dass weiterer Schaden angerichtet wird, sondern auch weiteren Geisterfahrten in der Wissenschaft vorgebeugt sein.

Manche Leser halten meinen Optimismus für unbegründet angesichts des nicht enden wollenden Übels, mit dem wir konfrontiert sind. Aber es gibt keine Alternative dazu, beharrlich und sachlich den Weg der Aufklärung zu gehen. Die Zukunft ist offen. Sie ist nicht durch die Drahtzieher determiniert, die mit dem Corona- und dem Klima-Regime ihr menschenverachtendes Gesicht gezeigt haben. Wir müssen nur den Mut aufbringen, die Geisterfahrer, die uns immer noch lenken, zu stoppen.

 

Prof. Dr. Michael Esfeld ist seit 2002 Professor für Philosophie an der Universität Lausanne und Mitglied des Akademischen Beirats des Liberalen Instituts. Er ist seit 2009 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina; im Dezember 2020 erregte er Aufsehen, als er sich unmissverständlich gegen deren siebente ad-hoc-Stellungnahme zur „Pandemie“ positionierte, die von der Bundesregierung als Legitimation für den von ihr verhängten Lockdown in Deutschland betrachtet wurde.

 

Redaktioneller Hinweis:

Michael Esfelds neues Buch „Land ohne Mut“

Eine Allianz aus Wissenschaft und Politik erhebt immer häufiger den Anspruch, über Erkenntnisse zu verfügen, die es rechtfertigen, sich über die Freiheit der einzelnen Menschen hinwegzusetzen. Die leidvollen Erfahrungen in der Covid-Krise haben gezeigt, wie auf diese Weise großer Schaden angerichtet werden kann. Das neue Buch von Professor Michael Esfeld ist ein Aufruf zu mehr Widerspruch und Zivilcourage. Durch die Rückkehr zur Vernunft können wir den Angriff der Kollektivisten auf die offene Gesellschaft und den Rechts­staat abwehren.

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Gerd Kistner / 16.12.2023

Warum sich durch Sterilisation von geistig Behinderten die Dummheit nicht ausmerzen läßt, kann man in vielen Büchern zur Psychogenetik und Genetik der Intelligenz nachlesen. Intelligenz ist dennoch in hohem Maße genetisch bedingt und das niveaulose Eindreschen auf Herrn Dr. Sarazin nach Erscheinen seines Buches „Deutschland schafft sich ab“ und die rote Linie bei seinen Bemerkungen über „jüdische Gene“ zeugt vom heutigen Mainstream. Heute ist alles epigenetisch, nur die soziale Ungleichheit ist Quelle der unzureichenden Intelligenz. Wohin es führt, wenn mittelmäßige Intelligenz sich mit ideologischem Fanatismus paart, kann jeder Deutsche, dessen „sapere aude“ nicht durch Feigheit und Faulheit getrübt ist, sehen. Basis der Coronamaßnahmen war nicht wissenschaftlicher Konsens, sondern eine Campagne von Medien, Politikern, ausgewählten Geistlichwissenschaftlern, Ärzten und Naturwissednschaftlern, nicht zu vergessen feige ärztliche Fachgesellschaften. Was passiert, wenn Dummheit und Bosheit regieren, haben die Deutschen im braunen Nationalsozialismus, im roten Internationalsozialismus und jetzt im grünen mediokratisch – ökologistischen Sozialismus gesehen, gelernt haben sie nichts. Bosheit ist banal, meinte Hannah Arendt.

gerhard giesemann / 15.12.2023

Im Prinzip nicht, @Panther.

gerhard giesemann / 15.12.2023

Dumm nur, daß Geisterfahrer derzeit noch in der Mehrheit sind. It´s democracy, stupid!  Und das bleibt auch so, @Panther.

Sam Lowry / 15.12.2023

Diese Frage ist genauso wie die Frage: “Tourist in Mexiko totgebissen - War es ein Hai oder Krokodil?” Es ist völlig egal…

PALLA Manfred / 15.12.2023

. . . und > “..., daß Wissenschaft betreiben nicht zwingend etwas mit Denken zu tun hat - das ist eine Apparatur, in der man sich bewegt - das muß nicht zwingend heißen, daß da die Klugheit versammelt ist - das muß man sich immer wieder klar machen” < !!! (Zitat Ende) - so der Soziologe Tilmann ALLERT am Ende eines DLF-Interviews (19/07/2018) !!! + + + übrigens haben die CHINESEN ab JUNO “2020”  N I C H T mehr auf “Corona” getestet und ALLES lief dort, selbst in WUHAN,  wieder NORMAL !!! (Quelle: DLF-Feature 20min. in Januar `21) - gegen ‘22 wurde zwar Shanghai “ge-lockdowned”, aber wohl wg. InnenPolitik und NeuWahlen (“Xi”) !?! - Lösung von Räzzzell ?!? - guckt man auf “tkp.at” unter “Sorgten US-Biolabore…” (so ins Suchfeld) auf “meinen” Post zu EVENT “2-O-1” etc.  darunter !?!  ;-)

Sigrid Leonhard / 15.12.2023

@A. Ostrovsky , “Ich plädiere sonst sehr dafür, dass sich Menschen auch ändern können. Aber dafür gibt es ja im Fall der Covid-Hetze nicht das leiseste Anzeichen. Da muss der Holzhammer her, anders geht es nicht. Man muss diese Irren wirksam daran hindern, unschuldige und gutgläubige Menschen zu Tode zu spritzen.” Ja, denn die Gutesten verstehen ja gar nicht mal, dass Menschen in den letzten bald 4 Jahren überhaupt Repressionen erfahren mussten. Das können die nicht erkennen!! Diese Leute:  Fragen Andersmeinende pikiert, ob sie Identitäre sind oder so etwas, hüstel, hüstel ... mit begleitendem öhm und du bist peinlich und das ist jetzt aber gar nicht logisch, öhm.. Die werden nie etwas hinterfragen und zwar (wie etwa Pistorius das formuliert) bis zum jüngsten Tag.

gerhard giesemann / 15.12.2023

Problem: Die meisten haben keine Ahnung und sind beleidigt, wenn ihnen das jemand sagt. Also die buchstäblich erdrückende Mehrheit. Was Prof. Esfeld sagt: Demokratie ohne Rechtstaatlichkeit ist nichts wert. Wie wahr. Eine Verfassung/ein GG ist wertlos wie die sowjetische dereinst, die russische heute, die chinesische, die DDR-Verfassung und andere, wenn und weil sie nicht einklagbar ist. Vor einem unabhängigen Verfassungsgericht. Die Mütter und Väter des GG haben das gewusst. Als sie auf der Herreninsel im Chiemsee saßen. Ohne Montesquieu ist alles Makulatur, nichts als ein Fetzen Papier. Über den die Schergen nur lachen, wenn sie dir den Garaus machen. Frage: Wie viele Divisionen hat das Bverfgericht? Oder mit Stalin: Wie viele Divisionen hat der Papst? Verfassungen können den Einzelnen nur mühsam schützen vor der Kanallje, die die demokratische Mehrheit stellt. Sie hält die Wenigen für arrogant - stimmt, von unten her betrachtet ist alles arrogant. Und das mögen sie nicht, die “Bolschewiken”. Also die “Mehrheitler”. Die “Menschewiki”, die Minderheitler sind schnell weg geputzt, wenn’s pressiert. Also die “Menschen”. Ein ewiges Scheißspiel. Deshalb: как мо́жно ме́ньше - so wenig wie möglich (sprich: kak moschna mensche). Besser: kak moschna mensche Kanallje. Aber da haben die wenigen Menschen schlechte Karten. Wenn dann noch Angst, gar Panik hinzu kommen, dann sind Evente wie die Covidimpfe fast schon vorprogrammiert. Denn die Kanallje fürchtet um nichts so sehr als wie um ihr eigenes, mehr(!) oder weniger(?) wichtiges Leben. Wer da stört, der hängt eben. Oder Rübe ab. Der Verständige wendet sich ab und geht seiner Wege. Wortlos, man soll nicht mit jedem/jeder reden. Das ist sinnfrei. “Die Macht kömmt aus den Gewehrläufen”, Mao Tse Tung. “Recht” ist eine Hilfskonstruktion - aber immerhin besser als gar nichts. Sie steht und fällt mit denen, die sie “sprechen”, als “Recht erkennen”. Dumm: “im Namen des Volkes”. Erwischt.Das müssen wir immer bedenken. Porca miseria.

Lutz Liebezeit / 15.12.2023

@ Judith Panther Platon war von der Demokratie seit dem Tode Sokrates angewidert.  //  Der Pluto galt seit seiner Entdeckung als Planet. Kürzlich gab es eine Abstimmung und nun ist er kein Planet mehr.

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