Mit dem langsamen Verschwinden der Corona-Maßnahmen wird der Ruf nach Aufarbeitung laut. Doch bevor damit glaubhaft begonnen werden kann, muss das Corona-Regime erst einmal beendet werden. Denn der Ausnahmezustand ist noch nicht vorbei.
Karl Lauterbach stellte in der vergangenen Woche gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Lisa Paus den Abschlussbericht der Corona-KiTa-Studie vor. Die Studie wurde vom Robert-Koch-Institut und dem Deutschen Jugendinstitut durchgeführt und kam unter anderem zu dem Schluss, dass Kitas keine Infektionsherde waren. Die Infektionsraten seien dort extrem unterdurchschnittlich gewesen.
„Nach dem Wissen von heute kommt man klar zu der Erkenntnis, dass die KiTa-Schließungen zu Beginn der Pandemie nicht nötig gewesen wären. Sie waren also unnötig aus der Sicht der Wissenschaft von heute.“
Dieses eigentlich bahnbrechende Eingeständnis – denn es widerspricht ja dem gängigen Corona-Narrativ der letzten Jahre komplett – trug Lauterbach mit gewohnter Ungerührtheit vor. Als er später auf der Pressekonferenz von einer Journalistin gefragt wurde, ob ihm die damalige Fehlentscheidung Leid tue, antwortete er: „Ich halte nichts von Schuldzuweisungen. Man muss immer der Wissenschaft folgen und das, was neu ist, nutzen, um nach vorn zu gehen.“
Von Einsicht meilenweit entfernt
Dieses mangelnde Unrechtsbewusstsein vonseiten eines der größten Pandemietreibers fand ein durchaus negatives Presseecho. Die WELT nennt das Bekenntnis des Gesundheitsministers ein „kühles Eingeständnis“ und wirft ihm in einem weiteren Beitrag einen Missbrauch der Wissenschaft für eigene Interessen vor. Die Junge Freiheit erinnert daran, dass die KiTa-Schließungen „viele Familien in große Nöte gebracht und schweren Belastungen ausgesetzt“ hatten. Außerdem hätte die Studie bestätigt, was als Verschwörungstheoretiker gebrandmarkte Kritiker schon lange vorher befunden hatten.
Die NZZ befindet, dass man „Karl Lauterbach gar nichts verzeihen“ dürfe. So weit ist es streng genommen auch noch gar nicht. Denn vor der Vergebung kommt die Bitte um Entschuldigung, worum Karl Lauterbach sich noch nicht einmal ansatzweise bemüht hat. Einsicht ist bekanntlich der erste Schritt zur Besserung und davon scheint der aktuelle Gesundheitsminister meilenweit entfernt.
Die Corona-Maßnahmen und ihre Vergebung, das ist ein weites Feld. Jens Spahn hatte bereits zu Beginn der Pandemie scheinbar hellsichtig angekündigt, wir würden einander hinterher viel verzeihen müssen. Passenderweise hat er kürzlich ein gleichnamiges Buch herausgebracht. Eine prophylaktische Rechtfertigungsschrift für eine bevorstehende Aufarbeitung der Corona-Politik? Als damaliger Gesundheitsminister spielte Jens Spahn beim Krisenmanagement der Jahre 2020 und 2021 eine entscheidende Rolle. Kann er sich in dieser Position einfach aus der Verantwortung stehlen?
„Hitzig, unangenehm und letztlich unproduktiv“
Da in den meisten Ländern der Erde die Corona-Maßnahmen mehr oder weniger der Vergangenheit angehören und außerdem dringlichere Probleme wie der Ukrainekrieg, die Energiekrise, die Wirtschaftskrise und die Inflation in den Vordergrund drängen, scheint die Zeit für eine Aufarbeitung der „Pandemie“-Jahre gekommen zu sein.
Die Einschränkung der Grundrechte unter dem Vorwand des Schutzes vor einem angeblich bedrohlichen Virus hat bekanntlich enorme Kollateralschäden mit sich gebracht: Soziale Isolation und damit einen Anstieg der psychischen Erkrankungen, Tote wegen verschobener Operationen und Vorsorgeuntersuchungen, Entwicklungsstörungen bei Kindern, die wirtschaftliche Vernichtung von Existenzen und natürlich nicht zuletzt die vielfache Nötigung zur mRNA-Impfung, deren unerwünschte Spätfolgen immer stärker zu Tage treten – um nur ein paar Schlaglichter zu nennen. Viele Artikel freier Medien wiesen frühzeitig auf die Risiken der Corona-Maßnahmen hin, auch bei Achgut erschienen zahlreiche kritische Artikel (siehe zum Beispiel der aktuelle Beitrag von Felix Perrefort über Christian Drostens chronisch falsche Apokalypse-Prophezeiungen).
Nicht zuletzt sorgte die Corona-Politik für eine enorme Spaltung der Gesellschaft durch die Verunglimpfung und den Ausschluss der Kritiker, namentlich der Ungeimpften. Viele Politiker und Prominente gossen mit polemischen, teilweise menschenverachtenden Aussagen Öl ins Feuer und heizten die ohnehin schon aufgeladene Stimmung noch weiter an (eine kleine Kostprobe derartiger, schnell in Vergessenheit geratender Äußerungen finden Sie hier).
Angesichts der oben beschriebenen Gemengelage wird der Ruf nach einer Ermittlung der Schuldigen und entsprechender Vergeltung lauter. In den USA sorgte kürzlich der Aufruf einer Journalistin, eine Pandemie-Amnestie auszurufen für Entrüstung (Achgut berichtete). Der Beitrag befand, die Entscheidungsträger sowie die gemeinen Bürger hätten selbst im Dunklen getappt und es daher nicht besser wissen können:
„Diejenigen, die – aus welchen Gründen auch immer – Recht hatten, wollen sich vielleicht freuen. Diejenigen, die – aus welchen Gründen auch immer – falsch lagen, fühlen sich vielleicht in die Defensive gedrängt und ziehen sich auf eine Position zurück, die nicht mit den Fakten übereinstimmt. All diese Schadenfreude und Abwehrhaltung verschlingen weiterhin viel soziale Energie und treiben die Kulturkriege voran, insbesondere im Internet. Diese Diskussionen sind hitzig, unangenehm und letztlich unproduktiv. Angesichts von so viel Ungewissheit war es eine große Portion Glück, etwas richtig zu machen. Und ebenso war es kein moralisches Versagen, etwas falsch zu machen. Die Behandlung von Pandemie-Entscheidungen als Punkteskala, auf der einige Leute mehr Punkte sammeln als andere, hindert uns daran, voranzukommen.“
Keine Lizenz zum Durchdrehen
Also Schwamm drüber und einfach vergessen? Sich in Milde üben und die Corona-Fehler als Kavaliersdelikte abtun? Dies wäre freilich ein sehr laxer Umgang mit den vergangenen zwei Jahren, zeigte doch die Corona-Zeit anschaulich, wie leicht ohne jede Evidenz Panik geschürt, Grundrechte und andere (vermeintliche) Selbstverständlichkeiten über den Haufen geworfen werden und bis dato harmlose Mitmenschen zu Denunzianten mutieren konnten. Diese Entwicklungen zu Kleinigkeiten zu degradieren ist einerseits gefährlich, andererseits wird damit der handelnde Mensch seiner Eigenverantwortung entbunden. Eine Krise ist keine Lizenz zum Durchdrehen.
Fakt ist wohl, dass die Corona-Hysterie einerseits als gesamtgesellschaftliches Phänomen betrachtet werden muss, dem sich große Teile der deutschen Bevölkerung kritiklos hingaben. Doch helfen universelle Schuldzuweisungen, die sich aus dem Massenwahn ergeben, nicht weiter, sind sie doch kaum zu verfolgen, geschweige denn wiedergutzumachen. Jeder, der das Gefühl hat, Ungerechtigkeiten vonseiten seiner Mitmenschen ausgesetzt gewesen zu sein, muss sich mit diesen „offenen Rechnungen“ bei Bedarf wohl auf der konkreten persönlichen Ebene auseinandersetzen, wie auch immer das im Einzelnen aussehen mag.
Eine andere Geschichte ist der Umgang mit den eingangs erwähnten politischen Entscheidungsträgern, deren Aufgabe es kraft ihres Amtes war, das Krisenmanagement zu meistern und nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln. Die angeführten Kollateralschäden beweisen das Scheitern der Verantwortlichen; das Festhalten an fragwürdigen Strategien – etwa der wiederholte Einsatz von Lockdowns oder die Weigerung, Impfschäden anzuerkennen – suggerieren zudem vorsätzliches Handeln wider besseres Wissen.
Der Stoff der Corona-Politik
Bereits vor knapp einem Jahr wunderte ich mich in diesem Beitrag über die Nonchalance, mit der die Merkel-Regierung die ungeheuerlichsten Grundrechtseinschränkungen beschloss sowie die Scholz-Regierung, die mit ebensolcher Lässigkeit den Krisen-Modus weiterführte. Politiker, die eine wirkliche Gefahr abwehren müssen, stellte man sich irgendwie anders vor. Weder echte Besorgnis, noch das Erwägen einer Kosten-Nutzen-Rechnung der Maßnahmen ließ sich aus dem Verhalten der Verantwortlichen ableiten.
Der Verdacht vieler damaliger Beobachter scheint sich aus heutiger Sicht bestätigt zu haben: Die Lust am Durchregieren, die Gewöhnung der Bevölkerung an den Ausnahmezustand in Gestalt austauschbarer Krisen, die Etablierung beliebig einsetzbarer Einschränkungen neben der Rolle fragwürdiger Protagonisten wie der WHO, der Pharmaindustrie oder der Bill-Gates-Foundation scheint der Stoff gewesen zu sein, aus dem die Corona-Politik gemacht wurde. Bei vielen deutschen Verantwortungsträgern lässt sich vermuten, dass eher niedere Beweggründe das politische Handeln bestimmten.
Würde vor diesem Hintergrund eine wirkliche Corona-Aufarbeitung beginnen, müsste es um Konsequenzen für die Verantwortlichen gehen, in einigen Fällen sicher auch strafrechtliche. Doch bevor eine glaubhafte Aufarbeitung überhaupt beginnen kann, muss erst einmal das Corona-Regime beendet werden. Denn immer noch werden Menschen zum Impfen gedrängt, zu Tests genötigt und zum Tragen von Masken gezwungen. Wer keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzt, nicht zum Arzt oder ins Krankenhaus muss und auch keine Angehörigen im Pflegeheim hat, wird dies womöglich nur noch selten bemerken – aber der Corona-Ausnahmezustand ist noch nicht vorbei.
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