Während es bei zahlreichen Attacken auffallendes Schweigen aus der Politik gibt, oder es lapidar heißt, man „wolle zum jetzigen Zeitpunkt nicht spekulieren, man warte die Ermittlungen ab etc.“, wird in Fällen vermeintlich rassistischer Gewalt in Echtzeit mit der größtmöglichen Entrüstung reagiert.
Der Anlass war ein „brutaler, rassistischer Angriff“ auf zwei Mädchen aus Ghana im mecklenburgischen Grevesmühlen. Einem der Mädchen soll dabei von einem Jugendlichen ins Gesicht getreten worden sein, und sie seien verprügelt und rassistisch beleidigt worden, wie verschiedene Medien, unter anderem Bild, zunächst berichteten.
Ohne den Polizeibericht abzuwarten, reagierte die Politikprominenz sofort: Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) schrieb auf X/Twitter: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Haß & Hetze unsere Gesellschaft vergiften und Gewalt unsere Kinder bedroht.“ Und weiter: „Diese abscheuliche Tat muss sofort Konsequenzen haben. Rassismus und Gewalt sind widerlich. Das gilt erst recht, wenn Kinder angegriffen werden.“
Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) reagierte ähnlich, ebenfalls auf Twitter/X: “Wie hasserfüllt muss man sein, um selbst kleine Kinder anzugreifen? Rassismus ist menschenverachtend und will unsere Gesellschaft spalten. Dagegen aufzustehen, ist Aufgabe für uns alle – egal ob in der Schule, dem Job, oder beim Sport.“
Der Bürgermeister von Grevesmühlen, Lars Prahler (parteilos), fuhr das Höchstmaß an verbaler Entrüstung auf: „Diese rassistisch motivierte Tat macht mich einfach fassungslos. Das zeugt von bodenlosem Hass und enthemmter Unmenschlichkeit und lässt sich nicht entschuldigen“. Auch konnte er es sich nicht verkneifen, gleich wieder die AfD, ohne sie zu nennen, indirekt haftbar zu machen: „Ich glaube, wir leben gerade in sehr schwierigen Zeiten, wo komplexe Probleme auf der Straße liegen und diejenigen es einfach haben, die mit dumpfen Parolen und einfachen Lösungen Leute einfangen, als Menschenfänger“.
Die Polizei ermittelte wegen Landfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung und Beleidigung, und der Staatsschutz, der für politisch motivierte Gewalt zuständig ist, wurde eingeschaltet.
Die Tat stellt sich mittlerweile als etwas weniger dramatisch dar: demnach gab es nie einen Tritt ins Gesicht und auch keinen tätlichen Angriff auf die Mädchen. Aus einer Gruppe heraus soll ein Jugendlicher dem 8-jährigen Mädchen, das auf einem Roller unterwegs war, ein Bein in den Weg gestellt haben. Er habe es nur leicht mit dem Fuß berührt. Als es darauf seine Eltern rief, kam es zu Handgreiflichkeiten und Beleidigungen, der Vater des Mädchens wurde dabei leicht verletzt.
Abgesehen von den Schnellschüssen aufgrund von sensationellen Medienberichten: Warum reagiert die Politik sofort und laut, wenn das Opfer einen Migrationshintergrund hat, aber meist zögernd und verhalten, wenn dies nicht der Fall ist? Kürzlich wurde gemeldet, wie eine Jugendliche gequält und sogar gefesselt in einen Fluss geworfen wurde und nur knapp dem Tod entkommen konnte. Auch zwei junge Mädchen wurden von Jugendlichen geschlagen und beleidigt, ohne dass es nennenswerte Reaktionen aus der Politik gab.
Sebastian Biehl, Jahrgang 1974, arbeitet als Nachrichtenredakteur für die Achse des Guten und lebt, nach vielen Jahren im Ausland, seit 2019 mit seiner Familie in Berlin.