Die Ethnologin Susanne Schröter hat ein exzellentes Buch über den Kulturkampf der Woken geschrieben. Eher journalistisch und damit anschaulich schildert Sie wie falsche Linke Wissenschaft und Kultur bedrohen.
Verrückte Ideen kommen heute meistens aus dem (noch) nicht gleichgeschalteten Amerika, werden dann aber vor allem in Deutschland (tod-) ernstgenommen und für die brutal-totalitäre Gleichschaltung der Universitäten und des Kulturlebens benutzt. So ist es auch bei der „Woke“-Bewegung, die nicht einmal den Versuch macht, ihre Herkunft zu verheimlichen. Auch ich selbst hielt die Idee einer generellen Vorverurteilung der weißen Rasse für alle Übel der Welt verantwortlich zunächst für so abwegig, dass ich sie nicht recht ernstnahm. Das war ein Fehler.
Die Ethnologin Susanne Schröter, die an der Frankfurter Goethe-Universität seit 2008 den Lehrstuhl „Ethnologie kolonialer und postkolonialer Ordnungen“ innehatte und seit 2014 das von ihr gegründete „Frankfurter Forschungszentrum globaler Islam (FFGI)“ leitete, legt mit ihrem im christlichen Verlag Herder (Freiburg) veröffentlichten neuen Buch mit dem Titel „Der neue Kulturkampf“ keine theorielastige akademische Abhandlung vor, sondern einen eher journalistischen Bericht über die Hexenjagd auf Wahrheitssuchende in deutschen Universitäten und politischen Beratungsgremien, unter denen sie selbst zu leiden hatte und denen ihr Institut beinahe zum Opfer gefallen wäre. Susanne Schröter, die selbst Jahre lang im islamisch dominierten und bevölkerungsreichen Indonesien geforscht hat, gilt in Deutschland als eine der erfahrensten Beobachterinnen der Entwicklung der Weltreligion Islam und ihrer Anhänger.
Im Unterschied zu der inzwischen in Westeuropa dominierenden woken Ideologie macht Frau Schröter für die überwiegend missratene Integration muslimischer Zuwanderer in unsere Gesellschaft nicht uns selbst verantwortlich, sondern sucht nach Ursachen in der Erziehung der Muslime und in der Politik der Islam-Verbände. Im Gegensatz dazu suchen antiwestlich ausgerichtete Woke-Anhänger wie etwa die intersektoralen Feministen die von Islamisten kultivierte Opfer-Mentalität noch zu verstärken, indem sie viele Fragen und auch Personen tabuisieren und das mit Gewaltdrohungen unterstreichen. Susanne Schröter berichtet von einer Konferenz über Migration und Sicherheit, die ihr Institut im August 2017 im Wiesbadener Justizministerium durchführte. Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, der auf dieser Konferenzsprechen sollte, musste auf Druck woker Mitarbeiter der Goethe-Universität wieder ausgeladen werden. Frau Schröter erhielt daraufhin vom hessischen Landeskriminalamt einen Gefährdungsstatus.
Pogromstimmung an der Goethe-Universität
Noch viel größer war der Tumult, als Susanne Schröter Ende April 2023 zu einer Konferenz mit dem Titel „Migration steuern, Pluralität gestalten“ an der Goethe-Universität einlud. Neben Frank-Jürgen Weise, dem ehemaligen Chef der Bundesagentur für Arbeit und später des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, waren der Islamwissenschaftler Ralph Ghadban und der Psychologe Ahmad Mansour, die Migrationsforscher Sandra Kostner und Ruud Koopmans sowie der Rechtswissenschaftler Daniel Thym und der stellvertretende Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Manuel Ostermann als Referenten geladen.
Schließlich sollte der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer über konkrete Erfahrungen mit der schwierigen Integration muslimischer Migranten berichten. Bei seiner späten Ankunft wurde Palmer offenbar durch einen Mob zum Gebrauch politisch unkorrekter Ausdrücke provoziert. Auf der Konferenz verbreitete sich daraufhin nach Aussage Schröters eine Pogromstimmung. Der geschäftsführende Direktor des Instituts für Ethnologie forderte, unterstützt von der Studentenvertretung nicht weniger als die Entlassung Susanne Schröters und die Schließung ihres Instituts. Diese konnte ihren Job damals nur retten, weil die Presse nach Ansicht des potenziellen Opfers in diesem Fall objektiv blieb und weil fast 900 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sie mit einer Unterschriftenliste unterstützten. Im Juli 2023 bewilligte der Hochschulrat schließlich die Finanzierung des Instituts und die Vergabe einer Forschungsprofessur für zwei weitere Jahre.
Dass diese Geschichte bei weitem kein Einzelfall ist, demonstriert Schröder an weiteren Beispielen wie die Ausladung des Althistorikers Egon Flaig durch die Universität Erlangen-Nürnberg. Flaig hat das Sakrileg begangen, in seiner „Weltgeschichte der Sklaverei“ (2009) die Versklavung großer Teile Afrikas durch islamische Mächte thematisiert zu haben. Ähnlich gelagert ist der Fall der Wirtschaftsjuristin Alessandra Asteriti, die die Universität Lüneburg nach einer Mobbing-Attacke wegen angeblicher Transphobie verlassen musste.
Maschine zur Erzeugung von Konformität
Der heutige Wissenschaftsbetrieb ist nach dem Eingeständnis Susanne Schröders an sich eine mächtige Maschine zur Erzeugung von Konformität. Wer in der Wissenschaft weiterkommen will, tut gut daran, nicht aus der Reihe zu tanzen. In dem Alter, in dem junge Wissenschaftler die größten Chancen haben, nobelpreiswürdige Entdeckungen zu machen, sitzen sie auf befristeten Stellen, deren Fortführung nicht nur von den Launen der Institutsleitung, sondern auch von deren Fähigkeit zur Einwerbung von Drittmittel abhängig ist. Da wird die Pflege oberflächlicher Harmonie zur Frage des Überlebens.
Schon bislang war in meinem Fach, der Biologie, die Beschäftigung mit Tatsachen, die der darwinschen Selektionstheorie widersprechen, ein sicherer Karriere-Killer. Heute verlangt die Woke-Ideologie überdies die Leugnung der Zweigeschlechtlichkeit als durchgehendes Prinzip in der Tierwelt. Schröter zitiert den Fall der jungen Biologin Marie-Luise Vollbrecht, deren Vortrag über die Zweigeschlechtigkeit an der Berliner Humboldt-Uni von woken Aktivisten zunächst verhindert wurde.
Susanne Schröter beschäftigt sich auch mit bedenklichen Entwicklungen in ihrer eigenen Disziplin, der Ethnologie – einer Forschungsrichtung mit kolonialistischer Vergangenheit, die in der globalisierten Welt wohl ohnehin zum Sterben verurteilt ist. Eine wichtige Rolle spielt darin das Buch des Dakota-Indianers Vine Deloria mit dem deutschen Titel „Nur Stämme werden überleben“, das den westlichen Individualismus kritisiert und die Rückkehr zum kollektivistischen Tribalismus predigt. Diese Idee wurde unter anderen von der Klima-Bewegung „Extinktion Rebellion“ und von der Ausstellung „Healing. Leben im Gleichgewicht“ im Frankfurter Museum der Weltkulturen aufgegriffen. Mit solchen „Argumenten“ lassen sich nicht nur magische Praktiken in der Medizin, sondern auch Genitalverstümmelungen, grausame Pubertätsrituale, Kinderheiraten und die Ermordung von „Hexen“ rechtfertigen.
Das Beispiel Constantion Schreiber
Gleichzeitig versuchen die Woken, die inzwischen nicht nur in Beratungsgremien, sondern auch in staatlichen und kommunalen Verwaltungen Fuß gefasst haben, durch Sprachregelungen (wie vom Asylbewerber zum Schutzsuchenden) die überproportionale Beteiligung muslimischer Migranten an kriminellen Delikten wie Messerangriffen herunterspielen. Die oft in den Medien präsente Naika Foroutan, Professorin für Integrationsforschung und Gesellschaftspolitik an der Berliner Humboldt-Universität, hat den diabolischen Begriff „postmigrantische Gesellschaft“ etabliert. Er besagt nicht weniger, als dass nicht die Zuwanderer sich an die Deutschen anzupassen haben, sondern umgekehrt die Deutschen an die Zuwanderer. Im Grunde genommen stimmen die Woken damit dem rechtsextremen Narrativ von der Umvolkung zu.
Am Beispiel des Schicksals des „Tagesschau“-Sprechers Constantin Schreiber zeigt Frau Schröter, wie es jenen Islamkundigen ergeht, die „Islamophobie“ nicht als schwere Form des Rassismus anerkennen. Schreiber, der im Nahen Osten studiert und gearbeitet hat, wurde von Islamisten und ihren woken Helfershelfern so lange gemobbt, bis er erklärte, sich nie wieder zum Islam und allem, was auch nur entfernt damit zu tun hat, äußern zu wollen.
Schröter berichtet auch vom Schicksal des Berliner Vereins für Demokratie und Vielfalt in Schule und beruflicher Bildung (DeVi), der sich mithilfe der Lehrerfortbildung und andere Maßnahmen erfolgreich um die durch das permanente religiöse Mobbing nichtislamischer und insbesondere jüdischer durch islamische Schüler in die Schlagzeilen geratene Berliner Rütli-Schule kümmerte. Als Dank dafür entzog ihm der rot-grüne Berliner Senat Fördermittel. Denn da Deutschland nach Ansicht der „Unabhängigen Expertenkommission Muslimfeindlichkeit (UEM)“ durch strukturellen Rassismus geprägt ist, sollen Probleme wie das Mobbing in Schulen nur durch die Umerziehung aller Deutschen gelöst werden können.
In kurzer Zeit die Definitionsmacht errungen
Ähnlich argumentiert die „Mitte-Studie“ der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert-Stiftung (2023), die vom Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld unter Leitung von Prof. Dr. Andreas Zick erstellt wurde. Eigentlich kam die Befragung, auf der diese Studie fußt, zu eher beruhigenden Ergebnissen: Nur vier Prozent von ihnen verharmlosten den Nationalsozialismus. Die deutsche Nachkriegs-Demokratie erschien insofern in guten Händen. Aber Prof. Zick und seine Mitarbeiter unterstellten vielen Befragten, sich in der eigenen Einstellung zu irren.
Die Studie wurde in den Medien mit der Aussage angekündigt, ein immer größerer Teil der Bevölkerung distanziere sich von demokratischen Werten. Offenbar wurden dabei nur linke beziehungsweise woke Einstellungen als demokratieverträglich eingestuft. Schon die Aussage, Deutschland müsse gegenüber dem Ausland stärker seine Interessen vertreten, der 23 Prozent der Befragten zustimmten, wurde als nationalchauvinistisch und damit als extrem rechts bewertet. 16,2 Prozent aller Befragten schreibt die Studie „Fremdenfeindlichkeit“ zu.
Das sind nur einige Beispiele, die zeigen, dass die Woke-Ideologie an deutschen Universitäten – und nicht nur dort – in kurzer Zeit die Definitionsmacht errungen hat. Ich habe übrigens Hemmungen, diese Ideologie als „links“ zu bezeichnen. Denn ich komme selbst aus der Linken und wurde, außer durch die Werke von Karl Marx und Friedrich Engels, auch stark durch linke Autoren wie George Orwell, Albert Camus, Simone Weil und Hannah Arendt geprägt. Diese Autoren nahmen immer Partei für die Armen und Geknechteten. Die Woken hingegen zeigen offen ihre Verachtung der „Normalos“ und lassen sich nicht selten von Milliardären hofieren. Außerdem arbeiten sie zum Teil offen mit eindeutig rechten Islamisten-Verbänden zusammen. Es scheint sich hier also um einen mehr oder weniger bewussten Etikettenschwindel zu handeln. Da ich einen großen Teil des Jahres im südlichen Ausland verbringe, hatte ich übrigens keinen Überblick über die Vielzahl woker NGOs und Netzwerke, die sich ihre Wühlarbeit in Deutschland mit unseren Steuergeldern bezahlen lassen. Ich bin Susanne Schröter deshalb dankbar für die entsprechenden Einblicke.
Die tiefere Ursache für diese Entwicklung sehe ich in der zunehmenden Verbreitung der psychischen Störung des Narzissmus, der moralischen Selbstüberhöhung seit 1968. Diese prägt nach Ansicht des amerikanischen Historikers Christopher Lasch unsere ganze Epoche. Darauf geht Susanne Schröter aber nicht ein, sondern hält sich an Berichte aus ihrem eigenen akademischen Umfeld. Diese Beschränkung kann freilich auch als Stärke gewertet werden, da die Autorin so vermeidet, über Dinge zu reden, von denen sie wenig versteht oder für die sie in der Öffentlichkeit nicht für kompetent gehalten wird. Sie macht das Buch aber in jedem Fall ergänzungsbedürftig.
Der neue Kulturkampf von Susanne Schröter – Wie eine woke Linke Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft bedroht, 20,00 €, Verlag: Herder
Edgar L. Gärtner ist studierter Hydrobiologe und Politikwissenschaftler. Seit 1993 selbstständiger Redakteur und Berater, als solcher bis 1996 Chefredakteur eines Naturmagazins. Bis Ende 2007 Leiter des Umweltforums des Centre for the New Europe (CNE) in Brüssel. In Deutschland und in Südfrankreich ist er als Autor und Strategieberater tätig.
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