Besonders erfreulich sind Leserkommentare, die eigentlich selbst eigene kleine Texte sind. Und damit sie nicht alle in der Menge untergehen, veröffentlichen wir an dieser Stelle regelmäßig den „Leserkommentar der Woche“.
Diesmal ist es ein Kommentar zu Jordan B. Petersons Beitrag „Verhaltenswahrheit“. Rainer Niersberger schreibt:
Ohne (philosophisch) allzu tief einzusteigen, schon aus Platzgründen, folgende Hinweise zum Text : Wahrheit und Realität sind unterschiedliche Kategorien. Die Natur ist real, aber nicht wahr. Ein Tisch ist real, aber nicht wahr. Die Handlung eines Menschen ist real, aber nicht wahr. Die „Wahrheit“ betrifft nichts Gegenständliches, Physisches, sondern ein nicht greifbares Immaterielles. Ebenso die Frage der Subjektivität und Objektivität und die Frage, ob es um Beschreibung, Bewertung oder Normierung geht. Realität ist nie normativ. Wahrheit kann normativ gemeint sein. An „meine“ Moral, ohnehin nicht überall gleich, muss ich mich nicht selbst halten. Ethisch sieht die Sache anders aus, wenn ich eine allgemeine Ethik unterstelle. Dem Autor werden die Phänomene der Selbsttäuschung, der Illusion, des sich selbst etwas vormachen, bekannt sein. Mit Wahrheit das nichts zu tun und mit Realität insoweit, als alles was ist, real ist. Auch wenn es „nur“ im Hirn des Individuums, in seiner Vorstellung, existiert. Ob es handlungsleitend wird, ist eine andere Frage, die von diversen Einflüssen von Außen und Innen abhängt. Bei aller Definitionsproblematik (nicht nur) beim Begriff der Wahrheit ist diese im Rahmen der immer vorhandenen Grenzen objektiv zu verstehen. Sie, die Wahrheit, hängt per se weder vom Gefühl des Einzelnen ab, noch ist sie logisch mit dem realen Verhalten des Einzelnen verknüpft. Keine Frage ist, dass Alles und jeder Versuch einer Objektivierung naturgemäß darunter leidet, dass immer nur ein einzelner Mensch, so wie er „ist“, denkt, der deshalb nur im Rahmen seiner Verfasstheit und immer subjektiv denkt. Im (anderen) naturgesetzlichen Bereich versucht man mit mehr oder weniger Erfolg, ebenfalls anthropologisch begrenzt, aber durchaus weitergehend, sich der realen Objektivität zunächst erklären, dann empirisch zu nähern, immer unter dem Vorbehalt, dass es auch (ganz) anders sein könnte.
Zum Hintergrund: Leserkommentare dienen nicht nur dem Gedankenaustausch, sondern ergänzen mitunter die dazugehörigen Texte um neue Aspekte und geben ein Bild der Stimmungslage. Leserkommentare sind dabei nicht repräsentativ für die Leserschaft, viele Achgut-Leser stehen beispielsweise im Berufsleben und haben gar keine Zeit oder haben Scheu, sich öffentlich zu äußern. Umso mehr freuen uns sachliche und im Ton konziliante Zuschriften, die entsprechend unserer Netiquette ruhig kritisch sein können, aber nicht verletzend sind. Die Redaktion freut sich dabei ganz besonders über Kommentare, die eigentlich selbst eigene, kleine Texte sind.