Macrons Hoffnung, den rechten Erfolg bei den Europawahlen durch vorgezogene Parlamentswahlen bremsen zu können, haben die Wähler zerstört. Aber für eine absolute Mehrheit der Rechten wird es voraussichtlich nicht reichen.
Laut Hochrechnungen vom Sonntagabend kommt der rechtskonservative "Rassemblement National" (RN) von Marine Le Pen im ersten Wahlgang landesweit auf rund 34 Prozent der Stimmen und damit auf fast doppelt so viele wie vor zwei Jahren. Gegenüber der Wahl zum Europaparlament vor drei Wochen, wo der RN 31 Prozent bekam, war dies nochmal eine Verbesserung.
Zweitplatzierter wurde das Linksaußenbündnis Nouveau Front Populaire (NFP), welches kurz vor der Wahl gegründet wurde und aus den Sozialisten, dem linksradikalen La France Insoumise, den Grünen und anderen Linksparteien besteht, mit 28 Prozent. Auf dem dritten Platz folgte Präsident Emmanuel Macrons links-liberales Bündnis Ensemble mit etwa 20 Prozent. Mit weitem Abstand folgten die gemäßigt-konservativen Republikaner mit etwa 10 Prozent. Macrons Rechnung, mit der Angst vor den Rechten die Bürger, wie in der Vergangenheit, hinter seinem gemäßigt-linken Bündnis zu vereinen, ging nicht auf.
Das Ergebnis ist aber nur bedingt aussagekräftig, da die 577 Sitze der französischen Nationalversammlung nicht wie in Deutschland nach dem relativen Stimmenanteil vergeben werden, sondern aus jedem Wahlkreis der Kandidat mit den meisten Stimmen nach Paris geschickt wird. In einer Woche kommt es zu einer Stichwahl in allen Wahlkreisen, in denen kein Kandidat mehr als die Hälfte der Stimmen bekommen und dabei gleichzeitig mindestens 25 Prozent aller Wahlberechtigten überzeugt hat. Üblicherweise stehen nur eine Handvoll der 577 Sitze der Nationalversammlung schon nach dem ersten Wahlgang fest. Diesmal gab es allerdings etliche Kandidaten, die bereits in der ersten Runde die absolute Mehrheit in ihren Wahlkreisen erhielten, darunter Marine le Pen vom RN. Für die zweite Runde wird geschätzt, dass der RN zwischen 240 und 270 Sitzen bekommt und damit die absolute Mehrheit von 289 verfehlen würde. Für die NFP werden zwischen 180 und 200 Sitze vorausgesagt, für Ensemble zwischen 60 und 90 Sitze und für die Republikaner zwischen 30 und 50 Sitzen.
Es deutet sich an, dass für die zweite Runde wieder das übliche „alle gegen rechts“ Zweckbündnis geformt wird. In vielen Fällen wird es zu Duellen zwischen Linksaußen und Rechtsaußen kommen. Macron rief seine Anhänger dazu auf, im zweiten Wahlgang gegen Kandidaten der RN zu stimmen. Ob seine Wähler seinem Aufruf folgen, ist allerdings die Frage, immerhin schreckt der Linksradikalismus von NFP viele gemäßigte Wähler ab. Die Republikaner lehnten eine Wahlempfehlung ab, ihre Wähler stehen dem RN allerdings näher als der NFP. Die Wahlbeteiligung war mit 66 Prozent auch bedeutend höher als bei der letzten Parlamentswahl mit 47,5 Prozent.
Präsident Macron hatte die Neuwahlen bekanntlich am Abend der Europawahl Anfang Juni wegen des starken Abschneidens des RN und der Niederlage seines Parteibündnisses angekündigt.
(Quellen: Figaro, FAZ, Dts-Nachrichten)